Kapitel 18 - Chan -

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"Kannst du vorbeikommen? Ich brauche deine Hilfe.", jammerte ich ins Handy. "Hilfe bei was? Musst du eine Leiche loswerden?", fragte Changbin misstrauisch. "Nein, ich muss Möbel verrücken. Aufgebaut habe ich sie schon. Sieh es einfach als Training an!", antwortete ich ihm knapp und legte dann einfach auf. Das war nicht nett von mir, aber ich wusste, dass er sonst nur diskutieren würde und am Ende würde er doch gleich herkommen.

Ich hatte mir etwas in den Kopf gesetzt. Ich hatte ein paar Möbel bestellt, um Platz für Felix' Sachen zu haben. Ich hatte den Punkt verpasst, an dem es ein gesundes Ausmaß hatte und nun hatte ich ihm quasi alles für ein eigenes Zimmer bestellt. Ich wollte das Arbeitszimmer für ihn freiräumen und dort alles hineinstellen. Ich hatte bereits alles an Papierkram ins Esszimmer geräumt, das Keyboard war sicher im Keller verstaut und ich hatte sämtliche Pflanzen und Bilder in den übrigen Zimmern verteilt. Mein Schreibtisch und ein hohes Bücherregal mussten noch verschwinden und dafür brauchte ich Changbins Hilfe. Außerdem mussten die neuen Möbel noch in das Zimmer. Vielleicht hatte ich gelogen, dass ich die Sachen bereits aufgebaut hatte.

Ohne Vorwarnung - so wie immer - öffnete Changbin selbst die Tür. Er trat seine Schuhe von den Füßen und ich konnte ihn schon jetzt jammern hören. "Schön, dich zu sehen!", begrüßte ich ihn extra freundlich und klopfte mehrmals auf seinen Rücken. "Wohnt er jetzt hier?", fragte er sogleich nach. "Ich habe ihn noch nicht gefragt.", gab ich verlegen zu und merkte erneut, wie überstürzt ich eigentlich gehandelt hatte.
"Du bist doch bescheuert. Du richtest ihm ein Zimmer bei dir ein, obwohl du nicht mal weißt, ob er hier einziehen will?! Seit wann genau seid ihr jetzt zusammen?", fuhr er mich an und ich schwieg einfach lieber. "Chan.. Ihr seid doch zusammen, richtig?", hakte er misstrauisch nach.
"Also.. ähm.. Technisch betrachtet.."
"Seid ihr zusammen?!"
"Naja, also.."
"Seid. Ihr. Zusammen?!"
"Ich habe.. ihn noch nicht gefragt!"
Pure Entgeisterung. Changbin sah mich an. Sein Blick war entsetzt, genervt, sauer, überfragt. "Sag mal, hast du als Kind zu nahe an der Wand geschaukelt?!", platzte es aus ihm heraus.
"Tut mir leid.."
"Tut dir leid?! Seitdem du ihn kennengelernt hast, ist dein Hirn in Streik getreten!"
"Es tut mir leid.."
"Du machst hier einen auf 'Einsatz in vier Wänden', obwohl ihr nicht mal zusammen seid?! Hast du mal darüber nachgedacht, dass er das vielleicht gar nicht will?!"
"Es tut mir-"
"Klär es, Chan!"
"Es.. Was?"
"Klär es mit ihm! Sofort!"
"Nein! Bist du bekloppt?!"
"Nicht so bekloppt wie du!"
"Ich rufe ihn doch jetzt nicht an! Ich will ihn damit überraschen!"

Er verpasste mir einen Schlag auf den Hinterkopf und sah mich kopfschüttelnd an. "Tut mir-" - "Ja, ja. Also, was soll ich machen?", fragte er und sah sich um.
Zuerst schleppten wir alles in den Keller, was keinen Platz mehr hatte. Darunter meinen Schreibtisch. Ich würde die Sachen für die Arbeit einfach an irgendeinem anderen Tisch machen. Das Bücherregal quetschten wir noch mit ins Esszimmer und die kleinen Kommoden an der Wand ließ ich erstmal im Flur stehen. Vielleicht war nachher noch Platz für sie.

"Wann lerne ich ihn kennen?", fragte Changbin und riss die kleine Plastiktüte mit den Schrauben des Bettes auf. "Bald. Versprochen!", versicherte ich meinem besten Freund. "Wie läuft das zwischen euch? Trefft ihr euch nur für Sex?", bohrte er weiter nach und ließ meine Wangen rot werden.
"Nein, wir hatten erst zweimal Sex."
"Normalen Sex oder....?"
"Willst du das wirklich wissen?"
"Weiß nicht.. Ist ja nicht so, als würde ich nicht schon über deine komischen Fantasien Bescheid wissen."
"Ich habe keine komischen Fantasien. Viele Leute stehen auf BDSM."
"Ja, du weißt doch, wie ich das meine!"
"Ich denke, wir sind gerade bei so einem Mittelding. Es ist nicht richtig Vanilla, aber es ist auch noch nicht allzu krass."
Er schmunzelte bei dem Wort 'Vanilla', ddrehte eine Schraube mit seinen Fingern in das vorgefertigte Loch und suchte dann doch nach dem Schraubendreher. "Ich war vor ein paar Tagen echt angefressen..", meinte ich und Changbin sah fragend zu mir auf. "Er will auf eine Party. Die soll aber in einem besonderen Club stattfinden. Ich habe ihm gesagt, er darf keinen Alkohol trinken.", erklärte ich und steckte die nächsten zwei Bretter zusammen. "Du kannst ihm doch nicht einfach das Saufen verbieten!", maulte mein Kumpel. "Doch, genau das habe ich getan. Er feiert mit Freunden in einem Fetisch-Club und er weiß nicht, dass sie dort hingehen. Deswegen habe ich von ihm gefordert, dass er nüchtern bleibt." - "Und das hat er akzeptiert?", beäugte er mich ungläubig. Ich schüttelte den Kopf und steckte die nächsten zwei Schrauben in das Bettgestell.

"Meinst du nicht, dass du dir zu viele Sorgen machst?", sagte Changbin. "Weißt du, wenn ich dabei wäre, wäre es für mich etwas anderes. Dann könnte ich auf ihn aufpassen.", verteidigte ich mich. "Ich verstehe, was du meinst. Man weiß ja leider nie, was für kranke Leute dort rumrennen..", bestätigte er mich endlich mal in meiner Meinung. "Eben. Ich will ihm nicht unbedingt was verbieten, aber ich habe einfach Angst um ihn. Ich vertraue ihm, aber nicht irgendwelchen Fremden. Stell dir mal vor, einer-" - "Fang nicht an! Stopp! Du malst dir jetzt nichts aus!", hielt mein Freund mich davon ab, mir sämtliche Horrorszenarien in den Kopf zu malen.
Wir rückten das Bett an die Wand und hoben die Matratze auf das Lattenrost. Das Zimmer hatte wie eine Art Nische, in die wir das Bett schoben. Eine Lichterkette würde es noch kuscheliger machen. Auch eine große, weiße Kommode fand Platz, da konnte Felix ein paar Klamotten reinlegen. Die beiden anderen Schränkchen würde ich wohl doch in den Keller bringen. Am besten sucht Felix sich selbst noch etwas aus, was er hier reinstellen möchte. Es soll ja sein Zimmer sein.

"Ist doch eigentlich Quatsch, ihm das Zimmer einzurichten.", stellte Changbin fest und ich sah ihn fragend an. "Naja, schlaft ihr nicht sowieso in einem Bett?", kombinierte er. "Ja, schon. Aber so hat er die Möglichkeit, sich zurückzuziehen. Und wer weiß, wofür wir mal ein Alibi brauchen. Das Zimmer habe ich ja sowieso kaum genutzt.", erklärte ich ihm. Ich musste ihm ja nicht sagen, dass ich Felix zum Beispiel auch als Bestrafung hierhin schicken konnte. Das war zwar nicht unbedingt meine Lieblingsstrafe, aber vielleicht gefiel es ihm ja.

Ich versprach Changbin, dass ich ihm als Dankeschön irgendwann mal etwas Leckeres kochen würde, dann verschwand er. Ich sah mich noch einmal in dem Zimmer um und war vorerst zufrieden. Ich wollte es Felix so schnell wie möglich zeigen, aber das musste noch warten. Gerade gingen andere Dinge vor. Ich war mir unsicher, ob wir das Thema 'Party' tatsächlich geklärt hatten. Hätte mir in dem Alter jemand verboten, Alkohol zu trinken, hätte ich ihm den Mittelfinger gezeigt und mich erst recht abgeschossen. Aber war Felix auch so? Er gab zwar Widerworte, aber ich schätzte ihn so ein, dass er anderen auch keine Sorgen bereiten wollte.

Es nervte mich, nicht wirklich Einfluss auf die Situation zu haben. Am liebsten hätte ich das Treffen mit Hyunjin abgesagt, aber er half mir und ich wollte nicht unhöflich sein. Immerhin war das auch Teil meiner Arbeit. Ich musste mich einfach darauf verlassen, dass Felix sich an mein Verbot hielt. Und dass seine Freunde ihn zu nichts überredeten. Verdammter Minho! Wenn ich dich erwische! Hätte ich seine Nummer, würde ich ihn anrufen und zusammenscheißen. Das würde zwar genau gar nichts bringen, aber immerhin würde ich so einen kleinen Teil meines Frustes loswerden.

Hätte ich vorher gewusst, dass wir beide denselben Minho kennen, hätte ich vorher ein Treffen organisiert, in dem ich alle Bedingungen klarstelle. Aber dafür war keine Zeit mehr. Es war ja auch nicht Sinn der Sache, Felix rund um die Uhr zu überwachen. Er gab sich aus freien Stücken in seine Rolle und ich konnte und wollte ihm ja nicht wirklich etwas verbieten. Er gehörte mir nicht. Ich hatte nicht das Recht, tatsächlich über ihn zu bestimmen. Das wäre kein BDSM mehr gewesen.
Ich hoffte einfach darauf, dass Felix sich den Abend nicht komplett zuschütten würde. Ich wollte ihm vertrauen. Wer weiß, vielleicht war er ja auch artig und ließ das mit dem Alkohol ganz bleiben. Die Chancen standen schlecht, aber ich musste einfach vom Besten ausgehen. Ich schnappte mir mein Handy und öffnete unseren Chat. "Ich habe eine Überraschung für dich.", tippte ich ein und war versucht, ihm ein Foto des Zimmers zu schicken. Aber dann wäre es keine Überraschung mehr gewesen. Wir würden uns erst am Wochenende wiedersehen, ich hatte noch eine Menge Arbeit zu erledigen. Ich musste alles für Samstag vorbereiten, Hausarbeiten durchlesen und bewerten. Der Haushalt erledigte sich leider auch nicht von allein und ich hatte im Kühlschrank kaum noch etwas Essbares.

Als ich ins Schlafzimmer ging, um mir eine bequemere Hose anzuziehen, fiel mir ein, was Felix über meine hochgekrempelten Hemden sagte. Gut, dann tun wir ihm mal den Gefallen. Ich zog mein Shirt aus, legte es ab und schlüpfte in das schwarze Hemd, das ich aus der Schublade gezogen hatte. Feinsäuberlich schlug ich den Ärmel auf jeder Seite viermal um, sodass meine Unterarme blank lagen. Ich stellte mich vor den hohen Spiegel und machte ein Foto. Natürlich schnitt ich es noch so zurecht, dass mein Gesicht nicht darauf zu sehen war. Würde jemand sein Handy durchsuchen, dann wäre es nicht gut, wenn man mich erkannte. Mit den Worten 'Ich denke an dich.', schickte ich das Bild ab und wünschte mir, dass ich ihm ordentliches Kopfkino bereitete.

Tell me that you like it!  •ChanLix•Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt