Mermaid Bay

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Ich saß schon seit Stunden im Auto und fuhr Richtung Norden. Ich hatte eine Woche ein kleines Hotelzimmer in einer Stadt mit dem witzigen Namen Mermaid Bay gebucht. Gefunden hatte ich das Ganze im Internet für sechzig Doller die Nacht. Doch nachdem ich fast drei Stunden im Stau gestanden hatte, war meine Laune nicht besonders gut. Erschöpft kam ich an meinem Zielort an und es war herrlich, das blaue Wasser und der wolkenlose Himmel. Die Häuser waren in verschiedenen Farben gestrichen, das Hotel war leicht zu erkennen, es war das höchste Gebäude und grün gestrichen. Nach dem Einchecken brachte ich meine zwei Koffer auf mein Zimmer im zweiten Stock. Ich hatte zwar keinen direkten Meerblick, aber das störte mich nicht, denn die ganze Stadt war farbenfroh und überall waren Nixen und Meerjungfrauen abgebildet. Das Erste, was ich machte, war, meine Koffer auszupacken und dann eine kurze Dusche zu nehmen. Das Badezimmer war zwar klein, aber dafür sauber und die Handtücher wunderbar weich.

Mit neuer Energie machte ich mich auf den Weg, das kleine Städtchen zu erkunden. In einem der Cafés holte ich mir einen kleinen Snack und trank einen Eiskaffee. Nebenan war ein kleiner Souvenirladen, in dem ich mir eine Kette mit einem Anhänger aus Aquamarin und eine Haarspange kaufte. Den restlichen Tag verbrachte ich am Strand, die Zehen im Sand vergrabend und einen Cocktail in der Hand. In der Ferne ging langsam die Sonne unter, die letzten Gäste verließen das Wasser und eine Schwanzflosse, die im Licht silbrig pink schimmerte, durchbrach die Wasseroberfläche. Ich konnte sie nur eine Sekunde sehen und drehte mich schnell zu allen Seiten um, um zu sehen, ob ich die einzige war, die das bemerkt hatte. Doch wie es schien, war ich die einzige. Ich schob den Gedanken an Meerjungfrauen und Nixen beiseite und ging zurück zum Hotel. Wahrscheinlich war das nur eine optische Täuschung oder ich hatte einen Sonnenstich.

In den nächsten Tagen war ich jeden Tag mindestens einmal am Strand und schaute aufs Meer hinaus, insgeheim hoffte ich, die Nixe noch einmal zu sehen, aber es passierte nichts.

Am vierten Abend sah ich sie wieder, diesmal war sie näher am Ufer und ihr Fischschwanz glitzerte in wunderschönen rosa Tönen, ihr blondes Haar fiel ihr in leichten Wellen über die Schultern. Nun war ich mir sicher, dass sie eine Meerjungfrau ist. Am liebsten hätte ich mein Handy gezückt und den Moment festgehalten, doch ich Dussel habe es auf dem Zimmer gelassen. Ich traute mich nicht zu blinzeln, aus Angst, sie könnte sich in Luft auflösen.

Danach traf ich sie jeden Tag, wir sprachen nie miteinander und ich verlor kein Wort über ihre Existenz. Dennoch hatte ich das Gefühl, dass ich nicht die einzige war, die von ihr wusste, das konnte ich an der Art erkennen, wie die Menschen mich ansahen.

Am letzten Tag meines Urlaubs traf ich sie wieder. Ich wäre gerne zu ihr ins Wasser gesprungen, aber ich traute mich nicht. Ich sagte ihr, dass ich heute abreisen würde, sie zeigte auf meine Kette, machte ein Herzzeichen und kicherte dann. Ich würde dieses Geräusch nie vergessen, so schön klar und warm klang es.

Ich verabschiedete mich von ihr, ging zurück ins Hotel und checkte aus. Auf dem Weg zum Auto traf ich eine Frau Mitte sechzig mit langen blonden Haaren, die der Meerjungfrau zum Verwechseln ähnlich sah. Die Frau schaute mich an und lächelte geheimnisvoll. Einen Moment lang glaubte ich, die Meerjungfrau hatte sich in einen Menschen verwandelt. Doch dann wurde mir klar, wen ich vor mir hatte, und lächelte zurück. Ich stieg ins Auto und fuhr aus der kleinen Stadt heraus auf die Hauptstraße und für mich stand fest. Dies war definitiv nicht mein letzter Urlaub in Mermaid Bay.

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