Kapitel 2: Schießübung

7 0 0
                                    

Cole und ich trafen uns jeden Tag vor dem Unterricht. Auch nach den trockenen Theoriestunden trafen wir uns oft und liefen gemeinsam durch die Stadt. Wenn ich ehrlich bin, hatte ich zu diesem Zeitpunkt nicht viele Freunde. Die wenigen, mit den ich noch nach dem Abitur in Kontakt war, hatten nicht mehr viel Zeit. Ich schätze, dass dies der Lauf der Dinge ist. Irgendwie. Wie ich hatte auch Rebbeca zum Beispiel ein neuen Lebensabschnitt begonnen. Neue Freunde, eine neue Arbeit und vielleicht sogar eine neue Stadt. Wenn alles so neu und aufregend ist vergisst man schnell alles, was davor gewesen ist. Ich weiß das, denn mit Cole ging es mir genau so. 

Heute musste ich an einen bestimmten Moment denken, da müssen wir schon in etwa zwei Monate in der Ausbildung gewesen sein. Ich habe im Moment immer noch Urlaub, in der Gegenwart. Und als ich durch den kleinen Laden ungefähr ein paar hundert Meter von meiner Wohnung entfernt lief sah ich etwas, dass mich zurück in unsere erste Schießübung warf.

Damals...

"Hey Parker, ich wette mit dir du triffst das nie" sagte Cole und zogden Schlitten der Glock-17 Pistole zurück, nachdem er demonstrativ das Magazin nachgeladen hatte. 
"Freu dich nicht zu früh" sagte ich mit einem grinsen auf den Lippen. Meine Waffe war eine Walter P2000. Die gleiche Dienstwaffe hatte schon mein Vater, weswegen ich an ihr schon etwas geübt war. Das wusste Cole natürlich nicht. 

Zu seinem erstaunen viel es mir nicht schwer die Zielscheibe zu treffen, obwohl sie bereits die Hälfte der maximalen Distanz erreicht hatte. 

"Wow, wieso hast du mir nicht gesagt, dass du John Wick bist?" fragte er und legte seine rechte Hand auf meine Schulter. Die Berührung schickte ein weiches, fast schon kitzliges Gefühl quer durch meinen ganzen Körper. Es dauerte ein paar Sekunden, bis er die Hand wieder wegnahm. 
"Dann geht die erste Runde wohl auf mich" sagte er und nahm mir die Pistole aus der Hand. Ich sagte nichts, da ich viel zu sehr mit meinen Gefühlen beschäftigt war. 

Im Laufe der letzten Wochen passierte mir so etwas öfter. Wann immer ich Cole berührte oder wir uns länger anschauten bekam ich dieses Krippeln im Bauch. Mir wurde relativ schnell klar was das bedeutet. Das war nicht das erste mal, dass ich mich in einen Jungen verliebt habe. Kurz vor Ende meines Abiturs ist mir das schon einmal passiert. Das war auch der Grund, wieso ich  mit meiner damaligen Freundin Alice schlussgemacht habe. Die Gefühle für sie waren ohne hin nicht mehr wirklich stark gewesen. Bei Cole war es jedoch anders. Normalerweise brauche ich eine Weile um Gefühle zu entwickeln, aber bei ihm war es fast wie auf den ersten Blick. Ich glaube aber nicht, dass er davon weiß. Vielleicht sage ich es ihm irgendwann dachte ich, wenn der Moment passt. 

"Du träumst ja schon wieder" bemerkte er und nahm mir mit einem Griff die Pistole aus der Hand. 
"Bum, du bist entwaffnet. Jetzt könnte ich dich dazu zwingen das Bier heute habend zu bezahlen und bei mir auf dem Zimmer zu trinken" sagte er und richtete die Waffe auf mich. 
"Cole!" sagte ich panisch. 
"Beruhige dich. Ist gesichert" sagte er mit einem Lächeln. 
"Außerdem würde ich es nie übers Herz bringen auf dich zu schießen" fügte er hinzu. Seine Stimme klang... anders. Ruhiger und fast schon unsicher. 
"Danke" sagte ich und lächelte ihn an. Für einen Augenblick standen wir einfach nur da und schauten uns an. Ich bin mir sicher jeder kennt es, wenn ein kurzer Moment sich so lang anfühlt oder? Ich bin mir sicher das die Erinnerung einem nur so lange vorkommt. In Wirklichkeit waren es vielleicht zwei Sekunden. Aber in meinen Erinnerungen standen wir dort fast eine Minute lang. 

"Komm, die nächsten wollen rauf sonst bekommen wir noch Ärger" sagte er. 
Als wir wieder auf dem Hof des Campus standen und er in Richtung Ausgang lief blieb ich kurz stehen. "Was ist mit dem Aufsatz morgen Cole?" fragte ich ihn. Wir mussten für Rechtskunde einen 1000 Wörter Aufsatz über die Straßenverkehrsordnung schreiben. Ein sehr langweiliges Thema, besonders für Cole. 
"Ach, das machen wir nacher. Betrunken macht das wenigstens Spaß" sagte er nur amüsiert, während er sich zu mir umdrehte um demonstrativ mit den Schultern zu zucken. 
"Das wäre die dritte Aufgabe die du nicht abgibst" erinnere ich ihn. 
"Danke das du für mich mitdenkst, aber ich mach das schon. Ich würde jetzt lieber mit meinem besten Kumpel spaß haben, anstatt ein langweiliges Buch über Ampeln zu lesen" sagte er und verschränkte die Arme. Zwischen uns lagen ein paar Schritte. Eigentlich hätte ich ihn ermahnen müssen. Ihm sagen sollen, dass er sich mehr reinknien muss, doch in diesem Moment ging ich einfach auf ihn zu. Gemeinsam gingen wir vom Hof. 

"Das ist mein Parker" sagte er und legte für ein paar Sekunden seinen Arm um mich und lachte zufrieden...

Wer ist Cole?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt