Kapitel 2

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~ Kapitel 2 ~

Schatten umwoben ihn und ließen ihn nicht zur Ruhe kommen. Sie flüsterten ihm nun schon seit Stunden Dinge zu die er nicht verstand, weil die Wörter sich überschnitten und normale Sätze in einen unendlichen Knoten verzerrt klingender Wörter verwandelten. Seine Schläfen pochten. Seit Stunden.

Azriel wand sich im Bett, wälzte sich hin und her in der Sehnsucht nach der Ruhe und Erholung eines tiefen Schlafes. Doch nichts konnte die Schatten zum schweigen bringen wenn sie einmal anfingen. Diese Erfahrung war altbekannt. Dennoch fingen sie zumeist erst Abends an ihn zu terrorisieren. Die Gedanken die andere davon abhielten, in die Tiefen des Schlafes zu fallen, wurden bei ihm von Schatten abgelöst. Er konnte seine eigenen Gedanken ja noch nicht einmal mehr hören.

Was half ihm dabei, die Schatten zu verbannen, sie unter Kontrolle zu bekommen? Er war schließlich der Schattensänger. Leute hatten ihm diesen Titel verliehen weil er die Schatten beherrschte, mit ihnen kommunizierte. Nicht weil er sich von ihnen begraben und überschatten ließ. Es wurde von ihm erwartet, dass er mit ihnen umzugehen wusste.

Also versuchte er die Schatten zu beruhigen, sie zu kanalisieren wie die Trichtersteine seine Kräfte kanalisierten und ihnen zu signalisieren dass er zuhörte. Die Stimmen legten sich immer dichter übereinander und es wurde schlimmer bevor es besser wurde. Schlussendlich wurden sie lauter und formten ein einzelnes, kleines Wort, einen Namen.

„Anna." Und schlagartig verstummten die Stimmen, zogen sich zurück und hinterließen noch mehr Kopfschmerzen als vorher. Azriel wusste mit dem Namen nichts anzufangen, konnte sich aber denken dass er etwas mit dem mysteriösen Mädchen zu tun haben musste. Mit der Fae Anna?

Der innere Kreis war sich nicht einig geworden ob sie eine Bedrohung darstellte oder sogar Hilfe brauchte, weshalb es am nächsten Morgen eine Sitzung im Haus der Winde geben würde. Insgeheim hofften sie wohl alle darauf, dass Amren, Nesta oder er selbst weiter Informationen in Erfahrung bringen würden, wobei das eine leere Hoffnung zu sein schien. Bis jetzt. Er hatte einen Namen. Nur einen Namen. Aber das war allemal besser als gar nichts. Und wären da nicht seine Gedanken, könnte Azriel jetzt auch endlich schlafen. Sie waren schließlich am Morgen schon sehr früh aufgebrochen. Der Schlafmangel machte sich in dem leichten Zittern seiner Gliedmaßen, der Träge seines Augenschlags und dem Hämmern seiner Kopfschmerzen bemerkbar.

Aber etwas fehlte ihm noch. Zumindest ein Anhaltspunkt, irgendetwas, einen Vorschlag mit dem er in die Sitzung am nächsten Morgen starten könnte. Ein Anfang.

Sie wollten etwas über das Mädchen erfahren. Mussten es sogar um die Sicherheit von Velaris, dem Hof Der Nacht, Prythian, gewährleiten zu können. Aber wie wollten sie das tun wenn sie nicht einmal wussten wo sie nach ihr suchen konnten? Er könnte sie von oben bespitzeln, mehr herausfinden. Nur wo...

Nein. So kam er nicht weiter. Man musste die Frage anders stellen. Was wussten sie denn bereits über das Mädchen? Sie war aus dem Kessel geklettert und hatte irgendetwas mit dem Namen Anna zu tun. Also hielt sie sich zumindest in der Nähe des Kessels auf. Wenn sie nicht den Wind teilen oder fliegen konnte. Trotzdem war es einen Versuch wert, in der Nähe des Kessels nach ihr zu suchen.

Wo war der Kessel hin? In der Schlacht gegen Hybern, in der Elain den König getötet hatte und Amren aus dem Kessel geklettert war hatten sie ihn das letzte Mal gesehen. Und an Drakon und Miryam gegeben, damit diese ihn auf ihrer Insel, Cretea, verstecken konnten. Damals wollten sie nicht riskieren, dass die High Lords der Sieben Höfe sich um den Kessel stritten.

Frustriert setzte Azriel sich auf. Es stand außer Frage, dass sie die Insel je betreten könnten. Zum einen weil es die Leben von Drakon und Miryam um einiges gefährlicher machen würde, und zum anderen weil es dann keinen sicheren Ort mehr für den Kessel geben würde.

Das Mädchen aus dem KesselWo Geschichten leben. Entdecke jetzt