Narzissas Plan

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„Wir gehen auf einen Ball in Malfoy Manor, schon verrückt.“
Das waren Harrys Worte gewesen, nachdem er, Hermine und Ron die Einladungen von Narzissa Malfoy erhalten hatten.
Für Ron war sofort klar gewesen, dass er nicht gehen würde, und er hatte Harry und Hermine gefragt, ob ihnen nicht klar sei, dass man sie nur eingeladen hatte, um den Namen Malfoy reinzuwaschen.
„Ach Ron“, hatte daraufhin Harry gelassen gesagt. „Wir haben zugunsten der Familie Malfoy vorm Hohen Rat ausgesagt – wir haben also somit sowieso schon dazu beigetragen, den Namen Malfoy reinzuwaschen.“
Und Hermine hatte ergänzt: „Voldemort ist besiegt. Es brechen neue Zeiten an und wir sollten ein Zeichen setzen. Mit unserer Teilnahme am Ball zeigen wir, dass alle bereit sind, Vorurteile abzulegen und aufeinander zuzugehen.“
Ron blieb bei seiner Meinung und wollte der Veranstaltung fern bleiben.
Ganz anders sah es bei Ginny aus.
In Harrys Einladung stand, dass er und seine Begleitung eingeladen seien, und Ginny war ganz aus dem Häuschen wegen des Kleides, was Harry ihr für den Ball geschenkt hatte.
Ging man dieser Tage durch die Winkelgasse, schienen die Gespräche zu summen wie ein aufgeregter Bienenschwarm und es gab fast nur noch ein Thema: Die große Veranstaltung im Hause Malfoy und die Tatsache, dass die Helden der Zaubererwelt, Harry Potter und Hermine Granger, daran teilnehmen würden.
Eine Woche war vergangen, nachdem Hermine beim Abendessen im Herrenhaus der Malfoys gewesen war, als die Einladung zum Ball hereinflatterte.
Mrs Malfoy versuchte tatsächlich, den Namen ihrer Familie wieder in einem guten Licht dastehen zu lassen, begriff Hermine, als sie die Einladung in den Händen hielt.
Und plötzlich ergab auch ihre auffällige Freundlichkeit Hermine gegenüber einen anderen Sinn.
Hermine hatte es für Dankbarkeit gehalten. Dankbarkeit dafür, dass sie keine Aussage vorm Zaubergamot gemacht hatte, die die Lage von Lucius Malfoy und seinem Sohn verschlechtert hatte, im Gegenteil.
Aber es war nicht nur Dankbarkeit. Nicht ausschließlich.
Es lag kühles Kalkül hinter Narzissa Malfoys Handeln.
Vermutlich hatte die Familie stets auf die richtigen Verbindungen geachtet, und heutzutage waren der Junge, der zweimal überlebte und sein Freundeskreis eben die richtige Verbindung.
Gekränkt war Hermine merkwürdigerweise nicht. Vielleicht, weil sie von Narzissa nichts anderes erwartet hatte. Vielleicht auch, weil die Frau ihr grundsätzlich einfach nichts bedeutete.
In Hermines Einladung stand nichts davon, dass sie mit Begleitung eingeladen sei, und kurz fragte sie sich, ob sie beleidigt sein musste, da Narzissa offensichtlich davon ausging, dass sie solo war.
Statt dessen lag der Einladung ein Zettel bei auf dem stand, dass Hermine, natürlich nur, wenn sie denn wollte, bei Twilfitt and Tattings vorbeischauen konnte, Narzissa habe dort eine kleine Auswahl Kleider für sie zurücklegen lassen.
Die pure Neugierde trieb sie in den Laden, und letzendlich waren die Kleider – drei an der Zahl – tatsächlich alle so herausragend gut ausgesucht, dass Hermine sich nicht entscheiden konnte.
Die Angestellte der Ladeneigentümer Twilfitt und Tatting offenbarte ihr daraufhin, dass sie gerne alle drei mitnehmen konnte, sie seien bereits bezahlt.
Diese Offenbarung erschreckte Hermine so sehr, dass sie sich spontan doch für ein knöchellanges Kleid in fließendem Silber entschied und darum bat, Mrs Malfoy das Geld für die beiden anderen Kleider doch wieder zu erstatten.
Erst Zuhause wurde ihr bewusst, wie teuer das Kleid sein musste, was sie da mitgenommen hatte, und unwillkürlich fragte sie sich, was für eine Veranstaltung Narzissa wohl auffahren wollte.


Wenige Tage später erfuhr sie es.
Narzissa hatte es „Ball“ genannt, und Hermine hatte eine Tanzveranstaltung in einem großen Saal im Manor erwartet.
Genau genommen war es aber eine Veranstaltung, die sich auf einen großen Teil des Geländes erstreckte.
Harry, Ginny und Hermine konnten bereits auf dem Weg zum Eingang, der weit offen stand, etliche Attraktionen auf den weitläufigen Rasenflächen entdecken, aber auf die Schnelle kaum verinnerlichen.
Leise hörte Hermine Ginny raunen, dass sie sich das später unbedingt alles ansehen mussten.
Auch Hermine war gegen ihren Willen beeindruckt und interessiert.
An der Eingangstür begrüßte sie nicht, wie Hermine erwartet hatte, ein Hauself, sondern eine adrett gekleidete, junge Frau.
Auch auf dem Weg zum Ballsaal, den die Frau ihnen beschrieben hatte, sah Hermine immer wieder Hexen und Zauberer in offensichtlicher Dienstkleidung, die als Bedienstete fungierten.
Im Saal selbst gab es eine überschwengliche Begrüßung durch Narzissa Malfoy. Von Draco war keine Spur zu sehen.
Nach einer kurzen Smalltalkrunde mit Narzissa mischten sie sich unter die Leute.
Hermine war über mehrere Dinge erstaunt.
Erstens darüber, wieviele Menschen eingeladen worden waren und offensichtlich auch gekommen waren. Dann darüber, wie bunt gemischt die Ansammlung von Hexen und Zauberern war. Narzissa schien die Gästeliste mit Bedacht geschrieben zu haben, um deutlich zu zeigen, dass jetzt, nach dem Krieg, wirklich jeder im Manor willkommen war. Und schließlich war sie auch darüber erstaunt, wie ruhig es war, wie gesittet sich alle unterhielten. Trotz der großen Menschenmenge hörte man nur leise Gespräche, das vorsichtige Klirren von Gläsern, die aneinander gehalten wurden, und dezente, klassische Tanzmusik.
„Sagt mal, warum starrt Malfoy ständig zu uns rüber?“
Überrascht lenkte Hermine ihren Blick auf Harry.
„Was?“, fragte sie.
Kurz huschte ihr Blick umher, aber sie konnte Draco nirgends sehen.
„Malfoy“, wiederholte Harry. „Er starrt die ganze Zeit hierher. Ob es ihn stört, dass ich hier bin?“
Ginny prustete.
„Warum lachst du?“, fragte Harry sie stirnrunzelnd.
„Ich würde ja sagen: Jungs! Begreifen mal wieder nichts“, sagte Ginny. „Aber in diesem Fall muss ich sagen: Das hat nichts mit dem Geschlecht zu tun, es liegt an dir, du schnallst es anscheinend nur mal wieder nicht.“
„Hä?“, machte Harry wenig geistreich und auch Hermine musste daraufhin lachen.
Ginny verdrehte die Augen.
„Du bist nicht mehr der Auserwählte, Potter“, grinste Ginny. „Es dreht sich nicht mehr alles um dich. Er starrt nicht wegen dir.“
Sie warf einen bezeichnenden Blick auf Hermine.
Harrys Stirnrunzeln vertiefte sich und er sah Hermine an, dann wieder Ginny.
„Du meinst, es stört ihn, dass Hermine da ist? Au!“
Ginny hatte ihrem Freund einmal kurz mit der flachen Hand auf die Stirn gehauen.
„Ich halte dir jetzt mal zugute, dass Hermine deine beste Freundin ist und du glücklicherweise nur Augen für mich hast“, sagte sie. „Denn sonst wäre dir aufgefallen, wie absolut scharf Hermine in diesem engen Kleid aussieht und wie gut ihr Hintern in dem fließenden Silberstoff zur Geltung kommt. Kein Wunder, dass Malfoy starrt.“
„Ginny!“, empörte Hermine sich, erntete aber nur ein beinahe hinterhältiges Grinsen von ihrer Freundin.
„Komm, Harry, lass uns mal die Tanzfläche unsicher machen“, sagte sie und hakte sich bei ihrem Freund unter.
„Moment mal“, entkam es Harry. „Forderst du mich gerade zum Tanz auf?“
„Klar, selbst ist die Frau“, hörte Hermine Ginny noch sagen, während diese Harry Richtung Tanzfläche zog.
Schmunzelnd blickte Hermine ihnen nach.
Dann bemerkte sie, dass sie plötzlich ziemlich alleine dastand ohne die beiden und niemanden in ihrer näheren Umgebung kannte.
Nachdenklich sah sie sich um, während sie Gesprächsfetzen um sich herum aufschnappte.
Hier hörte sie jemanden über Ginnys Kleid reden und wie hinreißend es mit ihrem Haar harmonierte, dort fragte sich jemand, ob Harry Potter dem Weasley-Mädchen wohl schon einen Antrag gemacht hatte. Sie hörte allerlei Dinge, die ihr Hirn sofort als unwichtig kategorisierte, und dann eine weibliche, verärgerte Stimme, die zu einer wunderschönen Frau mit dunklem Hautteint gehörte und die sich offensichtlich über ihren Noch-Ehemann aufregte, denn sie sagte, dass dieser sich bald wünschen würde, es wäre ihm doch wie seinen Vorgängern ergangen, wenn er weiterhin den Scheidungsprozess so erschwerte. „Da will man einmal den offiziellen Weg gehen“, seufzte die Frau theatralisch. „Und das ist nun der Lohn dafür.“
„Ich hätte nicht gedacht, dass du tatsächlich auch dieses Mal kommst.“
Hermine unterdrückte ein erschrockenes Zusammenzucken.
Sie hatte nicht bemerkt, dass Draco neben sie getreten war.
Überrascht sah sie ihn an.
Anders als bei dem gemeinsamen Abendessen war er nun um einiges schicker zurecht gemacht: Teurer Anzug, Krawatte, sogar ein Einstecktuch in der Brusttasche seines Jacketts.
Seine Hände hatte er hinter dem Rücken verschränkt.
„Warum hätte ich nicht kommen sollen?“, fragte Hermine.
Draco zog die Hände hinter dem Rücken hervor und ließ sie in den Hosentaschen verschwinden.
Zu Hermines Überraschung trat er um einiges näher und senkte die Stimme.
„Du lässt dich doch nicht etwa instrumentalisieren, Granger“, sagte er leise.
Einen Augenblick benötigte sie, um den Sinn hinter den Worten zu verstehen.
„Stell dir vor, ich bin gekommen, um der Außenwelt zu zeigen, dass die Zeiten sich einfach geändert haben, Draco“, sagte sie und sah ein kurzes Flackern in seinen Augen, als sie seinen Namen aussprach. Und dann, mit klopfendem Herzen, fügte sie hinzu: „Und weil mir unser Gespräch in der Bibliothek gefallen hat und ich mich eigentlich darauf gefreut habe, vielleicht noch einmal mit dir zu sprechen.“
Sie sah deutlich, sie hatte ihn überrumpelt.
Dass sie so gelassen auf die Anspielung über die Motive seiner Mutter reagieren würde, hatte er scheinbar nicht erwartet. Und wohl auch nicht, dass sie so offen zugab, gerne mit ihm zu reden.
Zum ersten Mal, seitdem sie in seinen Armen erwacht war in der Schlacht von Hogwarts, sah er ihr wieder direkt und intensiv in die Augen.
Kurz hatte sie das Gefühl, zu fallen, so sehr ging ihr der Blick durch und durch.
„Wenn du magst, zeige ich dir die Attraktionen auf dem Gelände“, sagte er.

Those Eyes (Dramione Short Story) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt