23 | Haudrauf

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Gudda lief mit einer erzürnten Miene an mir vorbei, so wie jeden Tag seit wir von der letzten Erkundungstour zurückgekommen waren. Das machte er mit Absicht, um mich immer wieder daran zu erinnern, wie sauer er auf mich war. Seiner Tochter dabei zu helfen zu entkommen war wohl etwas, was er mir niemals verzeihen würde. Das nahm ich aber in Kauf, denn ich hatte Astrid ein Versprechen gegeben und das würde ich halten.

Nachdem damals die Sonne untergegangen war, hatte er dazu gedrängt, dass wir noch weiter suchten, obwohl ich gesagt hatte, dass wir nach Berk zurücksegeln würden. Rotzbakke, der Schleimer, hat ihn unterstützt, aber da ich nun mal das Oberhaupt war, segelten wir am Ende nach Hause. Seitdem hat Gudda kein einziges Wort mehr mit mir gesprochen. Seine Frau schien dagegen nicht allzu unglücklich zu sein. Sie hatte am Steg auf uns gewartet und nachdem sie Astrid nicht entdeckt hat, habe ich ihr alles erzählt. Daraufhin hatte sie meine Hand genommen, sie gedrückt und mich angelächelt. Sie grüßte mich noch, wenn sie mich sah. Anscheinend war ihr das Glück ihres Kindes wichtiger, als in ihrer Nähe zu sein.

Seit dem Tag war bereits einige Zeit vergangen, keine Ahnung wie viel, aber wir haben keine weitere Erkundung geplant, auch wenn Rotzbakke es des Öfteren vorschlug, um weitere Gunst bei Gudda zu erhalten. Sogar Hilmar hatte sich einmal beteiligt, er wollte die Idee von Astrid als seine Ehefrau wohl noch nicht ganz verwerfen. Sie war immerhin sein Favorit der Frauen in seiner Altersklasse, auch wenn Raffnuss weiterhin versuchte seine Aufmerksamkeit zu erregen. Auf sehr schräge Art und Weise. Wenn er nur wüsste, dass Astrid lieber von der Klippe am Rande des Dorfes springen würde, als auch nur in seine Nähe zu kommen.

Ich kam an der Schmiede an, wo Grobian seinen Pflichten nachging. Er war es mittlerweile gewöhnt, dass ich hier auftauchte, deshalb schaute er nicht mal mehr von der Axt auf, die er gerade zurecht hämmerte. »Moin, Haudrauf. Was kann ich heute für dich tun?«

Ich seufzte. »Mir Gesellschaft leisten, wie die letzten Male auch.«

»Weißt mal wieder nichts mit dir anzufangen?«

»Nicht wirklich«, gab ich mürrisch zu. Es waren erneut nicht viele Aufgaben zu erledigen, zumindest nicht für mich. Keine Hochzeiten, keine Taufen, keine Beerdigungen; niemand brauchte Hilfe bei ihrer täglichen Arbeit, keine Zäune oder Häuser mussten gebaut werden. Ich war absolut frei. Und gelangweilt.

»Du kannst jederzeit mit mir Schwerter und Äxte und-«

»Ein Angriff!«, wurde Grobian von jemandem hinter mit unterbrochen. Wir drehten uns sofort dahin.

»Schaut in den Himmel! Er ist bedeckt!«

»Odin steh uns bei! Sie kommen, um sich zu rächen.«

»An die Waffen! Wir werden nicht kampflos untergehen!«

Grobian tauchte die Axt in kühles Wasser, legte seine Utensilien zur Seite und kam hinaus zu mir. Zusammen liefen wir den anderen Wikingern hinterher, die sich oben auf dem Platz vor der Großen Halle sammelten und alle in dieselbe Richtung schauten. Wir stellten uns auf die oberste Stufe und schauten über die Köpfe der anderen hinweg gen Nordwesten.

Der Horizont dort war verdunkelt von immer größer werdenden Silhouetten. Drachen, Unmengen von ihnen, flogen geradewegs auf Berk zu. Je näher sie kamen, desto besser erkannten wir sie. Große und kleine, lange Beine, kurze Flügel, rot und blau und gelb und lila und grün und jede Farbe, die es gab. Und ganz vorne war ein einziger schwarz.

»Ein Nachtschatten«, flüsterte Grobian meinen Gedanken aus. Konnte es sein, dass das ...?

Etwas Massives rastete rechts von mir ein, was mich aus dem Staunen und Hoffen brachte. Ich bemerkte erst jetzt, dass die Wikinger um uns herum allerlei Geschütze ausgefahren hatten, unter anderem die Katapulte, dessen Wurfarme so eben nach hinten gezogen worden waren. Sie waren bereit die gesamte Schar anzugreifen, aber wenn das dort vorne der Nachtschatten von damals war, dann flogen keine Feinde auf uns zu.

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