Act THREE - MORNING AFTER DARK. Part 1

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DARK.
Act THREE
MORNING AFTER DARK. Part 1

Stumm. Nicht eine Silbe wich von ihren nunmehr blutleeren Lippen. Die Absurdität dieses Gesprächs hatte ungeahnte Höhen erfahren. Die Schreibfeder war längst nicht mehr in ihrer zitternden Hand zu finden, stattdessen mühte sich Katie, ihre bebende Gliedmaße in Zaum zu halten. Der kleine, vorschnelle Witz, den sie sich vor nicht weniger als ein paar Minuten erlaubte, verbarrikadierte ihr Sprachzentrum und brachte auf gleichem Wege ihr Gehirn zum Stillstand. Betreten, und sich mehr als beschämt vorkommend, senkte sie den Blick.
Ihr war ganz und gar nicht wohl bei dem Gedanken daran, dass ihr Gegenüber wahrlich einer Blutlinie entstammte, die Jungfrauen entführte, Angst und Schrecken verbreitete und Menschen fraß.
„Oger essen keine Menschen", meinte Marcus mit angespannter Mimik, als ob er ihre Gedanken erraten hatte, „Oh, Miss Bell, schon immer hat man in deinem Gesicht lesen können, was dir durch das blonde Köpfchen geht."
„Heißt das, dass all das Gerede von damals der Wahrheit entspricht?", holpernd und stockend entwich die Frage ihren Lippen.
„Du meinst die Gerüchte?", hakte er nach und Katie nickte bejahend. „Wann begreift ihr endlich, dass an jedem Gerücht etwas Wahres dran ist?"
„Also stimmt es, du bist ein Troll!", beinahe hätte die junge Frau hysterisch aufgelacht.
„Oger!", knurrte er verteidigend.
„Tschuldigung.", betreten nagte Katie auf ihrer Unterlippe herum. Die vorherrschende Situation war ihr unangenehm und sie konnte nicht verhindern, dass Marcus es bemerkte.
„Etwas wundert mich aber", begann sie und zog die Stirn in Falten, „Warum erzählst du mir das alles? Dir muss doch klar sein dass, wenn ich diesen Artikel in Druck gehen lasse, jeder über dich, deine Familie und den Fluch Bescheid weiß."
Zu ihrer Überraschung zuckte ihr Gegenüber nur mit den Schultern.
„Aber, stört dich das denn nicht?", ganz nach Reporter-Manier, bohrte Katie weiter. Es wollte einfach nicht in ihren Kopf, dass nach all den Jahren, Jahrzehnten, in denen die Flints versuchten, ihr Geheimnis zu bewahren, es nun an Marcus war, ebenjenes preiszugeben?
„So sehr meine Ahnen und Vorväter es auch versucht haben, irgendwann muss jedes Versteckspiel sein Ende finden.", erklärte er mit beunruhigend ruhiger Stimme. „Der Krieg ist vorbei. Die Menschen, Hexen und Zauberer, wissen um Werwölfe, Feen, Zentauren und Riesen. Warum also sollte die Welt nicht auch erfahren dürfen, dass es Oger, ebenso wie Trolle, gibt?"
„Aber", wollte Katie erneut beginnen, doch der junge Hausherr unterbrach sie mit einem Lächeln, das ihr einen eiskalten Schauer über den zierlichen Rücken jagte.
„Alles Unbekannte, Neue, hat seinen Reiz. Um die Neugierde von Generationen zu befriedigen kann man den einfachen, oder den komplizierten Weg wählen.", das Kribbeln schien sich mit seinen Worten ihren Körper hinauf zu schlängeln.
Unbekanntes, Neues, Reizvolles... Befriedigung
, seine gewählten Ausdrücke ließen ihre Kehle plötzlich staubtrocken erscheinen.
„Nun, Miss Bell, mein Weg war schon immer der einfachere und schnellere. Ob beim Quidditch oder außerhalb.", seine Lippen verschoben sich zu einem Lächeln.

Wieder verfiel die junge Frau in Schweigen. Katie schloss die Augen, ließ sich in das Polster zurück sinken, so dass ihr Rücken das harte, unnachgiebige Leder berührte und atmete hörbar ein und aus. Die Pergamentrollte kräuselte sich auf dem Couchtisch und die Feder lag friedlich neben ihr. Katie war dankbar, dass Marcus ihr die Zeit ließ, um das Gehörte aufzunehmen und zu verarbeiten. Plötzlich wandte sie ihr Haupt von einer Seite zur anderen und fuhr sich fahrig und unschlüssig durch die blonde Mähne.
„Ich würde dir ja gern Beweise liefern, da ich annehme, dass du mir nicht glaubst, aber ich halte es für die bessere Variante, dich nicht mit mir in eine Höhle, draußen im tiefsten und dunkelsten Wald, sperren zu lassen.", sein Grinsen war herausfordernd, dennoch warnten seine Worte vor seiner eigenen Person.
„Du klingst wie mein Vater, wenn er früher versucht hat, mir Schauergeschichten erzählen zu wollen.", klagte sie an und fühlte sich, trotz der gehörten Last, mutiger als geahnt.
„Wie oft muss man dir eigentlich noch erklären, dass es keine Gruselmärchen sind, Katie Bell?", seine tiefe Stimme wallte zu einem gefährlichen Knurren auf.
„Ich komme mir vor wie in Grimms Märchen.", spöttisch und ungläubig entfloh ihr die Anmaßung.
„Der böse Wolf, der das Rotkäppchen vergnüglich verspeisen wollte, war ein Werwolf. Der Riese aus Jack und die Bohnenranke, war, ob du es glaubst oder nicht, ein entfernter Verwandter meinerseits. Und aus den vergangen Tagen weißt selbst du, dass nicht alle Hexen gut sind!", Marcus erwiderte anklagend und wütend, aber dennoch verteidigend. „Wer glaubst du, wer Jack wirklich war? Jacob Grimm höchst persönlich. Woher sonst hätten er und sein Bruder ihr immenses Wissen gehabt? Scharlatane waren sie, nicht mehr. Gabelten hier und da ein paar Fetzen auf und mischten Wahrheit mit Dichtung. Du, als Hexe und halber Muggel, weißt bestimmt besser als niemand sonst, wie einfältig und leichtgläubig die Menschen sind."
Die Evidenz traf sie bis ins Mark. Fröstelnd schlang Katie die Arme um ihren Bauch. Obwohl es in dem großen Raum angenehm warm war, fror sie. Die Härchen auf ihren Armen standen ihr bereits seit Minuten zu Berge und eigentlich hatte sie, seit sie dieses Haus betreten hatte, nie so etwas wie Wärme empfunden.
Trotz imposanter Lüster, Kerzen und Kaminen schien von diesem Ort eine Kälte auszugehen, die sie nicht beschreiben konnte. Der schwere Mantel, der noch immer über ihre Knie lag, sah einladend aus. Ohne Umschweife griff Katie danach und schlüpfte hinein.
„Du willst also gehen?", beinahe hoffnungsvoll erklang der tiefe Barriton und Katie blickte von ihrem Tun auf.
„Nein", sagte sie entschieden, „Mir ist nur ein wenig kalt."
„So so", meinte Marcus und schnalzte mit der Zunge, „kalt, ja?"
Irritiert nickte die junge Frau und blickte unschlüssig durch den hohen, großen Raum.
„Für wahr, Miss Bell, trotz des Feuerchens ist es nicht wirklich behaglich hier, nicht?", ein merkwürdiges Grinsen umspielte seine Lippen.
„War Shakespeare auch ein Verwandter von dir?", etwas vorschnell schoss die Frage aus ihrem Mund, doch Katie hob nur eine Augenbraue.
„Nicht, dass ich wüsste.", gab er zu und zuckte mit den breiten Schultern.Das Knirschen des Leders unter seiner massigen Gestalt ließ sie abermals verwirrt dreinblicken.
„Was hast du vor?", hakte sie nach und zog die Stirn in Falten.
„Du sagst, dass dir kalt ist, also lasse ich dir ein Bad ein. Immerhin bist du unser Gast.", erklärte Marcus in ruhigem Ton, jedoch beschlich die junge Frau ein merkwürdiges Gefühl.
„Wirst du mich fressen?", entkam es ihr und ein hysterisches, kleines Kichern folgte.Marcus hob nur missbilligend die Brauen und schüttelte den Kopf.
„Nicht, wenn du mich nicht lässt.", ein schiefes, beinahe verrücktes Grinsen legte sich auf seine groben Züge. „Oh, Miss Bell, dir fehlt eindeutig ein Hauch mehr Scharfsinn. Von dir, als Reporterin, hätte ich etwas mehr erwartet."
„Stell meine persönlichen Schwächen nicht mit denen meines Berufes auf eine Ebene!", fauchte Katie ungehalten und starrte trotzig zu dem Mann auf, der sich bereits erhoben hatte.
„Habe ich nicht.", bemerkte er entschieden und in erhabenem Ton.Die junge Frau wich seinem Blick aus und richtete ihr Augenmerk auf die Pergamentrolle auf dem kleinen Tisch vor sich.
„Dein Angebot ist vielleicht nett gemeint, aber ich werde es nicht annehmen.", sagte sie mit lauter Stimme.
„Oh, Katie, das war kein Angebot und auch keine Bitte. Ich habe damit nichts zu tun. Mutter wünscht, dass du hier bleibst. Denn, wenn es nach mir ginge, hätte ich dich nicht einmal über die Türschwelle treten lassen.", knurrte er und nun war es Katie, die vom Pergament erneut zu ihm aufsah und sich erhob. Sie umrundete den kleinen Tisch und positionierte sich nun, die Hände in die Hüften stemmend, vor den hochgewachsenen Mann. „Und wenn ich auch nur den Hauch einer Ahnung gehabt hätte, welche, überaus reiche Zauberfamilie ich interviewen soll, hätte ich dankend abgelehnt!"
„Hast du aber nicht!", sagte er gleichmütig und wieder umspielte seine Lippen dieses Lächeln, das ihr Blut zum Kochen brachte.
„Weil ich es nicht wusste.", fauchte sie ungehalten und schnaubte wütend.
„Eine lahme Ausrede, findest du nicht?", eine dunkle Augenbraue erhob sich zum ebenso dunklen Haaransatz.Empört schnappte Katie nach Luft. Sie öffnete den Mund und schloss ihn sogleich wieder.
„Deine Ähnlichkeit mit einem Fisch ist verblüffend.", neckte er und beobachtete mit Genugtuung das Mienenspiel auf ihrem Gesicht.
Vor Wut gerötete Wangen, die Stirn in Zornesfalten gelegt. Ihr Puls pochte gefährlich an der schlanken, milchigweißen Säule, die ihren Hals darstellte. Er konnte die Hitze förmlich greifen, die von der jungen Frau ausging, doch verbrennen würde er sich nicht.„Die Schlaf- und Badezimmer für die Gäste findest du im zweiten Stock. Wenn du mir also folgen willst?!", wieder war es keine Bitte, die von seinen Lippen herrührte, sondern ein Befehl. Beißend, klar verständlich und auffordernd. 

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