Kapitel 84

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Wenn Delphine gedacht hatte, dass ihr Aufzug in dem Schäfchenanzug mit diesem dämlichen Bommelhut das peinlichste war, das sie jemals erlebt hatte, dann hatte sie sich mächtig getäuscht. „Hach, ich bin noch Jungfrau", johlte es laut hinter ihr. „Ich liebe dich", folgte dem, genau wie alberne Kussgeräusche und dann schadenfrohes Gelächter. Delphine musste sich gar nicht umdrehen, um herauszufinden, dass es sich bei diesen Idioten um ihre Klassenkameraden handelte. Ja, das ging jetzt schon seit einer Woche, seit die Schule wieder begonnen hatte, so. „Hör nicht auf die. Die sind voll blöd." Benny war neben ihr aufgetaucht. „Du kannst ja mit mir Fußballspielen." „Uih, da wird wohl jemand zur Familienmatratze. Wenn nicht der große Bruder, dann halt der kleine", johlte es schon wieder hinter ihnen. „Der kriegt doch höchstens bei einem Fußball einen hoch", gackerte einer.  „So trottelig wie der ist, bricht der sich den noch, wenn er ihn hoch bekommt", gackerte der Nächste. „Du solltest lieber nicht in meiner Nähe sein. Das färbt ab." Delphine schaute zu Benny, der nur mit den Schultern zuckte. „Mir doch egal. Wir sind Freunde oder hast du das schon vergessen?" Natürlich hatte sie das nicht vergessen, genauso wenig wie den Rest des Silvesterabends. Sie wurde ja jeden Tag eindrucksvoll daran erinnert. „Magst du mit mir Fußballspielen?" Benny schaute sie hoffnungsvoll an. Konnte sie da nein sagen? Ja, konnte sie. Wollte sie aber nicht, denn egal wie trottelig Benny auch war, er ließ sie wenigstens nicht im Stich. Und bei ihm war es keine Heuchelei. Da war sich Delphine sicher. Wer nahm schon Spott freiwillig in Kauf, um zu heucheln. „Uih, das neue Traumpaar." Hörte das eigentlich nie auf? Scheinbar nicht! Dann musste sie wohl dafür sorgen. Ignorieren war wohl der falsche Weg. Sie drehte sich um und holte aus. Bei einem der Typen klatschte es im Gesicht. Das sollte ja wohl reichen, um sich etwas Respekt und Ruhe zu verschaffen. Mehr wollte sie ja gar nicht.  „Echt jetzt? Mehr hast du nicht drauf, Prinzesschen?" Der Typ lachte sie aus. Delphine spürte wie Wut in ihr hochkochte. Sie dachte an all diese dämlichen Sprüche, die sie in der letzten Woche hatte ertragen müssen, an Phil, der sie nur verarscht hatte und an ihren großen Traum, der einfach so geplatzt war. Mit Schwung holte sie aus und legte all ihre Wut und ihren Frust in ihren Schlag. Ihre Hand war zur Faust geballt und traf diesen Scheißkerl genau auf der Nase. Diesmal lachte er nicht und schwankte ein paar Schritte zurück, ehe er seine Hand vor die Nase hielt und aufjaulte. „Scheiße, die Alte hat mir die Nase gebrochen." Blut sickerte durch seine Finger. Der Anblick tat Delphine gerade richtig gut. „Was ist denn hier los?" Einer der Lehrer war aufgetaucht. „Die hat mich geschlagen", heulte dieses Weichei los. „Geh bitte ins Sekretariat und lasse dich verarzten." Manno, stellten die sich hier an, nur weil einem ein bisschen die Nase blutete. Da hatten Delphines Füße beim Ballett schon mehr geblutet, wenn etwas aufgescheuert war und sie hatte trotzdem weiter trainiert. Das Weichei zog eskortiert von seinen Freunden ab. Die würden sich mit Sicherheit überlegen, ob sie sich noch einmal mit ihr anlegten. „Wieso hast du ihn geschlagen?", wandte sich der Lehrer an Delphine.  „Weil er sie provoziert hat!" Neben ihr war Paul aufgetaucht. „Ja, er und seine Freunde haben uns geärgert." Benny stand immer noch bei ihr und hatte nicht das Weite gesucht. Er nahm das Ding mit der Freundschaft wohl wirklich ziemlich ernst. Man, musste er wenige Freunde haben und verzweifelt sein, wenn er so Wert auf ihre Freundschaft legte. Der Lehrer schaute Benny nachdenklich an. „Trotzdem ist das kein Grund jemanden zu schlagen. Ich werde das deinem Klassenlehrer melden und dann wird es noch ein Gespräch mit dem Rektor geben." Sollte Delphine das einschüchtern? Was würde wohl die schärfste Strafe sein, die sie verhängen konnten? Eine Suspendierung. Na das wäre ja perfekt. Dann müsste sie wenigstens nicht hierher traben und sich diesen ganzen Scheiß geben. Wozu auch. Ihre Zukunft war doch sowieso schon ruiniert. Was sollte ihr da schon so ein blödes Abitur bringen? „Ich habe hier aber gefilmt, dass Delphine nicht schuld ist." Wo kam denn jetzt auch noch Rosa her? Sie hielt dem Lehrer ihr Handy hin und er schaute es sich kurz an. „Okay, trotzdem können wir nicht einfach so darüber hinweg gehen. Gewalt ist keine Lösung." „Mobbing zulassen aber auch nicht." Paul schaute den Lehrer sauer an.  „Da hast du recht. Deshalb werde ich auch dafür sorgen, dass das alles geklärt wird. Rosa, du kommst mit ins Sekretariat, damit wir das sichern können." Delphine schaute den beiden hinterher. „Magst du jetzt überhaupt noch Fußballspielen?" Benny schaute sie traurig an. Deshalb nickte Delphine nur. Sie würde sich von solchen Idioten nicht ihre Freundschaft zu Benny kaputt machen lassen. „Kommst du auch mit Fußballspielen?", wandte sie sich an Paul, der nur seine Augenbraue fragend hoch zog. Das sollte wohl so etwas wie echt jetzt bedeuten. Jedenfalls interpretierte es Delphine so. „Ja, zu dritt ist das viel lustiger", stimmte auch Benny zu. Paul nickte nur und sie schlugen den Weg zum Sportplatz ein. Erstaunt stellte Delphine fest, dass es echt befreiend war, mit voller Wucht gegen so einen blöden Ball zu treten, besonders wenn man sich vorstellte, dass es der Kopf von jemand bestimmtes war. Die Liste der Personen war bei ihr ziemlich lang. Schade, dass schon die Glocke das Ende der Pause ankündigte. „So, ich muss jetzt. Ich habe noch etwas vor." Paul zwinkert Delphine zu und ihr war klar, was er meinte. Dazu war gar nicht das Klimpern in seinem Rucksack nötig. „Benny, sagst du bitte Herrn Wolf, dass es mir nicht so gut geht und ich nach Hause gehe." Benny nickte. „Mach ich, aber soll ich dich nicht lieber bringen?" „Das mache ich schon", mischte sich Paul sofort ein. „Okay, dann schreibe ich für dich mit", grinste Benny und schnappte sich seinen Ball und seinen Rucksack um ins Gebäude zu verschwinden. Delphine blickte ihm hinterher. Und schüttelte ihren Kopf, als er über seine eigenen Beine stolperte. Er war wirklich trottelig, aber total nett und ein echter Freund und kein Heuchler.  Delphine drehte sich zu Paul. „Und wo gehen wir jetzt hin?" „Lass dich überraschen", grinste er sie breit an.

Schuss und Treffer - Tanz mit dem Ball    Teil 14Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt