Therapy

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"Setzt dich doch", meinte die Frau mit den schwarzen, lockigen Haaren freundlich. Ihre Gesichtszüge verrieten mir, das sie aus Europa stammen musste. 

Schon meine zweite und somit letzte Einzelsitzung in diesem Loch namens Klinik. 

Als ich auf dem Stuhl gegenüber der Frau, die ich aufgrund ihrer leichten Falten auf über 50 Schätzte, Platz genommen hatte, rutschte ich noch etwas hin und her, bis ich eine akzeptable Position sah und die Therapeutin abwartend anblickte. 
Sie hatte ihre Hände auf dem runden Tisch, der uns voneinander trennte, verschränkt. Auf ihren dünnen Lippen lag ein herzliches Lächeln. Ihre Augenbrauen waren schmal, ihre Nase fein und spitz und hinter den eingefallenen Wangen konnte ich sogar ein Grübchen erkennen. Alles in allem wirkte sie sehr sympathisch auf mich, kennen tat ich sie jedoch noch nicht wirklich.

"Ich mag den Eyeliner! Sieht toll aus!" 

Ich bedankte mich lachend und fuhr mir nervös durch die Haare.

"Wie geht es dir denn Taehyung?" 

Ich biss mir fest auf die Unterlippe bevor ich antwortete. Jetzt wo ich so drüber nachdachte. Was sollte man schon sagen. Ich überlegte. Würde ich mit 'gut' antworten, würde sie im Verlauf der Gesprächs nicht nur hinterfragen, wieso ich das gesagt hatte, sondern mir auch die Lüge anmerken. Bei der Option 'schlecht' müsste ich mich jedoch sicherlich erklären. 

"Du kannst wirklich ehrlich mit mir sein. Das haben wir ja schon besprochen." Sie lächelte immer noch, als gäbe es nichts schöneres auf der Welt als im hier und jetzt mit mir an diesem Tisch zu sitzen und über mein 'Probelm' wie sie es gestern genannt hatte zu sprechen. Guter Ausdruck, fand ich. 

"Hm", ich überlegte kurz, zog meine Augenbrauen zusammen und sprach dann weiter, "eigentlich ganz oke. Nicht gut aber ganz oke." Ich lächelte und wuschelte mir unbeholfen durch die gefärbten Haare. 

"Das ist doch schon mal ein Anfang", sie lächelte immer noch. "Weisst du, es ist ganz normal, dass du dir merkwürdig vorkommst anfangs. Aber du gewöhnst dich sicher bald daran!"

"Es ist gar nicht soooo schrecklich", stimmte ich ihr zu. Ich mochte die Frau immer mehr. Ihre Art und Weise wie sie mit mir ganz gelassen sprach, ohne zu sagen ich solle essen, oder solle dies und jenes tun, gefiel mir einfach. Ich hatte das Gefühl ich könne ihr alles erzählen, was ich auch wollte. 

"Ich muss etwas erzählen", schoss es dann plötzlich aus mir heraus. 

"Aber da  ich bin ich mal gespannt", sagte sie und richtete sich etwas gerader hin. Warscheinlich hatte sie die Euphorie die mich überkam mitbekommen, wie auch nicht. Ich strahle plötzlich fast und lehnte mich seuftzend im Stuhl zurück ehe ich sie wieder anblickte. 

"Jeon Jungkook, der Junge mit dem ich ein Zimmer teile. Er ist nett. Wirklich, sehr. Ich fühle mich irgendwie wohl, keine Ahnung", ich musste lachen wegen meiner Unbeholfenen Formulierung, "Ich- ich weiss auch nicht er ist sehr lieb. Ich- Ich- Es klingt so scheisse, wenn ich darüber rede", bemerkte ich dann und hielt mir vor Scham die Hände vors Gesicht. Sie lachte freundlich auf und verschränkte nun ihre Hände vor ihrem Bauch, ein Bein über das andere gekreuzt. 

"Ich- ja", sagte ich und gab es somit auf meine Gefühle zu beschreiben. Sie würde uns jetzt als Freunde sehen, aber so war es doch auch oder? Nein, schwachsinn. Ach, ich wusste es doch selbst nicht. Doch das war mir im Moment egal, ich fühlte mich einfach nur wie ein kitschiger Teenager der seiner Oma von seinem neuen Freund beziehungsweise Crush erzählte, was sie hoffentlich nicht bemerkte. Obwohl, sie war Psychologin, das tat sie demnach sehrwohl... Solange sie mich aber nicht darauf ansprach konnte es mir gleichgültig sein. 

"Nein, Taehyung, ich finde es wirklich gut, dass du eine Vertrauensperson gefunden hast. Dieser Jungkook, dem kannst du auch vertrauen und ihm erzählen, wenn es dir nicht gutgeht, oder? Korrigier mich einfach wenn ich was falsch verstehe", meinte sie. 

Ich nickte zustimmend. 

"Das ist wichtig, weisst du. Nein, das finde ich wirklich gut. Und wie steht es denn mit Morgen früh?" Ihr Blick wurde etwas ernster. Auch ihre Körperhaltung war nun versteifter. 

"Morgen früh?"

"Weisst du, ich meine die Gewichtslinie."

"Was?" Ich wollte nicht so unhöflich klingen, doch es war mir schon herausgerutscht. Jedoch schien sie es mir keineswegs übelzunehmen. 

"Morgen früh wird bei euch, die wöchentliche Untersuchung durchgeführt, sowie jeden Montag."

"Fuck", dachte ich. 

"Du brauchst wirklich keine Angst davor zu haben. Es ist okey, du bist hier um etwas zuzunehmen, dein Problem, diesem kleinen nervigen Zwerg in deinem Kopf zu sagen, der soll mal ruhig sein, damit du wieder gesund wirst und auch Freude am Leben haben kannst!"

"Hm, ich weiss schon", gab ich zu, vermied Augenkontakt und spielte am Saum meines langärmligen Shirts rum, griff unterbewusst um mein Handgelenk und seufzte schliesslich. 

"Ich werde das schon Packen", sagte ich dann mit fester Stimme und meinte es tatsächlich auch so. 

Ich hatte ja keine Ahnung, was morgen auf mich zukommen würde. 


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Hey, danke fürs Lesen! Wie gefällt euch die Story bisher?

Ich wollte nur kurz erwähnen, dass vielleicht nicht alles in diesem Buch sehr realistisch ist, es aber auch nicht umbedingt so sein muss, da es eine Fanfiction ist und keine Biografie. Jedoch ist vieles, vor allem Taehyungsgefühle oder auch diese Szene sehr nahe der Realität, was ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann. 

Da ich mich mit dem Thema Drogenabhängigkeit bzw kalter Entzug weniger gut auskenne, könnt ihr mich gerne respektvoll korrigieren falls ich etwas wiedersprüchliches schreibe. (Alle meine Kentnisse basieren auf Googel.)

𝕯𝖔𝖕𝖊 ᵗᵃᵉᵏᵒᵒᵏWo Geschichten leben. Entdecke jetzt