✨57 - Sonntag✨

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Corbys Sicht
Tatsächlich ist es gar nicht so einfach, sich über die laute Musik hinweg mit meinen Gästen zu verständigen. Außerdem kommt es mir so vor, als würde mir jede einzelne Person, die ich anspreche nicht mal zuhören wollen, denn jedes Mal schauen sie mich nur komisch an und lachen. Seltsam. Haben die alle zu viel gesoffen oder was? Selbst, als ich zu Marco, meinem stets loyalen DJ mit seinen absolut geilen Dreadlocks gehe und ihn antippe, lacht er genauso komisch wie die anderen. Was ist hier nur verdammt noch mal los? »Ich will jetzt Schluss machen! Kannst du ansagen, dass der nächste Titel der Letzte ist? Das würde mir sehr helfen!«, sage ich ihm laut ins Ohr, damit er mich versteht. Er sieht zwar so aus, als würde er das schade finden, nickt aber verständnisvoll und zeigt mir einen erhobenen Daumen. Ich zwänge mich in die tanzende Menge und teile trotzdem vielen einzeln mit, dass der ganze Spaß jetzt gleich vorbei ist, obwohl sie immer noch lachen und sich seltsam verhalten. Natürlich dauert es trotz Marcos Hilfe ewig, einige Leute in Bewegung zu setzen, nachdem der letze Song vorbei ist. Es ist wie immer, manche wollen einfach nicht gehen.

Ich helfe meinem DJ natürlich so gut ich kann, sein Equipment zusammenzupacken. Und selbst, als wir damit fertig sind, sind einige noch nicht verschwunden. Diese Leute muss ich schlussendlich wirklich rausschmeißen. Das ganze macht mich super fertig. Als auch Marco losgeht und ich ihm kumpelhaft zum Abschied auf die Schulter klopfe, merke ich erst, wie erschöpft ich bin. Marco verschwindet in der Ferne in einem Taxi und ich lasse mich erschöpft auf die alte Holzbank neben unserer Haustür sinken, die theoretisch jeden Moment einbrechen könnte. Am liebsten würde ich jetzt eine rauchen, aber ich habe schon lange keine Kippen mehr in der Hand gehabt. Meine Mutter hat mir das gnadenlos ausgetrieben mit dem Nikotin. Ich seufze und blicke hinauf in den sternenklaren Himmel. Irgendwann in der neunten Klasse hatten wir mal Sternbilder im Unterricht, aber da hab ich nie zugehört. Jetzt gerade würde mich allerdings schon interessieren, was die Sterne da oben über mir für Muster bilden. Ein kalter Luftzug weht mit um die Knöchel, doch ich habe noch keine Lust, wieder hineinzugehen.

Jaspers Sicht
Auf halber Strecke zurück zum Haus von Corby zücke ich mein Handy und tippe die Nachricht an Nick. Ich werde allerdings hin und wieder unterbrochen, weil mir lauter andere Gäste entgegenkommen, da die Party jetzt anscheinend vorüber ist. Komisch, dabei ist es erst kurz nach halb zwei. Ich hätte gedacht, dass Partys länger dauern. Aber, wenn ich dran denke, wie es dem Gastgeber so ging, ist es schon nachvollziehbar, dass die Party aus ist. Mir kamen noch nie so viele Taxis in so einem kleinen Ort entgegen. Viele versuchen sich mit ihren Pegeln auch auf Fahrrädern, die meisten scheitern kläglich. Irgendwann werden es weniger Leute, die mir entgegenkommen und ich kann mich wieder auf die Nachricht konzentrieren. Ich lösche ein paar mal wieder meine Entwürfe, da die Formulierungen nach einer lahmen Ausrede klingen. Doch kurz, bevor ich wieder bei Corbys Haus angekommen bin, schicke ich die perfekte Nachricht ab.

Guten Abend Nick! Wir haben leider unseren Bus verpasst und erst dann festgestellt, dass es der letze ist, der Nachts fährt. Wir übernachten bei Corby, dem Geburtstagskind, bis der nächste Bus kommt, wir wären dann etwa zum Frühstück da. Wir wollten dich nicht aus dem Bett klingeln. Es ist alles gut bei uns, Corby ist ein Klassenkamerad von Judy. Du brauchst dir keine Sorgen um uns machen. Nächsten mal erkundigen wir uns vorher, wie die Busse fahren, versprochen!

Ich habe natürlich trotzdem kein gutes Gefühl bei der Sache. Zumal ich gar nicht weiß, ob wir überhaupt länger bleiben dürfen als die anderen Gäste. Seufzend kämpfe ich mich in den Vorgarten wie beim ersten Mal. Die Rosenranken bohren sich in meine Knöchel. »Verflucht!«, flüstere ich und versuche einen Trampelpfad auszumachen, doch komischerweise gibt es keinen, obwohl Ja ziemlich viele Gäste hier durchmussten. Oder hab ich als einziger einen anderen Zugang nicht gefunden? Ich weiß es nicht. Jetzt bin ich sowieso fast an der Tür angekommen. Ich schüttle die letzen Ranken ab, fluche noch einmal und will gerade klingeln, da erschrecke ich mich zu Tode, als jemand etwas aus dem Nichts zu mir sagt. »Jasper? Was machst du denn noch hier?« Ich wende mich in die Richtung, aus der die vertraute Stimme kam und entdecke Corby, der im Dunkeln auf einer alten Bank sitzt. »Hast du mich erschreckt! Ich... äh... wollte Judy Bescheid sagen, dass keine Busse mehr fahren und wir am Arsch sind.«, gebe ich zu. »Das hätte ich dir gleich verraten können, dass jetzt kein Bus mehr kommt!«, sagt er lachend. Ich starre stirnrunzelnd auf die Buchstaben, die auf Corbys Stirn prangen. Er scheint es zu bemerken und sagt: »Was verdammt noch mal ist denn?! Jetzt schaust du mich auch noch so an wie alle anderen. Hab ich was im Gesicht oder was?«, fragt er aufgebracht und ich bin überrascht, dass ihm bisher wohl niemand mitgeteilt hat, dass in dicken fetten Großbuchstaben das Wort HOMO auf seiner Stirn steht.

»Ähm, wenn du es genau wissen willst... Du hast da was auf der Stirn.«, sage ich zögerlich. »Was?! Wirklich??«, fragt er entsetzt und fasst sich dorthin. Dadurch verschmiert er allerdings nur eines der Os. Er starrt auf die schwarze Farbe an seinem Finger und starrt mich an. »Was steht da, Jasper?«, fragt er ernst und ich beiße mir auf die Zunge. Was soll ich denn jetzt sagen? »Ähm... willst du es wirklich wissen?«, frage ich kleinlaut. »Ja, natürlich will ich das wissen! Jetzt sag schon!« Ich schlucke. Mann ist das peinlich! Wer hat ihn denn bitte so verunstaltet? Und wie kommt man auf sowas? »Ich... also...«, fange ich an und weiß nicht, wie ich es ihm schonend beibringe. »Jasper.«, sagt er streng. »Jetzt spuck's schon aus!« Ich balle meine Hände zu Fäusten, schließe die Augen und sage es. Ich komme mir dabei irgendwie vor, wie ein kleines Kind. »Homo. Da steht Homo auf deiner Stirn.« Stille. Ich öffne zaghaft die Augen. Corby starrt auf den Boden. »Echt jetzt?!«, fragt er nach einigen Sekunden. »Echt jetzt.«, sage ich und ziehe mein Handy raus, um es ihm als Spiegel zu geben. »Hier, sieh selbst.« Er nimmt es und schaltet die Innenkamera ein. »Scheiße, du hast recht!«, sagt er schockiert und versucht, daran herumzuwischen, doch er macht es nur schlimmer.

»Mann, das geht nicht mal richtig ab!«, Flucht er und gibt mir das Handy zurück. Ärgerlich sieht er mich an. »Ich weiß sogar genau, wer das war. Dieser Sack!« Ich setze mich langsam neben ihn auf die schmale Bank. »Wer denn?«, frage ich. »Damian. Nur er schreibt sein M so hässlich. Ich kenne seine Schrift. Der kann aber noch was erleben!«, er seufzt. »Aber heute schaff ich es eh nicht mehr, ihm die Fresse zu polieren. Ich bin viel zu ausgepowert. Außerdem pennen die bestimmt schon. Achso, ich glaube nicht, dass du deiner Freundin drinnen Bescheid geben musst. Die hat sich mit Damian vorhin auf die Couch im Arbeitszimmer verzogen, die ratzen sicherlich bis morgenfrüh durch, so müde wie die aussahen.« Ich blinzle überrascht. »Ist das denn okay für dich, wenn sie hier schläft?«, frage ich vorsichtig. »Klar. Aber auch nur, weil Damian sie so sehr mag. Finnian und Jayden schlafen übrigens auch hier. Also wenn du willst, kannst du auch hier pennen. Falls du nicht mehr nachhause kommst, mein ich... wegen der Busse.« Mein Herz macht einen Purzelbaum, das wäre ja fantastisch! Also natürlich nur, weil dann mein Plan mit der Zeitüberbrückung aufgeht und mit der Nachricht an Nick übereinstimmt...

Hate Trans, Love TranceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt