Kapitel 7

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~Kapitel 7~

Am nächsten Abend hatten sich alle im Stadthaus versammelt. Es war nicht so angespannt wie sonst, fern von einer Besprechung des inneren Kreises und mehr eine Zusammenkunft unter Freunden, bei der man sich über die neusten Erkenntnisse austauschte. Anna fühlte sich noch etwas fehl am Platz, schätzte aber die Transparenz, die die Mitglieder des Nachthofes ihr boten.
    „Schön, dass ihr alle hier seid. Wir, die Mitglieder des inneren Kreises, werden uns in zwei Tagen mit den anderen sechs High Lords im Frühlingshof treffen um dort das weitere Vorgehen bezüglich Vallahan und Koschei besprechen. Dabei werden Miryam und Drakon uns begleiten. Sie sind bereit dazu, ihr Geheimnis zu lüften, wenn das bedeutet, dass eine Chance auf Hilfe besteht.“ Rhysand brachte zuerst die aller wichtigsten Informationen zur Sprache.
    „Wir müssen uns selbst nach diesem Krieg darauf gefasst machen, dass über den Aufenthaltsort des Kessels diskutiert wird. Noch sind die Ausmaße unbekannt. Abgesehen davon haben wir uns Gedanken über die momentane Schlafsituation gemacht. Das Haus der Winde gehört ja seit einigen Monaten Nesta und Cassian und wir denken, es wäre für alle angenehmer wenn Anna ab sofort mit Azriel, Mor und Elain hier im Stadthaus einzieht. Was sagt ihr dazu?“ Feyre hatte bereits mit Anna, Cassian und Nesta geredet, tatsächlich war Nesta sogar auf sie zugekommen und hatte danach gefragt. Es war nicht so, als würde sie sich nicht mit Anna verstehen, sie kamen sogar erstaunlich gut miteinander klar, jedoch waren Nesta und Cassian überhaupt erst alleine im Haus der Winde eingezogen um Privatsphäre zu haben.
    Azriel, der bisher noch nichts von diesen Überlegungen wusste, musste einmal schlucken. Er würde also mit den einzigen drei Frauen, die ihn dermaßen aus der Bahn bringen konnten zusammen wohnen? Wow, das konnte heikel werden. Doch wem machte er eigentlich etwas vor? Mit Sicherheit würde Lucien sich bald wieder bei ihnen einnisten und die Situation verschlimmern. Oder verbesserte er seine Situation sogar? Azriel musste dringendst wieder klar im Kopf werden.
    „Das ist eine tolle Idee.“ Elain sah das ganze von der besten Seite. Ihr Optimismus war etwas, was Azriel einfach in seinem Leben brauchte. Nur vielleicht nicht auf die Art und Weise, die er sich zuvor gewünscht hatte.
    Mor pflichtete Elain bei. Es sollte ihrer Meinung nach niemand bei Seelengefährten unterkommen. Sie würde Anna willkommen heißen.
    Azriels Nicken schien die Versammelten ein wenig zu enttäuschen. Weniger Nesta, Amren und Mor, dafür umso mehr die anderen. Es kostete den Schattensänger einiges an Mühe, seine Schatten nicht ausströmen zu lassen wie seine Verunsicherung es in diesem Moment tat. Gott, wie er es hasste nicht zu wissen was los war.
    Überraschender Weise war Amren es, die die angespannte Stimmung durchbrach. „Alles klar, jetzt wo wir das geklärt haben würde ich wirklich gerne anfangen über unbefangenere Dinge zu reden.“ Sie drehte sich zu Feyre. „Dreh die Musik auf, Mädchen.“ Und ihre High Lady tat, wie Amren wollte. Nyx schlief bereits friedlich in einem Bettchen ein Stockwerk über ihnen, Nuala kümmerte sich um ihn und es war ein Geräusche aufhaltender Zauber über den Raum gelegt.
    Wie aus dem Nichts war Wein aufgetaucht, an dem sich alle ausladend bedienten, und die Fae im Raum hatten sich neu aufgeteilt. Anna, die von dem Haus der Winde Haufenweise Bücher in ihr Zimmer geliefert bekommen hatte, setzte sich auf die Couch und öffnete eines. Azriel, der dies sah, musste nicht zum ersten Mal über die Begeisterung lächeln die sie am gestrigen Vormittag gezeigt hatte. Nach der Sache mit dem Tee hatte er nicht gedacht, dass Anna so… locker war. Sie konnte vorsichtig sein wenn es nötig war, ja. Aber im Grunde genommen war sie ein wenig schüchtern, und auf jeden Fall auch tollpatschig. Dabei kannte er sie erst seit zwei Tagen. Insgeheim freute der Krieger sich darauf, sie näher kennenzulernen.
    Er setzte sich zu ihr an den Couchtisch, auf den Platz ihr gegenüber. Kurz beobachtete Azriel, wie Annas Augen von links nach rechts über die Zeilen flogen, so gespannt und frei wie die eines Adlers. Er fragte sich, was für eine Art von Buch es war, dass es sie so in seinen Bann zog. Und wieder schweiften seine Gedanken dazu ab, dass er von nun an langfristig mit ihr unter einem Dach leben würde. Ohne sein Zutun runzelte er mit der Stirn und sah nach rechts, wo Mor und Elain sich gerade miteinander unterhielten. Er war ein einziges Gefühlschaos.
    Feyre und Rhys, die sich das ganze von der Ferne aus angeschaut hatten, empfanden Mitleid für ihn. Es war mehr oder weniger allgemein bekannt, was er mal für Mor empfunden hatte und auch von Elain hatte Rhysand ihn bei der letzten Sonnenwendfeier in gewisser Weise fernhalten müssen. Dennoch kannten die Seelengefährten die Szene die sich ihnen dargeboten hatte bereits. Es war die aus Elains Vision.
    „Rhys?“ Ich Ehemann brummte zustimmend, während er seinen Arm um ihre Taille leicht zudrückte.  „Cassian und du, ihr müsst dringend mal mit Azriel reden. Bevor Anna da war hatte ich beinahe den Eindruck, dass er vereinsamt, doch nun glaube ich dass er jemanden zum Reden braucht.“ Rhys blickte auf Feyre hinab, die ihn schon die ganze Zeit von der Seite angeschaut hatte. Seine lila glänzenden Augen drückten wie üblich das aus, was er nicht in Worte fassen konnte. Seine tiefe Bewunderung für die Empathie seiner Frau war im Grunde genommen nur die Spitze des Eisbergs.
    „Du hast recht, ich werde das nachher mal mit Cassian besprechen.“ Der High Lord drehte sich zu seiner High Lady, umfasste mit der noch freien Hand ihr Gesicht und küsste sie leidenschaftlicher, als sie es normalerweise vor anderen taten. Ihnen beiden blieb für einen Moment die Luft weg, bevor Rhys ihr ganz zärtlich etwas zu hauchte. „Ich liebe dich, Feyre.“ Ein ebenso zarter Rotton breitete sich auf ihren Wangen aus. „Und jetzt lass uns mal aus der Ecke hier verschwinden und mit unserer Familie Spaß haben.“
   Dieses Mal teilten sie sich auf. Feyre redete mal wieder ganz ausgelassen mit Mor, Nesta und Elain, während Rhys sich zu Amren, und Cassian gesellte. Noch immer saßen Anna und Azriel auf den Couches. Elain, die das bemerkte, entfernte sich von der Diskussion zwischen Nesta und Mor und setzte sich zu Anna.
    „Hey.“ Erschrocken legte die angesprochene das Buch bei Seite.
    „Hey. Was gibt´s?“ Azriel stieß belustigt Luft aus seiner Nase. Was gibt´s?  Sicherlich würde er bald noch ganz andere Seiten von dem Mädchen vor ihm erleben dürfen. Sie schenkte ihm einen leicht irritierten Seitenblick. Sie hatte nichts amüsantes sagen wollen. Auch Elain musterte Azriel streng. So ging man nicht mit einer Lady um und sie würde nicht zulassen, dass er einer möglichen Beziehung mit ihr im Weg stand. Elain konzentrierte sich wieder auf Anna.
    „Du musst nicht den ganzen Abend hier sitzen und dein Kopf in diesem Buch verstecken. Wir würden dich alle sehr gerne näher kennenlernen. Vor allem jetzt, wo du bei uns wohnen wirst.“ Ein strahlendes, aber nicht überwältigendes Lächeln legte sich auf ihre Lippen und das Mädchen, an welches es gerichtet war, tat gut daran, ihre Bewunderung zu verbergen. Empathie war schön und gut, aber das, das konnten nur Leute mit Talent.
    Anna hatte sich tatsächlich in erster Linie deshalb zurückgezogen, weil sie sich noch nicht fühlte wie ein Teil der Gruppe. Einige von ihnen, so hatte sie am Tag zuvor von Morrigan erfahren, kannten sich schon länger als möglich sein dürfte und selbst die neuesten Mitglieder der Freundesgruppe waren schon seit Jahren bekannt und außerdem Feyres Schwestern. Dass Rhysand, Cassian und Azriel schon über fünfhundert Jahre alt waren und Amren sogar älter als Prythian selbst hatte sie noch mehr schockiert. Dennoch rappelte sie sich nun auf und drehte sich zu Elain. Sie musste sich wohl oder übel daran gewöhnen, dass das hier nun ihr Leben war. Und ihren Mitbewohnern nähre zu kommen machte es ihr doch um einiges leichter.
    „Okay. Das weiß ich zu schätzen.“ Noch ein wenig überwältigt, wollte ihr kein weiteres Wort über die Lippen fallen. Elain, die über ihre Worte sehr erfreut schien, machte das nichts aus. Sie führte die jüngere hinüber zu ihren Schwestern und Mor, die sie ebenfalls gerne willkommen hießen. Azriel verschwand derweil unbemerkt auf sein Zimmer.

Das Mädchen aus dem KesselWo Geschichten leben. Entdecke jetzt