prolog

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Es gab wohl nichts Bedauerlicheres, als dass man einem Maler seine Farbe wegnahm, einem Sänger seine Stimmbänder, einem Fotografen seine Linse oder in meinem Fall, einem Schreiber seine Wörter

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Es gab wohl nichts Bedauerlicheres, als dass man einem Maler seine Farbe wegnahm, einem Sänger seine Stimmbänder, einem Fotografen seine Linse oder in meinem Fall, einem Schreiber seine Wörter.

Seit Unmengen an elendigen Nächten und Tagen schlug ich mich mit einer Schreibblockade, die sich wie ein Fluch nicht rührte. Sie zog sich über den gesamten Frühling bis Anfang des Sommers 1985. Selbst Zigaretten und Wein verleiteten mich nicht in einen wonnigen Rausch, der mich dazu trieb, zu schreiben.

Müsste ich einem Nicht-Künstler, also einer fantasielosen Person erklären, wie sich eine sogenannte Schreibblockade anfühlte, dann genau so:
Nach Monaten gelangte ein warmer Zug Motivation in meine eingefrorenen Fingerspitzen, die ich sofort umsetzen möchte. Das weiße Blatt reflektierte meine Gedanken: Leere. Ein, zwei Einfälle, doch sie zu verwirklichen stellte sich als katastrophal heraus. Plötzlich ergaben die Sätze keinen Sinn, Wörter waren zu wenig oder zu viel, der Schreibstil brachte zum Zweifeln und das Sahnehäubchen obendrauf: auf einmal war die ganze Idee nur noch Schwachsinn. Aus Wut tippte man eine Buchstabensuppe, riss das Papier aus der Schreibmaschine und ein weiterer sinnloser Tag verging.

Man möchte meinen der märchenhafte italienische Sommer würde meine Fantasie reizen. Mir fiel durchaus die Idylle der Stadt ins Auge, wie etwa die süßlich akzentuierte Luft oder die Aprikosenbäume im Nachbarsgarten, trotzdem mangelte es mir an Schreiblust.

Ich wohnte nun seit einem Jahr in Florenz. Früher war mein Ziel Madrid gewesen, jedoch entschied ich mich spontan im Urlaub letzten Sommer, einfach hier zu bleiben. Im Stich gelassen seien meine Sachen in Berlin. Stück für Stück brachte meine Schwester mir die Überreste nach Italien, sofern sie mich besuchte. Das tat sie leider nur sehr selten aufgrund ihrer Flugangst. Wir waren durch und durch Gegensätze.

Das war dann so ziemlich typisch für mich: Meine Sprachkenntnisse begrenzten sich auf ›Ciao‹, ›Grazie‹ und ›Stronzo‹, dennoch sprang ich von einem Land zum nächsten. So ging es schon mein ganzes Leben lang. Wenn ich mal nicht die Schule wechselte durch unser ständiges Umziehen, eine Angewohnheit meines Vaters, machte ich mich jeden Sommer seit meinem Fünfzehnten Lebensjahr auf Welttour. Ferienlager, Jugendreisen, Au Pair, Work And Travel, Hotels, Jugendherbergen, Ferienwohnungen, ... Paris, Oxford, Cambridge, Peking, Kairo, Aberdeen, Debrecen, New York, Boston... Also so nahezu alles, woran ich meine Finger kriegen konnte.

Nach all dieser Reisen konnte sich Florenz glücklich schätzen, dass ich mich mit zweiundzwanzig zu guter Letzt hier niedergelassen hatte. Fürs erste. 

Meine Nachbarin Loretta vertrat bis heute die Meinung, sie hätte im Nu durchblickt, was für einen Charakter ich besaß, als ich von meinem brandneuen Moped stieg und über die Türschwelle meines neuen, türkisen Hauses trat. Meine blonden Locken, gezähmt unter einem gelbgeblümten Bandana-Tuch, meinte sie, waren die Definition einer wilden Schriftstellerin, auf der Suche nach einem Abenteuer. Die grünen Augen ein Hinweis auf eine lebhafte Seele und die Grübchen mitsamt goldener Haut entsprachen einem Sommerkind. Ich sagte immer, sie hätte das keinesfalls einfach so spüren können. Als Antwort murmelte sie italienisch vor sich hin und meinte ihr Alter machte sie allwissend, ganz klar.

Hatte ich erwähnt, dass Loretta mich gleich zu Beginn auf italienisch verflucht hatte? Sie stand mitten auf der Straße, als ich angefahren kam. Ich erschreckte sie zu Tode. Sie war übrigens blind und hatte sich verlaufen, obwohl ihr Haus praktisch vor ihr stand. Mein Haus war nicht türkis, sondern weiß, auch wenn sie mich immer vom Gegenteil überzeugen wollte (wieso auch immer).
Jedenfalls sprang ich daraufhin von meinem Fahrzeug, half der armen Dame zu ihrem Heim und erzählte ihr dabei auf Englisch, wer ich überhaupt sei. Woher sie wusste wie ich aussah, blieb mir bis heute ein Rätsel.

Zurück zu meiner Schreibblockade: Es war aussichtslos.


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Florenz, Sommer '85Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt