Im Fuchsbau

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„Komm, Hermine."
Auch am darauffolgenden Tag hatte Hermine noch einige Untersuchungen über sich ergehen lassen müssen.
Ron war heute alleine aufgetaucht, um sie abzuholen.
Hermine verließ an seiner Seite das St. Mungos.
Vor der Tür legte er ihr sanft einen Arm um die Hüfte und wieder war sie erstaunt über diese zärtliche Zuwendung.
„Ich appariere uns direkt zum Fuchsbau, ok?", fragte Ron.
Hermine starrte ihn irritiert an.
Sein Gesicht war nicht weit von ihrem entfernt und er lächelte regelrecht liebevoll auf sie herab.
Ja, Hermine erinnerte sich, dass die vielen Streitereien mit Ron irgendwann aufgehört hatten und sie sich genauso eng mit ihm verbunden gefühlt hatte wie mit Harry - aber diese starke Zuwendung seinerseits verwirrte sie.
„Oder möchtest du uns lieber apparieren?", fragte Ron, der ihren Blick wohl falsch gedeutet hatte, rasch.
Hermine schüttelte den Kopf.
Sie fühlte sich absolut nicht in der Lage, zu apparieren.
„Gut, dann los", sagte Ron leise und im nächsten Moment fühlte Hermine das vertraute Ziehen des Disapparierens.


Ron hatte seine Hand auf ihren unteren Rückenbereich gelegt, als sie nebeneinander auf den Eingang des neu aufgebauten und leicht veränderten Fuchsbaus zugingen.
Aber ehe sie die Tür erreichten, wurde diese aufgerissen und Ginny stürmte ihnen die letzten Meter entgegen.
Und im nächsten Moment befand Hermine sich in der festen, beinahe schmerzhaften Umarmung ihrer Freundin.
„Oh Hermine, es ist so schön, dass du hier bist", flüsterte Ginny erstickt. „Wir wollten dich im Mungo besuchen kommen, aber die Heiler meinten, man solle dich schonen. Harry und Ron haben uns aber alles erzählt."
Hermine nickte bloß stumm und betrat, flankiert von den beiden Weasley-Geschwistern, den Fuchsbau.
„Hermine, Liebes!", hörte sie im nächsten Moment die Stimme von Molly Weasley und dann fühlte sie sich erneut umarmt.
„Es ist so schön, dass du endlich da bist!"
Aus irgendeinem Grund berührte sie Mollys mütterliche Art auf eine tiefgehende Art und Weise und im nächsten Moment spürte Hermine, wie sie leise zu weinen begann.
„Ach, Liebes, es muss alles furchtbar viel für dich sein", sagte Molly mitfühlend, während sie Hermine sanft die Tränen aus dem Gesicht strich. „Mach dir keine Sorgen, wir kümmern uns um dich."
Hermine nickte und kämpfte tapfer die Tränen nieder.
„Möchtest du etwas essen? Oder willst du dir erst das Zimmer ansehen?"
„Gerne... erst das Zimmer", brachte Hermine mühsam heraus.
Molly nickte.
„Gut. Liebes, Harry und Ron teilen sich derzeit ein Zimmer. Du würdest bei Ginny mit im Zimmer schlafen. Es sei denn, es ist dir lieber, wenn Harry und du tauschen und du dir ein Zimmer mit Ron teilst."
Hermine blinzelte irritiert.
„Nein... natürlich ein Zimmer mit Ginny", entfuhr es ihr. „Bitte", ergänzte sie dann noch rasch.
„Natürlich, Süße, wie du möchtest", nickte Molly. „Ginny, zeigst du ihr das Zimmer?"
Und als Hermine sich umwandte, sah sie zufällig in Rons Gesicht. Und zu ihrer Überraschung wirkte er merkwürdig gekränkt - und auch irgendwie beunruhigt.


Ein leises Klopfen an der Tür ließ sie aufhorchen.
Nachdem Ginny sie ins Zimmer gebracht hatte, was sie netterweise für einige Zeit mit Hermine teilen würde, hatte sie sie alleine gelassen, worüber Hermine froh war.
Sie brauchte etwas Zeit für sich.
„Ja?"
Die Tür öffnete sich und Ron trat ein.
Leise schloss er die Tür hinter sich.
„Hey", begann er das Gespräch.
„Hey", gab Hermine zurück und behielt Ron dabei gut im Blick.
Irgendetwas stimmte nicht mit ihm, aber sie kam einfach nicht darauf, was.
Ron räusperte sich umständlich und schob seine Hände tief in die Taschen seiner zerbeulten Hose.
„Hast du dich schon ein wenig an das Zimmer gewöhnt?"
Hermine hatte sich hier noch keine Viertelstunde aufgehalten, man konnte also nicht wirklich von Gewöhnung sprechen, trotzdem sagte sie: „Ja."
„Gut."
Ron wich kurz ihrem Blick aus und wippte dann unruhig auf seinen Fußballen herum.
„Ron, ist alles ok?"
„Klar", kam es viel zu schnell von ihm.
Einen Moment schwiegen sie beide und gerade, als Hermine überlegte, was sie als nächstes sagen könnte, platzte es aus ihm heraus: „Du weißt es nicht mehr, oder?"
Hermine runzelte die Stirn.
„Was meinst du, Ronald?", fragte sie.
Ron schluckte.
„Das mit uns."
Hermine sah ihn konzentriert an.
„Das mit uns?", wiederholte sie perplex.
Erst, als sie die sterbende Hoffnung in Rons Gesicht sah, bemerkte sie, dass diese überhaupt dagewesen war.
Statt dessen breitete sich eine unfassbare Enttäuschung und auch Trauer auf seinem Gesicht aus.
„Scheiße", murmelte er.
„Ron, was ist los? Sprich bitte nicht in Rätseln!"
Es war unfair, dass sie so unfreundlich mit Ron sprach, aber irgendwie war sie beunruhigt.
„Ich... wir...", begann Ron umständlich und fuhr sich durch das wirre, rote Haar. „Du hast vergessen, dass wir uns geküsst haben, oder?"
In dem Moment, als er es aussprach, war die Erinnerung wieder in ihrem Kopf.
Ron hatte Malfoy angebrüllt, er solle die Finger von seiner Freundin lassen.
Natürlich.
Sie war so durcheinander gewesen nach dem Aufwachen im St Mungo, aber jetzt fiel es ihr sofort wieder ein: Ron, der vorschlug, die Hauselfen in der Küche zu warnen, als der Angriff Voldemorts begonnen hatte. Ihre Freude darüber, dass er sich endlich auch Gedanken um diese liebenswerten Kreaturen machte. Und wie sie ihm um den Hals gefallen war vor Freude - und ihn geküsst hatte.
„Oh Ron! Es tut mit leid! Natürlich weiß ich das noch! Ich war so verwirrt, bitte verzeih mir. Ich-"
„Schon ok", sagte Ron und klang halb erleichtert, halb gekränkt. „Es war ja auch alles ziemlich viel. Komm jetzt mit runter, ja? Es gibt gleich essen."
Hermine nickte mechanisch und folgte Ron nach unten.
Und während sie krampfhaft versuchte, sich selbst und Ron als Paar vorzustellen, erschien in ihrem Geist das Gesicht von dem jungen Mann mit den rauchfarbenen Augen.
Draco Malfoy.
Er hatte sie gerettet.



„Harry?"
Es war ein überraschend schönes Zusammensein beim Essen und Hermine hatte tatsächlich begonnen, sich zu entspannen und wohlzufühlen.
Allerdings geisterte ihr eine Frage im Kopf herum, die sie einfach nicht in Ruhe ließ.
Daher hatte sie diesen Moment abgewartet: Harry saß alleine auf der Veranda des Fuchsbaus. Es war später Abend und schon dunkel, nur leichte Beleuchtung erhellte die Veranda. Leise hörte man Grillen zirpen. Von drinnen erklangen die Stimmen der Weasley-Familienmitglieder, die noch nicht zu Bett gegangen waren.
Harry, der auf einer handgefertigten, hölzernen Hollywoodschaukel saß und sich leicht mit den Füßen Anschwung gab, blickte lächelnd in ihre Richtung.
„Hermine! Setz dich zu mir."
Sie kam der Aufforderung sofort nach.
„Unglaublich, oder?", begann Harry sofort das Gespräch. „Es ist wirklich alles vorbei. Voldemort ist besiegt. Es wird sich so viel ändern."
Hermine lächelte.
„Ja", sagte sie leise. „Ja, das wird es."
Schweigend schaukelten sie einen Moment hin und her.
„Harry, ich habe eine Frage", sagte Hermine schließlich, als sie sich kurz gesammelt hatte. „Zu... Draco Malfoy."
Harry sah sie aufmerksam von der Seite an. Merkwürdigerweise hatte sie das Gefühl, dass er bereits darauf gewartet hatte, dass sie das Thema anschneiden würde.
Dadurch ermutigt, fuhr sie fort.
„Ich weiß, es wird euch komplett seltsam erscheinen, aber... Ich würde mich gerne mit ihm treffen. Und mich bedanken."
Sie war positiv überrascht, dass Harry weder ausrastete, noch entsetzt fragte, wie sie auf diese Idee kam.
Statt dessen betrachtete er sie einen Augenblick lang intensiv.
„Das wird nicht möglich sein, Hermine", sagte er dann.
Stirnrunzelnd blickte sie ihn an.
„Was meinst du?"
„Nun", begann Harry und klang dabei vorsichtig. „Derzeit ist es unmöglich, ihn irgendwie zu sehen oder mit ihm zu kommunizieren."
Hermine rutschte beunruhigt und ungeduldig hin und her.
Sie dachte wieder einmal an Dracos graue Augen, die so intensiv auf ihr geruht hatten.
Was war mit ihm geschehen?
„Wieso?", fragte sie.
„Nun..."
Harry zögerte, räusperte sich. Er wirkte so, als wüsste er, dass das, was er zu sagen hatte, Hermine nicht gefallen würde.
„Malfoy sitzt derzeit in Askaban."

Those Eyes (Dramione Short Story) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt