dark. - Prologue.

257 6 0
                                    

dark.
Prologue.

Einsam und verlassen lag das große und anmutig wirkende Bauwerk vor ihr. Der kalte Dezemberwind pfiff ihr um die Ohren, während die junge Frau den warmen Kaschmirschal enger um ihren Hals zog.
Grübelnd legte sie die Stirn in Falten und erlag dem Versuch, sich nochmals ihrer Notizen zu versichern. Mit elegantem Schwung zog sie den kleinen Block aus ihrer Manteltasche, befeuchtete ihren linken Zeigefinger und bemühte sich, der plötzlich wild durcheinander flatternden Papierschar Herr zu werden.
»Highcliffe Manor«, murmelte sie leise und sah von der Schreibe auf. »Birmingham?«
Das alte Herrenhaus schien eine Anziehung auf sie auszuüben, deren Ursprung sie sich nicht erklären konnte.
Warum in aller Welt hatte man sie ausgerechnet hierher geschickt?
Jede andere Reporterin hätte diesen Artikel ebenso schreiben können, doch bestand ihr Vorgesetzter darauf, dass sie, Katie Bell, über die Reichen und Schönen der Zauberwelt schreiben sollte.
Murrend strich sich die junge Dame eine widerspenstige, blonde Strähne hinters Ohr, doch ihr Vorhaben stellte sich als unnützes Unterfangen heraus. Erneut wallte ein bitterkalter Hauch auf, um an ihren Haaren zu zerren. Tief holte sie Luft und beließ es bei dem Versucht, ihre Mähne in Zaum halten zu wollen. »Vergebene Liebesmüh«, seufzte sie und trat mit langsamen Schritten die vielen, aus feinstem Marmor bestehenden, Stufen hinauf.

Schon früher, zu Schulzeiten, hatte sie Interesse an der Schreiberei gezeigt. Es war ihr Ausgleich neben dem Sport und da es mit einer Profi-Karriere bei den »Manchester Magpies« nicht klappen wollte, entschied sich Katie dazu, Literatur und Englisch am Trinity-Collage, einer nicht-magischen Universität im Herzen Dublins, zu studieren.
Ein dummer Unfall hatte ihr die Chance genommen, eine der besten Spielerinnen zu werden. Für die junge Dame jedoch kein Grund, in Trübsal zu verfallen, auch wenn der Verlust und der Traum einer großen Spielerkarriere für sie ein für alle Mal zunichte gemachte worden war.
Andere Wege wurden gesucht und alsbald, nach ihrem erfolgreichen Abschluss an Irlands bekanntester Uni, bot man ihr eine Stelle als Reporterin für den »Tagespropheten« an, der Zeitung in einer Welt bestehend aus Magie und Zauber.
Doch manchmal, in einem stillen, kleinen Moment, schweiften die Gedanken Katies ab und kreisten um einen eventuellen Lebensweg, der ihr, trotz aller Liebe zu Papier und Druckerschwärze, mehr Freude bereitet hätte. Die »Manchester Magpies« gehörten, ebenso wie die »Holyhead Harpies«, zu den wohl bekanntesten Frauen-Quidditch-Mannschaften Englands.
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge hatte Katie die Geschehnisse zu akzeptieren gelernt und war schon lang nicht mehr wütend auf die Mädchen, die freudestrahlend Interviews gaben und den Sieg der jeweiligen Mannschaft gebührlich zu feiern wussten.

Sehnsüchtig seufzend schob Katie die »was wäre wenn«-Gedanken beiseite und rügte sich selbst, da diese eine Richtung genommen hatten, die sie missmutig und traurig stimmten. Je näher sie der imposanten Pforte kam, desto mehr Unbehagen machte sich in ihrem Inneren breit. Die Anfängliche Begeisterung über das Anwesen schwand mit jedem Schritt, den sie näher kam. Oben, am Fuße der langen Treppe angelangt, waren es nur noch ein paar Meter, die sie dem großen, hölzernen und weiß lackierten Portal entgegeneilen musste.
Die Absätze ihrer Stiefel klangen schwer auf dem Marmor. Katie kehrte der Tür ein letztes Mal den Rücken und besah sich die weitläufigen Ländereien, die zu diesem Gehöft gehörten.
»Reiche Pinkel«, entkam es ihr knurrend und leise. Eine Spur von Neid wallte in ihr auf, doch sie war sich durchaus bewusst, dass Geld und Reichtum nicht das waren, was sie vom Leben erwartete. Ein Lebensstil, simpel und vielleicht mit ein paar wenigen, finanziellen Vorzügen, würde ihr schon reichen, hatte Katie für sich beschlossen.
Nur allzu gut wusste sie um die ärmlichen Verhältnisse der »ach-so-reichen«-Oberschicht, die vielleicht jeden Tag in Champagner badete, aber Gefühlsmäßig völlig verhärmt schien.
Mit Grauen krochen die Erinnerungen an »Hogwarts« durch ihren Kopf. Den zweiten, großen Krieg hatten Hexen, Zauberer und magische Wesen so gut es ihnen möglich war, überstanden. Sie hatten überlebt und es hatte eine neue Ordnung in der magischen Welt gegeben. Doch für manche Familien war es noch immer von Vorteil, die Sprösslinge einander zu verheiraten, um den, in manchen Köpfen noch immer verankerten, Irrglauben nach reinem Blut zu entsprechen und diesen zu wahren. Selbst nach so einer schweren Zeit wurden Ehen, vorzugsweise von den Reichsten der Reichen, arrangiert, damit diese zu noch mehr Ansehen, Ruhm und Geld kamen.
Katie konnte so etwas nicht passieren. Sie war nur Hälfte ein »Muggel« - ein magisch-begabtes Kind, dessen eine Hälfte der Familie besondere Fähigkeiten aufwies und der andere Teil der Sippe »Normalos« - Muggel - so genannte »nicht-Magier« waren.
Abermals holte die junge Frau tief Luft, sog die schwere, kalte Luft in ihre Lungen und entließ diese leise und langsam zischend. Sie nahm all ihren Mut zusammen, trat auf die große Tür zu und betätigte den eisernen Klopfer, dessen Aussehen stark an eine Natter erinnerte, die sich in den Schwanz biss.



dark.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt