1o. Home

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Zuhause.

Früher, da hatte ich eines. Einen Ort, an den ich zurückkehren konnte, der mich in die Arme schloss, wie eine Mutter ihr Kind. Einen Platz, an den ich hingehörte. Meine Heimat. Diese Verbundenheit; ich dachte, das wäre etwas, das ewig währen würde und mir nie genommen werden konnte. Ich lag falsch. Wenn ich heute an Taki dachte, empfand ich nur Verachtung und Hass. Mehr verband mich nicht mit diesem Dorf.
Damals, nach meiner Flucht aus Taki, war ich eine Zeit lang als Kopfgeldjäger durch die Weltgeschichte gestreift. Um mir selbst zu beweisen, dass ich nicht auf einen derartigen Ort wie ein Zuhause angewiesen war, hatte ich mein Leben ganz bewusst als Vagabund weitergeführt. Ich bereute nichts.

Und doch wünschte ich mir nicht selten, es wäre anders gekommen.


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Mir war kaum eine andere Wahl geblieben als umzukehren.

Normalerweise brauchte Hidan nicht allzu lange um wieder fit zu werden. Aber in der Regel beschränkten sich seine Verletzungen auf eine abgetrennte Gliedmaße, ein tödlicher Schnitt oder ein durchstoßener Brustkorb. Zweifelsohne waren das fatale Wunden, doch die beschädigte Fläche an sich war eher klein.
Aber nun war grob geschätzt ein viertel seines Körpers zerstört worden und daher würde er auch mehr Zeit für die Heilung benötigen. Mein Partner hatte sich oft genug zurichten lassen, dass ich beinahe besser wusste als er, wie lange er flach liegen würde – nicht zuletzt, weil ich mich über die lange Wartezeit aufregte.

Dieses mal würde es nebenbei gesagt nicht anders sein.

Er würde auf jeden Fall ein paar Stunden brauchen, wenn nicht sogar einen halben Tag, um wieder auf die Beine zu kommen. Die Zeit an Ort und Stelle auszusitzen kam nicht in Frage. Wer wusste schon, ob sich hier nicht noch ein weiteres mutiertes Vieh herumtrieb.

Weswegen mir die Entscheidung leicht gefallen war und ich knapp eine Stunde später mit Hidan – oder das, was von ihm übrig war – auf meiner Schulter das Dorf erreichte, an dem wir nur kurz zuvor vorbeigekommen waren. In diesem war keine Menschenseele mehr vorzufinden, die Einwohner mussten durch den Regen in ihre Häuser geflüchtet sein. Der Alte, der uns zum Schluss so übel beschimpft hatte, war auch wie vom Erdboden verschluckt. Doch als ich das Gelände seines sogenannten Kurhauses betrat und die Steinplatten hoch zum Eingang des Gebäudes lief, schob sich plötzlich die Schiebetür zur Seite und ich konnte ihn im Rahmen stehen sehen. Er gefror in der Bewegung, als er mich entdeckte und legte erstaunt den Kopf schief.

«Ihr seid am Leben.»

«Nur zum Teil», erwiderte ich trocken und ignorierte seine darauf folgende Verwirrung. «Es war etwas von Rabatten die Rede. Wir haben es uns anders überlegt.» Damit war ich so frei und ging an ihm vorbei ins Innere.

In dem großen, hell eingerichteten Empfangsraum kniete eine junge Frau – oder fast noch Mädchen – auf dem Boden und war gerade dabei frische Handtücher aus einem Wäschekorb zusammenzulegen. Sie schreckte auf, als ich so plötzlich in den Raum drang. Sie faltete ihre Hände in ihrem Schoß und erwiderte schüchtern den Blick.

«Meine Enkelin, Misaki», erklärte der Alte, der mir gefolgt war.

«Nun», brummte ich. «Zeit zu beweisen, dass eure Versprechungen nicht nur Geschwätz waren und die angepriesenen Heilbäder tatsächlich etwas taugen. Mein Partner braucht dringend eine Behandlung.»

«Aber natürlich! Ihr werdet nicht enttäuscht sein. Habt ihr vor hier zu nächtigen?»

Ich bejahte widerwillig. Auch wenn wir dadurch weiter zurückfielen, machte es keinen Sinn, heute noch weiterzuziehen, wenn schon bald die Nacht einbrach.

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