Kapitel 24

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„Dann ruh dich jetzt aus, Maus!" Jasmin stopfte das Deckbett um Delphie fest. Ob sie ihr wohl einen Kuss erlaubte? Sie würde es nicht herausfinden, wenn sie es nicht versuchte. Das sagte ihr auch der Blick ihrer anderen Tochter. Leo schaute sie aufmunternd an, während sie an der Tür auf sie wartete. Jasi beugte sich zu Delphie herunter und drückte ihre Lippen sanft auf die Stirn ihrer Tochter. „Wenn etwas ist oder du Hilfe brauchst, dann rufe einfach über dein Handy an. Ich komme dann sofort. Oder du brüllst einfach nach mir, so wie die anderen auch!" Jasi zuckte lächelnd mit den Schultern. Ja, Lulu, Dani und Ella waren es gewohnt einfach nach ihr oder Marvin rufen zu können. Deshalb war es in diesem Haus auch selten ruhig. Mit einem letzten Blick auf Delphie schloss Jasi die Zimmertür hinter sich. „Und, was meinst du?", wandte sie sich an Leo. „Sagen wir mal so, die Begeisterung steht ihr nicht wirklich ins Gesicht geschrieben. Aber ich glaube, es gibt schon kleine Fortschritte. Ich bin mir sicher, dass wird schon, bestimmt ganz bald." Jasmin hakte sich bei ihrer großen Tochter unter. „Ich hoffe es so. Sie hat mich eben auch nicht weggestoßen, als ich ihr den Kuss aufgedrückt habe." Das verzogene Gesicht ignorierte Jasi geflissentlich. Delphine schüttelte angewidert ihren Kopf. Dachte ihre Mutter, sie hätte sich nicht nur ihren Fuss, sondern auch ihre Ohren verletzt? Oder warum faselte sie da mit Leokardia vor ihrer Tür herum? Welche Fortschritte sah ihr dämliche Schwester? Da gab es keine. Delphine mochte ihre Familie und insbesondere ihre Mutter genauso wenig wie vor ihrem Unfall. Die brauchten sich auch gar nicht einbilden, dass sich das jemals ändern würde. Diese dämliche Familie nervte sie nur. Und dass sie ihre Mutter nicht weggeschoben hatte, hatte auch nur den Grund, dass sie sie mit dem Bettzeug so festgestopft hatte, dass sie sich nicht wehren konnte. Was bildete sich diese Frau überhaupt ein? Sie war doch kein kleines Baby mehr, dass bettsicher gemacht werden musste. Empört strampelte Delphine sich wieder frei und setzte sich auf. Sie schaute zu ihrem Nachtisch. Da stand immer noch ein Teil dieses blöden Kuchens, mit dem ihre Familie versucht hatte sie zu mästen. Sie hatten keine Ruhe gegeben bis sie ein kleines Stück davon heruntergewürgt hatte. Okay, es war nicht so, dass er nicht geschmeckt hätte, aber das schlechte Gewissen wegen der vielen Kalorien hatte dafür gesorgt, dass sie ihn fast wieder hochgewürgt hätte. Wenn sie bedachte, was alleine schon die Marshmallows darauf für Kalorien hatten, wurde ihr gleich wieder übel. Wann hatte sie das letzte Mal Marshmallows gegessen?  Ihr Vater hatte sie ihr immer gekauft, weil er wusste, dass sie sie liebte. Bei dem Gedanken an ihren Vater musste sie schlucken. Wieso eigentlich? Sie hatte das ganze letzte Jahr nicht viel an den Loser gedacht, der sie einfach im Stich gelassen hatte. Warum tat sie es jetzt? Wahrscheinlich wegen dieses unglücksseligen Hauses hier und wegen Dortmund. Das gehörte alles zu ihrer Vergangenheit mit ihrem Vater. Zu der  Zeit als noch alles gut war und sie sein Lebensmittelpunkt war. Delphine hieb sauer mit ihrer Hand auf das Bett und eine Wolke Kuchenkrümel stoben hoch. Ein leichtes Knurren entfloh ihr. Diese Bastarde, die ihre Eltern in die Welt gesetzt hatten, waren allen ernstes auf ihr Bett geklettert und hatten hier eine Krümelwüste hinterlassen. Diese Lulu konnte einen mit ihrem Plappermaul echt nerven und dieser Emilio war ihr kleiner Trabant, der nach ihrem Willen tanzte. Das war fast wie bei Leokardia und Daniel. Die hatten früher auch so zusammengeklebt und Delphine war die Außenseiterin gewesen. Scheinbar wiederholte sich das jetzt. Aber diesmal war es ihr egal, denn sie wollte mit diesen kleinen Bastarden sowieso nichts zutun haben. Außerdem war sie viel zu alt, dass sie das noch tangierte. Mit ihrer Hand beförderte sie diese lästigen Krümel stellvertretend für die Bastarde aus ihrem Bett. Ein leises Mauzen ertönte. Wo kam das denn her? Delphine beugte sich über den Rand des Bettes und sah einen kleinen weißen Katzenkopf, der sie vorwurfsvoll anschaute. „Duchesse!" In Delphines Gesicht schlich sein ein breites Grinsen. Es gab ihre kleine Katze immer noch. Der zierlich, elegante Katzenkörper schob sich immer mehr unter dem Bett hervor und es ertönte ein weiteres Mauzen. Mit einem eleganten Sprung setzte die Katze zu Delphine auf das Bett und streifte ihren Kopf an Delphies Arm lang. „Hast du auf mich gewartet und mich vermisst?" Delphine strich sanft über den Katzenkörper, der sich förmlich an ihre Hand schmiegte und ein kräftiges Brummen und Schnurren ertönte. Es schien fast so, als sollte das die Antwort auf ihre Frage sein. „Dann bist du aber das einzige Individuum in diesem Haus, dem das so geht." Wie zur Bestätigung wurde das Schnurren noch lauter. „Aber soll ich dir was sagen? Du bist auch die Einzige, die ich vermisst habe. Du hättest mich nach Paris begleiten sollen." Da wäre Madame Tourant mit Sicherheit ausgeflippt. Ein leises Klopfen an der Tür unterbrach ein weiters Gespräch mit der Katze. Wer nervte denn nun schon wieder? Hatten die alle kein anderes Hobby? Oder gab es hier im Haus einen Wettkampf, wer Delphine am meisten nerven konnte? Duchesse sprang mit einem Satz vom Bett und zwängte ihren Körper darunter. Na toll, jetzt verscheuchten diese Blödmänner auch noch die Katze. „Kannst du mich nicht mitnehmen, Duchesse?" Ja, am liebsten würde sich Delphine genauso unter dem Bett verkriechen, um ihre Ruhe zu haben. Die Tür öffnete sich vorsichtig und ein blonder Mädelsschopf schob sich durch den Spalt. „Hast du gerade herein gesagt?" Alleine schon die Frage ließ Delphine aufatmen. Keiner dieser Bauern aus ihrer Familie hätte auf ein Zeichen von ihr gewartet, um das Zimmer zu entern. „Rosa?!" Das war Saschas Schwester und Delphines Freundin, die sie einfach für Ella im Stich gelassen hatte. Sofort verschwanden wieder alle freundlichen Gedanken aus Delphines Kopf. Das war genauso eine miese Verräterin wie der Rest ihrer Familie.

Schuss und Treffer - Tanz mit dem Ball    Teil 14Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt