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Harry Pov

Ich weiß, dass ich nun eigentlich vor Angst schlottern müsste, aber seine Worte und sein Körper, den er mittlerweile an mich drückte, bewirkten irgendwie das genaue Gegenteil.
Es war das erste Mal, dass ich ihn aus der Nähe betrachten konnte. Und er war so tatsächlich noch hübscher.
Sein drei Tage Bart gepaart mit der gebräunten Haut ließen mich innerlich durchdrehen.
Mein Herz schlug aufgeregt gegen meine Brust. Natürlich auch, wegen des Adrenalins.
Dennoch begriff ich den Ernst der Situation wohl nicht ganz, denn ich starrte nun auf seine Lippen, die meinen doch so unfassbar nah waren.
„Junge, was ist falsch mit dir!", schrie er mich an und wirbelte mich mit einem Mal herum, sodass ich auf dem Boden landete.
Im Dreck.
Ich konnte gar nicht so schnell reagieren, wie er sich auf mich drauf gesetzt hat und nun mit einer erhobenen Faust auf mich hinunter sah.
„Du hast es nicht anders gewollt!"
Er holte aus und wollte mir eine verpassen, doch ich nutze den Moment der Unachtsamkeit und trat mit meinem Knie feste gegen seinen Rücken, sodass er ein Stück nach vorne fiel. Dann packte ich seine Arme, drehte uns um - Gott sei Dann war ich schwerer als er - und drückte seine Handgelenke auf dem Boden.
Nun war er völlig wehrlos. Denn er zappelte herum und versuchte, sich aus meinem Griff zu lösen.
„Lass mich los!", fauchte er und ruckelte mit seinem ganzen Körper. Doch leider ohne Erfolg.
„Jetzt beruhig' dich doch mal", sprach ich nun mit fester Stimme und beobachtete, wie sein Gesichtsausdruck von wütend zu verzweifelt wechselte.
Er begriff, dass er sich aus eigener Kraft nicht mehr befreien konnte.
„Na schön. Ich bin ruhig. Siehst du? Die Ruhe selbst", er ließ seinen Kopf in den Dreck fallen und irgendwie bekam ich nun Mitleid mit ihm.
Ich war nie ein gewalttätiger Typ und wollte es auch nie sein. Ich legte immer mehr Wert auf Kommunikation und war auch hier der Meinung, dass ich ganz normal mit ihm sprechen könnte.
Als ich spürte, dass er sich nicht mehr wehrte, lockerte ich meinen Griff um seine Handgelenke und stieg von ihm runter.
Nicht nur, um ihn frei zu lassen, sondern auch, weil sich langsam aber sicher was in meiner Hose regte.
Und das wäre mir mehr als nur peinlich, wenn er es sehen würde.
Verdutzt sah er zu mir hoch.
„Wie, das war's schon? Dafür hast du mich bis hierhin verfolgt?", er lachte abschätzend, „Schwache Leistung."
Er stand auf und klopfte sich grob den Dreck von der Kleidung.
„Ich empfinde es auch als schwache Leistung, zu klauen."
Er versteifte sich in seiner Position.
„Warum hast du das getan? War das eine Wette? Solltest du dich beweisen? Oder bist du einfach dumm und kennst die Konsequenzen nicht? Aufgrund deiner Tattoos und deines Aussehens gehe ich davon aus, dass du schon volljährig bist, was bedeuten würde, dass du sogar für ein paar Monate ins Gefängnis kommen könntest. Oder einfach einen ganzen Batzen Geld zahlen müsstest", zählte ich die Fakten auf und beobachtete, wie seine Fäuste sich ballten und er sich auf die Lippe biss.
Ich wartete einen Augenblick, bis ich dann auch aufstand und mich säuberte.
„Hm, na schön. Dann werde ich der Polizei einfach berichten, dass du mutwillig geklaut hast. Dein Gesicht kenne ich jetzt, ich könnte dich also identifizieren oder einem Zeichner beschreiben. Viel Glück", damit drehte ich mich um und wollte gehen, doch er hielt mich mit einem „Warte!" auf.
Ein Grinsen stahl sich auf meine Lippen, da ich genau damit gerechnet hatte.
Langsam drehte ich mich wieder zu ihm. „Ja?", ich verschränkte die Arme vor der Brust und konnte sehen, wie er mit sich rang.
„Ich...", fing er an und presste seine Lippen aufeinander.
Oh God, send help.
„Es war keine Wette...", gab er zu, „Ich...ich muss...klauen."
Ungläubig zog ich meine Augenbrauen in die Höhe. „Wie soll ich das verstehen?", fragte ich nach und er seufzte tief.
„Ich...wir...also meine Familie und ich...wir haben kaum Geld. Und ich bin der einzige, der arbeiten gehen kann. Meine Schwestern sind zu jung und meine Mutter hat ein kaputtes Knie. Das Geld, was ich verdient hab, hat aber trotzdem nie gereicht. Nur für die Miete und einen Wocheneinkauf. Jetzt wurde mir vor zwei Wochen gekündigt. Ich bin auch schon auf der Suche nach einem neuen Job, aber...es ist schwierig. Und dann ging vorgestern auch noch der Föhn kaputt und meine Schwestern waren so traurig, da hab ich...beschlossen, den Föhn einfach zu klauen..."
Mit offenem Mund starrte ich ihn an.
Ich hatte mit allem gerechnet. Nur damit nicht.
In meinen Augen hatten sich sogar Tränen gebildet, da ich ein sehr emotionaler Mensch war.
Ob es die Wahrheit war, wusste ich nicht. Aber er wirkte nicht so, als würde er mich anlügen.
Und wie er jetzt so vor mir stand, überhaupt nicht mehr so selbstbewusst und aggressiv wie vorhin, sondern verschüchtert und traurig, brach mir schon fast das Herz.
„Es...tut mir wirklich leid. Das ist ja wirklich furchtbar", ich legte meine Hände auf mein Herz.
Er zuckte nur teilnahmslos mit den Schultern und mich überrollte das schlechte Gewissen.
Das hatte er nicht für sich getan. Und auch nicht für eine dumme Wette.
Er wollte seiner Familie helfen. Wie selbstlos und altruistisch...
Ich trat einen Schritt auf ihn zu uns wollte ihm meine Hand auf die Schulter legen, als ich auf einmal Sirenen vernahm.

Caught // LarryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt