Pinot Noir

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- Riley -

Die Stimmung am Frühstückstisch ist gedrückt. Ich kann Judy und Max kaum in die Augen sehen, weil ich mich so dafür schäme, was gestern passiert ist. Judy wiederum scheint das zu spüren, denn sie stellt mir eine große Tasse Kaffee hin und und drückt mir einen Kuss auf den Kopf.

"Was haltet ihr Jungs davon, wenn wir heute den Tag im Calaveras Park verbringen? Ihr könntet angeln?"

Sie lächelt uns hoffnungsvoll an. Max ist natürlich sofort dabei und sein Kopf schießt hoch von dem Brot, das er sich gerade geschmiert hat. Auch ich finde die Vorstellung eines Tages am See, weit weg von all dem Trubel rund um Dads Tod, ziemlich verlockend.

"Ich mach uns ein bisschen was zu essen fertig", stimme ich also zu und schnappe mir meinen Kaffee, um Judys Kühlschrank zu inspizieren, was sie mit einem amüsierten Funkeln in den Augen geschehen lässt.

Gerade als ich den Herd anmache, um das Koriander-Hähnchen für ein paar Wraps zu braten, vibriert mein Handy. Ohne groß nachzudenken greife ich danach und öffne die Email, die mir auf meinem Sperrbildschirm angezeigt wird.

Doch kaum dass ich sie gelesen habe, wirbele ich zu Judy herum und grinse sie an. Max, der gerade wieder in die Küche kommt, nachdem er seine Angelausrüstung gepackt hat, hebt fragend die Augenbrauen. "Habe ich was verpasst?"

Ich nicke heftig und hebe mein Handy.

"Ich habe einen Anwalt engagiert, um euch bei der Erbsache zu helfen. Die Kanzlei hat sich gerade gemeldet, dass er in drei Tagen aus Houston hier sein wird."

Judy starrt mich einen Moment lang an, dann nimmt sie mir das Smartphone ab und liest sich die Email durch. Als sie das Logo der Kanzlei jedoch sieht, werden ihre Augen groß.

"Riley! Wieso denn Regibald & Walker? Die Honorare sind horrend und unsere Sache ist das sicher nicht wert! Außerdem kann ich mir das nicht leisten."

Grinsend erwidere ich nur: "Ich aber schon, ich bin ja jetzt Erbe."

Daraufhin kann sie nur entgeistert durchatmen. "Du verrückter, verrückter, liebenswürdiger Junge!"

...

Zwei Tage später betrete ich schon wieder das Haus meiner Eltern. Nach ewigem Hin und Her hat sich meine Mutter endlich dazu entschieden, die Beerdigung am nächsten Sonntag, also in vier Tagen, stattfinden zu lassen. Die Trauerfeier soll dann hier im Garten stattfinden, so wie Dad am liebsten eingeladen hat.

Erstaunlicherweise hat sie sich dann auch noch dazu durchgerungen, neben mir und Beatrice auch Judy und Max bei den Vorbereitungen einzubinden. Ich habe aber die leise Vermutung, dass meine Schwester dahintersteckt.

"Guten Morgen", wünscht mir diese auch sogleich, als ich ihr auf dem Weg in die Küche entgegenkomme. In meinem Arm trage ich einen Karton mit schlichten, cremefarbenen Umschlägen und Karten, die unsere Mutter als Einladungen für den familiären, geschlossenen Teil der Beerdigung vorgesehen hat.

"Morgen, Bea. Wo soll ich das hinstellen?"

Sie deutet hinter sich. "Erstmal in die Küche. Mamà ist gerade mit dem Typ von der Gärtnerfirma im Garten und bespricht den Aufbau." Verstehend nicke ich und folge ihr in die Küche. Während ich den Karton abstelle, gießt sie mir ganz selbstverständlich eine Tasse Kaffee ein.

"Danke", lächle ich, was sie erwidert. "Judy und Max kommen gleich nach. Sie sind noch kurz in der Kirche vorbeigefahren, um mit dem Pfarrer zu sprechen."

"Na dann kann ja nichts mehr schief gehen", erklingt plötzlich die Stimme meiner Mutter. Sie steht in einer eleganten schwarzen Hose und weißer Bluse im Türrahmen und mustert mich. Seufzend ignoriere ich die Spitze und zwinge mich zu einem Lächeln.

Liebe geht durch den MagenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt