Kälte

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„Du bist wegen Kleidern hergekommen, oder? Also so wie du drauf bist, könnte man auch meinen du suchst nach dem nächsten Hagelsturm.." Die Verkäuferin des Kleiderladens sah sie genervt an. Olivia Gale schnaubte empört. „Ich muss doch sehr um etwas mehr Respekt vor ihrer Königlichen Hoheit bitten!"
„Es ist doch aber war.."

Schon seit einer Stunde saß Isabell nun hier, und probierte alles mögliche an Kleidern an. Und das war eine Menge. Olivia hatte von ihrem Vorhaben Kleider zu kaufen erfahren und wollte sie dabei tatkräftig unterstützen. Sehr zum Leidwesen von Isabel.
Sie wollte doch einfach nur ein schönes Kleid! Keine Umhänge, Schleifen, oder gar.. Mini-Kronen?! „Das steht ihnen wirklich gut!" meinte Olivia. Die Verkäuferin warf ihre Hände in die Luft. „Diesen Satz höre ich heute zum 49. Mal. Ich denke, ihre königliche Hoheit sollte sich selbst etwas aussuchen." Empört wand sich Olivia zum gehen.

„Danke." meinte Isabel seufzend zu der Verkäuferin. „Ach, gar kein Problem. Tu mir aber den Gefallen und komm wieder, wenn du in der Stimmung für Kleider bist, ja?" Isabel nickte stumm. Dann verließ sie den Laden. Draußen regnete es in Strömen, es war aber zum Glück nicht besonders kalt. Mit hängenden Schultern lief sie über die Brücken zwischen den Baumkronen.

Ein erster Regentropfen berührte Isabel's Wange. Zuerst spürte sie ihn nicht, doch nach und nach vernahm sie den kleinen Punkt Wasser. Die Kälte, die von ihm ausging, wanderte langsam ihre Wange nach unten, und blieb an ihrem Kinn hängen. Dann fiel der kleine Tropfen nach unten, auf den sowieso schon feuchten Boden. Dort bahnte sich das Wasser einen Weg durch das Holz der Hängebrücke. Ein geregelter Ablauf. Es ließ sich von nichts aufhalten.

Isabel vermisste Lizzy und Ronja. Die beiden hätten ihr sicher besser helfen können als Olivia. Eine Weile blieb sie noch dort stehen, bis sie komplett durchnässt war. Die klamme Kälte war dann aber doch etwas unangenehm. Zum Palast wollte Sie aber auch nicht zurückkehren. Schließlich entschied sich Isabel dazu, einen kleinen Rundflug zu machen. Sie ließ sich von der Brücke fallen, und animagierte. Die klatschenden Leute ignorierend, stieg sie immer weiter in die Luft auf. Die graue Wolkendecke kam immer näher. Nur noch ein paar Flügelschläge, und Isabel würde sie durchbrechen.

Die Feuchtigkeit der Wolken drang in Isabel's Federn ein. Der Nebel ließ ihre Sicht verschwimmen. Der erste, warme Sonnenstrahl erreichte sie. Ihre Federn trockneten sofort, die Sonne füllte ihr gesamtes Blickfeld aus. Isabel schloss die Augen.

„Königliche Hoheit? Ihr Freund Perrin möchte mit ihnen reden. Soll ich ihn hereinlassen?" Stumm nickte sie. Die Tür öffnete sich und Perrin trat ein. Doch er sah verändert aus. Er hatte eine Uniform an, die an seinen Schultern leicht hin und her schlabberte. Seine Haare waren zurückgekämmt, und fettig. Seine Wangenknochen traten hervor. Erschrocken riss Isabel die Augen auf.
„Geht es dir gut?! Du siehst schlimm aus.." Perrin sah sie stumm an. „Königliche Hoheit. Ich entschuldige mich für mein Verhalten. Ich bitte um Verzeihung." Dann marschierte Perrin nach draußen. Sprachlos sah Isabel ihm nach. War das dort gerade wirklich Perrin gewesen?

Morgen war Isabels letzte Chance, sich mit ihm zu versöhnen, allerdings war sie sich nicht sicher, ob sie das schaffen würde. Perrin hatte völlig verändert gewirkt.
Isabel entschloss sich, ihren Vater zur Rede zu stellen, und ihn zu fragen, was es mit ihrem Freund auf sich hatte. Jetzt gleich.
Abrupt stand sie von ihrem Sofa auf, und marschierte durch den Palast, zum Büro ihres Vaters. Sie klopfte an die Massive Holztür, aber es erklang keine Antwort. Also trat Isabel einfach ein.

Sie war nicht oft in dem Büro ihres Vaters gewesen, genau genommen durfte sie hier nicht rein. Der große Schreibtisch in der Mitte aus blankpolierten Mahagoniholz war mit allerlei wichtigen Papieren und Unterlagen vollgestellt. Statt Wänden, hatte der Raum Bücherregale. Die Bücher darin, waren aus den unterschiedlichsten Winkeln der Welt. Eine schmale Empore führte in ein zweites Stockwerk, wo noch mehr Bücherregale, aber auch seltene Artefakte verstaut waren. die großen Dachfenster ließen das wärmende Sonnenlicht nach drinnen. Es hätte so friedlich aussehen können. Wenn hier und dort nicht irgendwelche  Chemikalien gewuchert hätten. Es stank entsetzlich. Und in einer Ecke lag ein seltsamer kleiner Kristal. Daneben lag ein Zepter. Das Zepter des Bestienkönigs. Isabel schlug sich die Hand vor den Mund und schnappte nach Luft. Dann drehte sie sich um und rannte aus dem Büro ihres Vaters.

Animox- Die Entscheidung des AdlersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt