Kapitel 6 - Chan -

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Beschämt sah ich mein Spiegelbild an. Mein Gesicht war verschwitzt und noch immer atmete ich unregelmäßig. Felix so vor meinem Pult zu sehen, hatte mir den Rest gegeben. Ich hatte es gerade so noch in die rettende Toilette geschafft, ohne dass jemand bemerkte, dass sich etwas in meiner Hose rührte. In meinen Gedanken blitzte sein Gesicht immer wieder auf. Vor mir kniend, meinen Schwanz bis zum Anschlag in seinem Rachen, während still die erste Träne über seine Wange läuft. Ich hatte mich nicht länger zurückhalten können und musste mir einfach einen runterholen.

Schnell drehte ich den Wasserhahn auf und hielt meine Hände unter das kalte Wasser. Ich rieb meine schweißnasse Stirn ab und sah ruhig dabei zu, wie vereinzelte Wassertropfen in das Keramikbecken schnellten. Müde wanderte mein Blick wieder nach oben und noch immer wollte ich mir nicht eingestehen, dass ich viel zu viel für diesen Jungen empfand. Er war kein Kind mehr, ganz im Gegenteil: Im Gegensatz zu den meisten anderen in seinem Alter, verhielt er sich schon fast zu erwachsen. Wie alt war er genau? 22? 24? Heutzutage konnte man das nicht mehr einschätzen.
Anderen Leuten sagte ich immer so schlaue Dinge wie 'Alter ist nur eine Zahl' oder 'Wo die Liebe eben hinfällt', aber meine eigene Gefühle, die sich die letzten Tage anscheinend viel zu doll entwickelt hatten, beunruhigten mich. Es war verboten, eine Beziehung mit einem Studenten zu führen. Und trotzdem zog sich meine Brust schmerzhaft zusammen, wenn ich daran dachte, ihn in nicht allzu langer Zeit nicht mehr zu sehen. Ihr scheiß Gefühle! Hätte ich ihn einfach nur flachlegen wollen, okay. Das hätte ich mir irgendwann aus dem Kopf schlagen können, aber da war mehr. Natürlich stellte ich ihn mir nackt vor, wie ich ihn tief in die Matratze drücke und er darum bettelt, nicht so hart zu ihm zu sein, aber genauso stellte ich mir auch vor, ihm einen weichen Kuss auf die Stirn zu geben, wenn wir uns nach dem Sex in den Armen lagen. Aber das würde doch niemals gut enden! "Hallo, Frau Lee, ich bin der Freund und Professor Ihres Sohnes, es freut mich, Sie kennenzulernen.". Na klar.

Ob das Gespräch heute Abend eine so gute Idee war? Es lag mir zwar am Herzen, ihn einfach ein wenig aufzufangen, denn ich konnte mir vorstellen, wie beschissen er geschlafen hatte - die leichten Augenringe hatten es mir auch noch einmal bestätigt. Aber tief in mir flammte eben auch der Wunsch auf, ihm einfach ungestört näher zu sein. Ich wollte mehr über ihn erfahren, wollte mir sein wunderschönes, mit Sommersprossen überzogenes Gesicht in aller Ruhe einprägen. Vielleicht sollte ich Changbin einfach nochmals darum bitten, mir eine reinzuhauen, dann würde mein Hirn wieder in die richtige Spur finden. Ich tupfte mein Gesicht mit einem dieser furchtbaren, rauen Einmalhandtücher ab und vollbrachte es immerhin halbwegs, mich endlich auf die nächste Vorlesung zu konzentrieren.

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Ich versuchte, so locker wie möglich in das Café zu schlendern. Felix war nirgends zu sehen, also nahm ich auf dem Hocker Platz, der fast unmittelbar neben der Eingangstür stand. Dann hörte ich ein leises Poltern, gefolgt von irgendwelchen Schimpfwörtern. Endlich öffnete sich die Tür im hinteren Bereich, durch die er gedankenverloren schlich. Er hatte mich noch nicht bemerkt und ich genoss es irgendwie, ihn zu beobachten. Seine Stirn war verkrampft, anscheinend grübelte er gerade heftig. Dann hob sein Blick sich und er zuckte panisch zusammen: "FUCK! Erschrecken Sie mich nicht so!". Ich lachte und zuckte mit der Augenbraue.
Ich stand auf und ging schleichend auf ihn zu. "Außerhalb der Uni bin ich Chris, einverstanden?", zwang ich ihm indirekt das Du auf. Das würde die Stimmung hoffentlich etwas auflockern. Er war genauso still, wie letztens in meinem Büro. Er schaute sich noch einmal im Café um und kam dann endlich hinter dem Tresen vor. Er konnte also doch pünktlich sein, wenn er wollte, es war auf die Minute genau 19:00 Uhr. Ich lief durch die Glastür und sah ihn abwartend an. Etwas unbeholfen und mit zitternden Händen, suchte er nach dem richtigen Schlüssel. Er zog noch ein paar Mal an der Tür, um sicherzugehen, alles richtig gemacht zu haben und aktivierte schnell die Alarmanlage. Dann stieß er tief seinen Atem aus und sah mich abwartend an. "Komm.", winkte ich ihn hinter mir her und ging auf mein Auto zu. Ein kurzes Drücken auf die Fernbedienung, dann zog ich die Beifahrertür für ihn auf.

"Schnall dich an.", sagte ich, nachdem ich den Motor gestartet hatte. Ich verstand nicht, wieso manche Jugendliche das nicht tun wollten. Vielleicht hatte er es aber auch nur vergessen, weil er so nervös war. Ich drehte mich nach hinten um und legte meinen Arm um seinen Sitz, um besser sehen zu können. Tatsächlich hatte sein Arm kurz gezuckt. "Wo fahren wir hin?", fragte er leise. "In den Wald.", antwortete ich und sah, wie seine Augen sich weiteten. "Keine Angst, ich steche dich da nicht ab! Ich wollte einfach nur meine Ruhe haben und es wäre komisch gewesen, wenn wir zu mir fahren.". Etwas beruhigt nickte er.
Wir fuhren das letzte Stück über menschenleere Straßen. Endlich konnte man den Wald sehen. Ich schaltete das Fernlicht ein und drehte das Radio leiser. "Wie alt bist du?", fragte ich ihn und ärgerte mich ein wenig darüber, dass ich es tat. "Ich bin 25.", antwortete er kurz und knapp und wieder herrschte Stille. Ich bog auf einen schmalen Weg ab und rangierte mein Auto dicht an den tiefhängenden Ästen vorbei. Ein Stückchen noch, dann konnten wir endlich anhalten.

Seine Finger zupften nervös aneinander herum, als ich anhielt und den Schlüssel aus dem Zündschloss zog. Die Innenbeleuchtung strahlte unangenehm hell und gab die gerötete Farbe seiner Wangen preis. Er war so wunderschön. "Zeig mir deinen Browserverlauf.", sagte ich mit tiefer Stimme. Seine Hand wanderte in seine Hosentasche und stockte dann. Bewegungslos starrte er auf seine Hand, die sich einfach nicht wieder aus der Tasche herausziehen wollte. Ich lachte leise, denn ich hatte ihn eindeutig erwischt. Gleichzeitig beruhigte es mich irgendwie, dass ich mit meiner Vermutung richtig lag.
"Was beschäftigt dich am meisten?", fragte ich und sah aus meinem Seitenfenster in den dunklen Wald. Er grübelte ewig lang und sagte dann endlich: "Warum?". "Du meinst, warum ich das mache?", ging ich sicher, ob ich ihn richtig verstanden hatte. Endlich sah er mich an, wenn auch nur kurz. Danach senkte sich sein Blick wieder auf seine Finger, die nun nervös an seiner Hose nestelten. "Weil es geil ist.", meine Stimme war fast etwas heiser, als ich ihm antwortete. Empört fand er endlich mehr Worte: "Was soll daran geil sein? Wenn ich mich selbst kneife, ist das nicht geil!". Ich schmunzelte. Da hatte wohl jemand nicht nur gelesen. "Nein, nicht jeder Schmerz ist geil. Es geht aber auch nicht ausschließlich um Schmerz.", fing ich an zu erklären und musste mich selbst bremsen, um ihn nicht direkt mit einem elendig langen Vortrag zu überfordern.

"Um was geht es?", sagte er, nachdem ich einfach verstummt war. Er kratzte sich am Unterarm. Ich hatte in ihm Neugier geweckt. Da war zwar auch gleichzeitig noch viel mehr Skepsis, aber der Anfang war getan. "Um Spaß.", formulierte ich meine Antwort so, dass er sich einfach den Kopf darüber zerbrechen musste, was ich damit meinte. Er sah mich ratlos an. "Und wenn man keinen Spaß daran hat?", sein Kopf wehrte sich noch immer. Ich drehte mich auf meinem Sitz leicht in seine Richtung und sah ihm tief in die Augen: "Dann ist das in Ordnung. Aber was, wenn ich am Ende recht behalten würde und es dir gefällt?". Seine Finger krallten sich in seine Oberschenkel.
"Ich mache dir ein Angebot.", sagte ich leise und strich mit meinen Fingerspitzen über das Lederlenkrad. Er warf mir einen flüchtigen Blick zu, den ich nicht erwiderte. Ich sah geradeaus in die dichten Bäume und verlor mich in den unendlichen Blättern. "Ich lade dich zu mir nach Hause ein. Ich beantworte all deine Fragen..", ich stockte kurz. Sollte ich wirklich weitersprechen? Ich gab mir selbst einen Ruck: "Und wenn du möchtest, dann lasse ich dich fühlen, was ich meine.". Meine Hände umschlungen fest das Lenkrad. Ich war selbst nervös geworden. "Sie lassen mich fühlen?", wiederholte er. Ich ließ meinen Kopf nach hinten fallen, dann schaute ich zu ihm rüber. "Ich biete dir eine ganz besondere Art der Nachhilfe an. Was meinst du?", zwinkerte ich ihm zu und sofort färbten seine Ohren sich in einem heißen, rötlichen Ton. Hab ich dich!
Ich fuhr langsam mit meiner Hand zum Handschuhfach. Felix kniff seine Beine zusammen. "Keine Angst, ich fasse dich nicht an.", noch nicht. Ich holte einen kleinen Zettel heraus, auf dem ich meine Nummer notierte. Ich hielt ihn Felix entgegen und zögernd griff er danach. "Hör mir genau zu. Wenn das rauskommt, dann kostet mich das mindestens meinen Job. Aber ich vertraue dir. Du bist ein aufrichtiger Mensch und willst niemandem etwas Böses und das ist mehr als löblich. Wenn du dich auf all das einlassen möchtest, dann speicher meine Nummer unter einem Pseudonym ein und melde dich bis morgen um 12 Uhr. Solltest du merken, dass das alles nicht dein Fall ist, dann werde ich dich in Ruhe lassen. Du wirst deswegen keine schlechten Noten bekommen.", erklärte ich ihm alles ruhig.
Der kleine Zettel verschwand tief in seiner Hosentasche. Ich trat mit dem Fuß auf die Bremse und startete wortlos den Motor. Hätte ich noch länger gewartet, hätte ich vielleicht versucht, ihn zu küssen. Das wäre nicht gut gewesen. All das hier war nicht gut. Ich setzte eine Menge aufs Spiel. Aber vielleicht, nur vielleicht, schuf ich gerade den Anfang von etwas Großartigem. Etwas Echtem. Ich sollte mich nicht zu sehr in all das hineinsteigern. Ich sollte mir nicht allzu große Hoffnungen machen. Doch ich konnte nicht anders. Ich wollte ihn, nichts anderes. Lee Felix, was tust du nur mit mir?

Tell me that you like it!  •ChanLix•Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt