Kapitel 8

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~Kapitel 8~

    Später am Abend, als diejenigen, die nicht im Stadthaus wohnten bereits nach Hause gegangen waren, richtete Anna ihr Zimmer ein. Sie hatte einige der Kleidungsstücke mitgenommen, die das Haus der Winde ihr beschafft hatte, ebenso wie die Bücher und noch mehr. Sogar eine letzte Tasse Pfefferminztee hatte es ihr zum Abschied geboten, woraufhin auch Nesta und Cassian sich für ein Tasse Tee zu ihr gesellt hatten. Der Weinkonsum hatte sich im Endeffekt, außer bei Amren, Elain und Feyre, doch in Grenzen gehalten.
    Mor hatte dafür gesorgt, dass Elain auf dem Weg ins Bett nicht rückwärts die Treppe herunterfiel, und sich dann auf den Weg zu Azriels Zimmer gemacht, welches sich gegenüber von ihrem und zwischen Annas und Elains befand. Sie stand davor, fest entschlossen, ihm vor Augen zu halten was er dadurch verpasste, noch immer an ihr zu hängen. Es war nicht mehr besonders auffällig, doch Mor wusste schon lange was er einmal für sie empfunden hatte. Sie klopfte.
    „Azriel, ich muss mit dir reden.“ Hätte sie gefragt, hätte der Schattensänger mit Sicherheit nein gesagt. Die Chance wollte sie ihm gar nicht erst geben. Er öffnete die Tür und sie konnte sehen, wie seine Schatten um seinen nackten Oberkörper herumwaberten. Es bemühte Mor nicht einmal, diesen Umstand zu ignorieren. Sie hatte in ihrem Leben schon viel zu viele Männer so gesehen, wie die große Mutter sie geschaffen hatte. Was war da schon der Oberkörper von einem guten Freund? Sie spazierte einfach an ihm vorbei und setzte sich auf sein Bett.
    „Also, weil du ja scheinbar nicht anfangen willst mache ich das eben. Ich sehe wie du Anna anschaust.“ Azriel, welcher gerade einmal die Tür geschlossen hatte, starrte sie düster an. Verdammt. War er wirklich so offensichtlich gewesen?
    „Keine Sorge. Das bleibt unter uns. Aber es gibt da noch etwas was du wissen solltest. Ich weiß, dass du mal in mich verliebt warst. Und es tut mir leid dich so von mir weggestoßen zu haben. Es ist nur so…“ Azriel hörte nun gebannt zu, der düstere Ausdruck auf seinem Gesicht weichte mit jeder Sekunde ein bisschen mehr. „ich interessiere mich für Männer und Frauen. Das letztere mehr als das erste.“
    Das war dem Krieger neu. Und es schien seinem Gewissen tatsächlich ein Bisschen zu helfen. Gleichzeitig rissen ihre Anwesenheit in seinem Zimmer und dieses Gespräch aber auch alte Wunden auf. Eine Frage brannte nun ganz besonders in seinem Gehirn.
    „Warum erzählst du mir das?“ Mor seufzte und senkte für einen Augenblick ihren Kopf. Dann starrte sie ihm geradewegs in die Seele. So fühlte es sich jedenfalls an.
    „Weil ich glaube, dass dir das hilft loszulassen. Mich loszulassen und als gute Freundin zu akzeptieren. Es ist offensichtlich, dass du nichts weiter für mich empfindest, nicht mehr. Und ich möchte nicht dass du dir dadurch neue Möglichkeiten verwehrst.“ Azriel musste sich eingestehen, dass es ihm gut tat mal ihre Sichtweise zu hören. Sie öffnete ihm gerade durch ihre brutale Ehrlichkeit die Augen. Vielleicht würde er ja nun wirklich endgültig mit ihr abschließen können. Er trat auf das Bett zu und setzte sich mit etwas Abstand neben sie.
    „Danke. Das habe ich gebraucht. Mir tut es leid, dir das Leben so unangenehm gemacht zu haben. Hätte ich gewusst, dass du quasi nur noch zum Schein mit anderen Männern schläfst…“ Zum Ende hin bahnte sich ein freches Grinsen den Weg in sein Gesicht. Mor hingegen kneifte angriffslustig ihre Augen zusammen und erhob einen anklagenden Finger.
   „Vorsicht!“ Ein schallendes Lachen brach aus Azriel heraus, seine Schatten hatten sich in den letzten Minuten in Luft aufgelöst. Mor stieg, etwas nüchterner, mit ein. „Schön dass du deine gute Laune wieder gefunden hast. Du warst in letzter Zeit ziemlich anstrengend.“ Er stand auf und sah ihr grinsend in das hübsche Gesicht.
    „Ich befürchte du hast recht. In Zukunft versuche ich, meine Launen unter Kontrolle zu halten.“ Nun stand auch Mor auf und umarmte Azriel seitlich.
    „Das will ich auch hoffen. Nun denn, gute Nacht.“ Erst als sie schon fast aus der Tür war warf er ihr ein ebenbürtiges „Gute Nacht“ hinterher. Zwei Schritte ging er zurück und ließ sich auf sein Bett plumpsen. Was um alles in der Welt war gerade geschehen?
    Eine halbe Stunde später, die er damit verbracht hatte, das Gespräch noch einmal Revue passieren zu lassen, kam er zu dem Entschluss dass es ihn effektiv entlastet hatte. Azriel fühlte sich bereits so viel leichter als noch vor ein paar Stunden, dass er es schaffte, sogar die Probleme um Koschei, Vallahan und Cretea für einen Abend zu vergessen.
    Wer hätte gedacht, dass Mors sexuelle Orientierung so viel ändern könnte? Azriel schonmal nicht.

Das Mädchen aus dem KesselWo Geschichten leben. Entdecke jetzt