11. Scars

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Narben.

Mein Körper war mit unzähligen bedeckt. Lange, kurze, tiefe, breite, kreuz und quer zogen sie sich einem Schlachtfeld gleich über meinen Leib. Sie waren unvermeidlich, gehörten zum Leben eines Kämpfers dazu und waren Andenken starker Gegner. Ich fühlte weder Stolz noch Abscheu, wenn ich sie betrachtete. Ich war noch nie besonders Eitel gewesen und spätestens seit der Einverleibung des Jutsus, hatte ich aufgegeben, mich um mein Äußeres zu scheren.
Doch dann gab es noch jene andere Narben. Jene, die streng genommen gar keine waren, da sie nie die Chance bekommen hatten zu verheilen. Die Entstellungen in meinem Gesicht, das eingeschnittene Glasgow-Smile, sowie die übrigen Schnitte, die meinen Körper zu teilen schienen, waren nicht allein dem verbotenen Jutsu zu verdanken. Dieses hatte nur ihr Möglichstes getan und Fäden gespannt, mich vor dem Schicksal bewahrt, durch diese fatalen Wunden, die mir zuvor zugefügt worden waren, kümmerlich zu verenden.

Diese Nähte, diese Narben, sie waren der Beweis meiner Stärke und gleichzeitig meine größte Schmach.

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Das Wasser tat gut.

Ich hatte mich mit den Unterarmen an der gekachelten Wand abgestützt und ließ das Wasser auf mich niederprasseln. Blut und Dreck wurden von meinem Körper gespült und ich beobachtete, wie das Gemisch im Abfluss verschwand. Die Wunde an meinem Nacken hatte wieder arg zu brennen begonnen, kaum dass das Wasser sie berührt hatte. Mit meiner Rechten sah es ähnlich aus, obwohl sie im Vergleich kaum der Rede wert war.

Ich verharrte eine Weile unter dem Strahl und wartete auf die Ruhe, die eine heiße Dusche stets in mir einkehren ließ. Doch heute wollte sie sich partout nicht einstellen, die Erschöpfung hielt sich eisern in meinen Knochen.
Durch den Wasserfluss waren meine Haare wie ein zugezogener Vorhang um meinen Kopf gefächert und ich stellte fest, dass sie mal wieder viel zu lang geworden waren. Seit wann schon reichten sie mir gut bis zur Brust? Unwirsch strich ich sie zur Seite und stellte das Wasser ab.

Ich sollte sie dringend mal wieder schneiden.

Ich verließ den Duschraum, der groß genug war, um ein halbes Dutzend Mann unterzubekommen, und trocknete mich mit einem Handtuch ab. Mit Blick auf meine dreckigen Klamotten, die ich zuvor in dem geräumigen Entkleidungsbereich auf einer Ablage zurückgelassen hatte, hoffte ich, dass ich etwas anderes zum anziehen finden würde. Glücklicherweise fand ich, nachdem ich meine Haare halbwegs trocken bekommen hatte, in einem der Schränke verschiedene Yukatas in diversen Größen. Ich zog mir einen schlichten in Braun mit dezentem Muster heraus.

Gerade als ich mich fertig gemacht hatte, hörte ich Stimmen auf den Gängen.

«Nein, nein, nein. Lord Jashin ist der einzig wahre Gott. Jeder, der etwas anderes sagt, ist ein Heide und verdient den Tod.»

Ich spähte zur Tür hinaus, blickte den Gang hinunter und entdeckte Hidan, der sich zusammen mit Misaki in Richtung der Gästeschlafzimmer bewegte. Er war in einen bordeauxfarbenen Yukata gesteckt worden und wurde von Misaki gestützt. Sie war so klein und zierlich, dass sie Hidans Gewicht nur unter Mühen standhielt.
Sie kicherte leise, als er ihr weiter seine fanatischen Ansichten darlegte, hielt diese wohl für einen Scherz oder zumindest eine Übertreibung. Dann bogen sie um die nächste Ecke und verschwanden aus meinem Sichtfeld.

Ich begab mich meinerseits nun nach draußen, um auf den Bergungstrupp zu warten, der bald eintreffen würde. Die Blitz-Maske war nah, das spürte ich, außerdem hatte sie mir vor Minuten schon ihr Kommen angekündigt.

Das Band, das ich zu den Masken-Tieren pflegte, war stark. Sie waren ich. Und doch waren sie es nicht. Unsere geistige Verbindung blieb auch über weite Strecken bestehen. Je näher sie mir waren, desto deutlicher konnte ich wahrnehmen, was um sie herum geschah. Es war wie eine laufende Berichterstattung – die Eindrücke wurden nonstop, ohne Unterbruch an mich gesendet. Je weiter sie sich von mir fortbewegten, desto leiser wurde die Stimme und desto mehr war ich auf ihre Eigenständigkeit angewiesen. Ich konnte die Verbindung, und dadurch auch diese Dauerbeschallung, nach Belieben in den Hintergrund schieben, was bei Kämpfen mit mehreren beschworenen Masken auch notwendig war, wenn ich innerlich nicht in einem völligen Chaos versinken wollte. Trennte uns eine größere Entfernung, verließ ich mich darauf, dass sie aktiv Kontakt zu mir aufnahmen. Dies geschah durch eine Art Stupsen, das meinen Geist berührte – ich war immer dafür empfänglich, solange ich nur nicht zu sehr mit etwas anderem abgelenkt war. Und auch wenn unsere Kommunikation nicht aus Worten bestand, ein Missverstehen gab es nicht.

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