Kapitel 9 - Colin

504 26 2
                                    

„Hey", Joel kam fröhlich gestimmt zur Tür hinein.

„Hey, wie waren die Ferien?", ich schaute ihn interessiert an.

„Worum ging es bei eurem Streit?", woher wusste er das?

„Woher weißt du das?", ich schaue den Brillenträger verdutzt an.

„Naja, ich hab Noah eben gesehen, und als er geweint hat, und sogar nett war, da, da dachte ich, dass du der einzige wärst, der diese Seite von ihm zum Vorschein bringen könnte. Und ich hab Noah noch nie weinen-"

Mein Gehirn schaltete, ich unterbrach ihn.

„Noah hat wirklich geweint?"

„Ich dachte du wüsstest-"

„Danke Joel"

Er hatte geweint. Der Junge, der nie über seine Gefühle gesprochen hatte, hatte wegen mir geweint.

Wie gerne wäre ich sauer auf ihn gewesen, aber ich wollte nicht denselben Fehler wie er begehen.

Ich schlängelte mich auf dem Flur zwischen sämtlichen Schüler vorbei, wobei ich ausversehen sogar ein paar Leute anrempelte. Aber das war mir egal.

Ich musste jetzt zu Noah, was anderes zählte nicht.

Ich warf den Leuten ein flüchtiges „sorry" oder „tut mir leid" hinterher, während ich mich dem Hauptausgang näherte.

Mein Blick überflog den Internatshof, in der Hoffnung, Noah zwischen den ganzen Neuankömmlingen und ihren Koffern zu finden.

Ich fand ihn schließlich auf der Rampe, auf der ich letztes Jahr geheult hatte, als Noah mich gefriendzoned hatte.

Doch nun weinte er, nicht ich.

Langsam und eher vorsichtig lief ich zu ihm. Ich war mir nicht sicher, was ich mir hierbei gedacht hatte. Oder warum ich es überhaupt tat, aber es fühlte sich richtig an.

Ich setzte mich wortlos zu ihm.

Joel hatte recht gehabt. Seine Augen waren rot und glasig, seine Wangen waren ganz feucht.

Er sah trotzdem wunderschön aus, aber wahnsinnig kaputt und zerbrechlich.

Ich zog ihn in eine feste Umarmung, während seine Tränen mein Tshirt an der Schulter durchnässten.

Ich weiß nicht genau, aus welchem Reflex ich gehandelt hatte, aber irgendetwas sagte mir, dass wir diese Umarmung beide brauchten.

Er lehnte sich mit dem Kopf an mich.

„Es tut mir leid", wir sagten es wie aus einem Mund.

„Nein, entschuldige dich nicht, dazu hast du keinen Grund", schniefte Noah.

„Doch, sonst würdest du hier nicht weinend sitzen. Es tut mir leid, dass ich dich ignoriert hab", ich nahm seinen Kopf in meine Hände und strich im mit dem Daumen die Tränen aus dem Gesicht.

Er tat nichts um es zu verhindern, dass verunsicherte und beruhigte mich gleichzeitig.

Er schaute mich mit seinen wunderschönen, blauen und doch verweinten Augen an.

Ich schaute nicht weg, er auch nicht.

Nach dem Kuss war er direkt geflüchtet, und nachdem ich seine Hand berührt hatte, hatte er direkt seinen Standpunkt zu unserem Verhältnis zueinander klargestellt.

Aber gerade berührte ich sein Gesicht und er saß seelenruhig vor mir und hielt diesen verdammten Blickkontakt.

Ich nahm meine Hände wieder von ihm, ich wollte mich nicht schon wieder in diesen Gedanken und Fantasien verlieren.

Diese Fantasien, in denen ich wegen solchen Momenten denke, dass er mich auch mag.

Diese Gedanken beschlichen mich oft, auch wenn ich wusste, dass sie sinnlos, unrealistisch und dumm waren. Doch irgendwie konnte ich nichts dagegen unternehmen.

Ich hasste es, darüber nachzudenken, wie schön es war, als wir uns geküsst hatten - oder ich ihn, weil ich wusste, dass es nie wieder passieren würde.

Aber diese Momente wie jetzt, waren diese beschissenen Fallen, in denen man sich nur zu gut verlieren konnte.

Es waren Fallen, weil sie für einen Moment den Eindruck vermittelten, dass nie etwas schief gelaufen war. Dass es nie diese misslungene Liebeserklärung, den Schmerz und all die Tränen gegeben hatte. Sie machten den Eindruck, dass zusammen alles okay war.

Ich hasste es, mich immer wieder aufs Neue in solchen Fallen zu verheddern, denn Noah hatte seinen Standpunkt mehr als deutlich gemacht.

Nolin ff // things will never be the same...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt