~ Kapitel 1~
Amren schaute verwundert auf Nyx herab, als dieser sich in seinem eigenen kleinen Laufstall zu drehen versuchte. Doch im Gegensatz zu den drei Schwestern im Raum gab sie kein verzücktes Kichern, amüsiertes Schnauben oder strahlendes Lächeln von sich, als das Baby sich erfolgreich vom Rücken auf den Bauch drehte, nur um dann vor lauter Schwung und Ungeschick mit den eigenen Flügeln wieder auf dem Rücken zu landen.
Jedoch hieß das nicht, dass Amren sich nicht für den Sohn ihrer High Lady und ihres High Lords begeistern ließ. Sie zeigte es nur einfach nicht gerne. So weit kam es noch, dass sie, eine über fünfzehntausend Jahre alte High Fae, ehemaliger Todesengel der in unzähligen Schlachten gekämpft hatte und sich im Krieg gegen Hybern in ihrer wahren, vollständigen Form hatte töten lassen, ihre komplette Selbstbeherrschung über ein Kind verlor. Selbst, wenn sie mittlerweile nur noch eine High Fae war.
„Ich glaube Nyx braucht noch eine Weile um sich mit seinen Schwingen anzufreunden.", seufzte Elain träumerisch. „Was man von den Illyrianern normalerweise nicht behaupten kann."
Nesta erlaubte sich ein prusten. „Es ist beinahe peinlich wie sehr sie an ihnen hängen. Ihre Schwingen sind der Inbegriff ihres gesamten Egos." Etwas genervt blinzelte Amren in das Licht, das aus dem Fenster des Flusshauses in den Raum drang. Seit der Krieg in Prythian sich minimiert hatte und die Mitglieder des Inneren Kreises samt Freunden nicht mehr das Zentrum des Geschehens waren, hatte sie sich für ihren Geschmack schon viel zu sehr an die Geselligkeit der Archeron-Schwestern untereinander gewöhnt. Zwangsläufig versteht sich.
Auch Nestas und Cassians Laszivität würde sie, zusätzlich zu der von Rhysand und Feyre, noch um den Verstand bringen wäre sie selbst nicht zu beschäftigt mit Varian.
Er war zweifellos ein passabler Spielgefährte. So viel gestand Amren sich ein.
„Nicht unbedingt die Schwingen selber. Eher was sie damit tun. Im Grunde genommen ist das sogar ziemlich ironisch, wo die Illyrianer doch so verwundbar sind an ihren Flügeln." Scheinbar ließ Feyre sich vollkommen auf die Späße mit ihren Schwestern ein.
„Aber wollen wir nicht ins Detail gehen. Vor allem nicht während Nyx anwesend ist." Oder doch nicht.
„Sieh an", ließ Amren nun selbst verlauten. „Ein Funken deines Stolzes ist zurückgekehrt." Die Blicke, die darauf folgten verunsicherten sie nicht. Sie machten sie stolz.
Feyre biss sich auf die Zunge. Nesta nicht. „Tja, Amren. Ich fürchte du musst von nun an damit klar kommen, dass wir nicht mehr ununterbrochen streiten. Wenn es dir so schwer fällt hättest du Azriel, Cass, Rhys und Mor ja auf ihrer Patrouille begleiten können." Die Mitglieder des Inneren Kreises waren noch vor Sonnenaufgang aufgebrochen um ihre Präsenz in Velaris und am Hof der Nacht zu zeigen. Der Hof der Albträume schien fürs erste unter Kontrolle.
Sie wollten ihre Autorität nach dem großen Krieg gegen Hybern und dem mehr oder weniger neu ausgebrochenen Krieg gegen Koschei aufrecht erhalten. Azriels Aufgabe war es dabei hauptsächlich, nach untreuen Bürgern zu lauschen. Solche, wie Emeries Familie, die sich den Moralitäten des Nachthofes nicht beugten und noch immer Flügel stutzen, Fae folterten und unterdrückten. Das Dreigespann Illyrianischer Krieger wusste nur zu gut wie es war, in eine solche Gesellschaft zu geraten oder gar hineingeboren zu werden.
„Ich bin aber nun mal nicht mitgegangen. Es hätte ja keiner ahnen können dass ihr jetzt einen auf heile Welt macht. Außerdem-„ Feyre und Elain sahen alamiert zu, als Nestas Haupt zu schimmern anfing als wäre er von einem Umhang silbernen Lichtes umgeben. Ihre ohnehin schon blaugrauen Augen fingen dieses auf und reflektierten es strahlend wie die von einem Tier das geradewegs in die Sonne strahlte.
Das Flüstern, das Amren am Rande ihres Bewusstseins wahrnahm, hörte keine von ihnen. Noch ehe der Silberne Schimmer vollständig von Nestas Körper absorbiert werden konnte stieß die Tür auf. Feyre nahm Nyx in ihre Arme. Die Person stürmte bedrohlich in die Stube. „Der Kessel-„
„-hat ein Mädchen ausgespuckt."
Azriel sah entgeistert in Amrens Richtung. Nesta schnaubte verachtungsvoll. „Und ich dachte wir hätten uns die Ruhe verdient."
Es stellte sich nach einigen Momenten der Verwunderung für Feyre und Elain heraus, dass Azriel in der Nähe der Illyrianischen Berge von seinen Schatten eine Nachricht über die Geschehnisse des Kessels überbracht bekommen hatte. Nur wenige Minuten vor Amren und Nesta, die allerdings eine direkte Verbindung zum Kessel zur Schau stellten. Rhys, Cassian und Mor, die über ihre Seelengefährten von den Unüblichkeiten erfuhren, teilten ebenfalls zügig den Wind um über die Ereignisse des späten Nachmittags zu konferieren.
Trotz aller Erfahrung der Anwesenden taten sich einige Fragen auf. Noch nie war einfach so jemand aus dem Kessel gekrochen, vor allem nicht in einer Phase des Wiederaufbaus und Friedens unter den Höfen.
Der Kessel hatte auch noch nie auf diese Art und Weise kommuniziert. Nesta trug noch eine Spur seiner Magie in sich, was die Aktivierung ihrer Kräfte erklärte, doch Amren war sich nicht sicher wie der Kessel zu ihr sprach. Sie hatte ihre alte, mächtige Form im Krieg gegen Hybern freigelassen und wurde von Rhysand auf dem Weg ins Jenseits zurück nach Prythian geholt, mittels des Kessels. Der innere Kreis hatte der Tatsache, dass sie ausgerechnet aus dem Kessel gestiegen war nie besonders viel Beachtung geschenkt. Dies würde sich in Zukunft ändern müssen.
Acht der Mächtigsten High Faes des Nachthofes, ganz Prythians, standen vor einem Rätsel.
Das konnte ja was werden.
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Das Mädchen aus dem Kessel
FanfictionDie Archeron Schwestern und Amren passen eigentlich nur auf Nyx auf und warten auf ihre Freunde des inneren Kreises, als plötzlich unberuhigende Nachrichten auftauchen. Der Kessel soll ein Mädchen ausgespuckt haben... aber wer ist sie? Wo kommt sie...