Kapitel 15

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Erst weiß ich gar nicht was mit mir geschieht, dann fange ich an zu treten und um mich zu schlagen. Wer auch immer mich da fest hält soll mich auf der Stelle loslassen ! Auf einmal werde ich losgelassen und falle auf den Boden. Ich sehe hoch, und blicke in die Augen von Fabio. Reflexsartig zücke ich mein Messer und halte es in seine Richtung. ,, Du wirst nicht zustechen ", meint er. ,, Wie bitte ? ", meine ich wütend. Er hat zwar Recht, aber das muss ich ihm ja nicht zeigen. ,, Du hast es vorhin auch nicht getan ", sagt er, als wäre alles ganz selbstverständlich, ,, als ob ich nicht bemerkt hätte, dass du viel zu lange wegwarst. Du hättest mir von hinten ein Messer in den Hals rammen können, hast du aber nicht. " Ich bin zwar verdutzt, und will ihn fragen woher er das weiß, frage aber stattdessen :,, Was machst du hier ?" ,, Herausfinden was dein Plan ist, und dir bei ihm helfen ". ,, Das soll ich dir glauben ? Warum solltest du mir helfen ? ". Fabio will zu etwas ansetzen, doch statt ihm sage ich :,, Ich weiß wem ich trauen kann, und du bist keiner davon. Was wenn du mich bei der nächsten Gelegenheit verrätst ?" ,, Wäre ich dann schlimmer als du ?" Leider hat er schon wieder Recht. Ich habe das Bündins mit den Kaieros gebrochen, und sie einfach still und heimlich verlassen. ,, Was wenn ich dir jetzt etwas sage. Etwas was dich verwirren mag, aber ich will ,dass du mir glaubst. " Ich sehe in fragend ,und ja, verwirrt an. Was kommt denn jetzt. ,, Ich würde dich vor alle anderen in dieser verdammten Arena stellen ". Er sieht mich mit seinen strahlend blauen Augen eindringlich an. Ich halte seinem Blick stand, unfähig etwas nach diesen Worten zu sagen. Dann nimmt er mein Gesicht in seine Hände und küsst mich.

Ich versuche diesen kostbaren Moment, nachdem ich mich die ganze Zeit heimlich gesehnt habe, festzuhalten ,so lange es geht. Aber selbst das Schönste vergeht. Er lässt mich wieder los, und ohne das ich es will, kommen mir die Tränen. Ich fühle mich sicher, endlich, und ich weiß, dass Fabio mich nicht mehr verlassen wird. Er nimmt mich in den Arm und ich weine mich aus. ,, Werden wir ihn finden ?", frage ich ihn, meine Stimme mehr ein Hauchen. ,, Ich verspreche dir, dass ich alles dafür tun werde ".

Auch wenn ich am liebsten nie wieder aus seinen Armen raus möchte, müssen wir weiter. Ich kann mich kaum konzentrieren , denn die ganze zeit muss ich an den Kuss denken. Warum sollte Fabio in mich verliebt sein? Sonderliche Zuneigung hat er mir gegenüber nie gezeigt. Es ist einfach alles so unrealistisch. Aber ich habe keine Zeit für solche Gedanken. Wir schultern unsere Rucksäcke und laufen los. Es ist schon fast taghell und die Kaieros werden unser Verschwinden schon längst entdeckt haben. Während wir laufen , unterhalten wir uns leise : ,, Erzähl mir von dir ", fordere ich ihn auf. ,, Da gibt es nicht sehr viel, worauf ich stolz sein kann ", meint er verlegen. ,, Dann erzähl mir halt das ". ,, Na gut. Ich bin ein Einzelkind, aber ich hatte schon immer eine riesige Bande von Freunden um mich. Ich war immer ihr Anführer, und gemeinsam haben wir alles Mögliche angestellt ." ,, Glaub mir, ich war nicht besser. Ich und Ewina , meine beste Freundin haben ..", ich will gerade von unseren Aktionen erzählen, doch der Gedanke an Ewina lässt mich verstummen. Normalerweise wäre ich schon längst kichernd zu ihr gerannt und hätte ihr von meinem sagenhaften ersten Kuss erzählt. Aber sie ist nicht hier. ,, Erzähl mir von ihr ", meint Fabio, ,, von Ewina. " Ich schlucke schwer, dann fange ich an : ,, Wir haben einfach alles zusammen gemacht. Kein Fest ist vergangen, ohne das wir getanzt haben, kein Tag wo wir uns nicht gesehen haben, keine Gelegenheit an der wir nicht gerannt sind. Über die Felder unserer Heimat sind wir geflogen , immer in Gewissheit, dass die Andere da war. " Je länger ich erzähle, desto schwerer wird es. Ich stoppe und er sieht mich fasziniert an. ,, Es ist so schön dir zu zuhören. Wenn du erzählst, erinnerst du mich an die Dichter, die vor mehreren hundert Jahren gelebt haben. Wir haben über sie etwas in der Schule gelernt . Eine der wenigen Sachen, die mich in der Schule interessiert haben ." Ich lächel verlegen und sage dann :,, Hast du sonst nicht viel für die Schule gemacht ?" ,, Überhaupt nicht. Weder für die Schule, noch in der Akademie. Mich hat nur Unsinn interessiert, bis mein Vater mir mit 15 Jahren eine ordentliche Standpauke gehalten hat, und ich mich in der Akademie mehr angestrengt habe. " Ich werde nachdenklich. Dann ist er gar nicht so eine Kampfmaschine. Er wurde nur zu einer. Aber das ist doch bei allen Kaieros so oder ? ,, Warum hast du dich freiwillig gemeldet ?", frage ich ihn ganz direkt. ,, Mein Vater wollte es. Er hat ja nur mich, und er wollte , dass ich meinem Namen Ehre mache " ,, Poder ", meint er nachdenklich. ,, Dein Nachname ?" ,, Ja. Bereits zwei Sieger der Hungerspiele trugen diesen Namen. Aber dieses Jahr wird es kein dritter werden ". Da ich weiß, dass die Frage,, warum ?" unangemessen wäre, frage ich gar nicht erst. Ich wöllte ihm auch nicht erklären, warum ich nicht gewinnen möchte und es auch nicht kann.

Fast den ganzen Tag laufen wir einfach nur herum, und nichts passiert, außer einem nicht definierbaren Tösen und Donnern, in Richtung Osten. Wir fragen uns zwar , was es ist, doch nachgucken wollen wir auch nicht.

Gegen Abend kommen wir in einer leeren Parkanlage an, an deren Ende ein Hotel steht. Also doch nicht nur Jahrmarkt. Diese Arena wird wirklich immer seltsamer. ,, Denkst du wir können darin übernachten ?", frage ich Fabio. ,, Bestimmt. Wir müssen nur wachsam sein. " Mit diesen Worten öffnet er die schwere Tür, und wir treten in einen großen Saal ein. Staunend sehen wir uns um. Es sieht sehr luxeriös aus, wenn auch verstaubt und leicht moderich. ,, Komm, wir erkunden es ein bisschen ", meine ich und ziehe ihn an der Hand hinter mir her. Der Entdecker kommt in mir zum Vorschein. Das Hotel ist sehr groß, es gibt sehr viele Zimmer, und das allerbeste : Wir entdecken einen reichgedeckten Speißesaal. Ich stürze mich sofort auf das Essen, doch da warnt mich Fabio : ,, Pass auf ! Es könnte ein Trick sein, sie nutzen unseren Hunger aus, um uns dann zu vergiften ". ,, Du hast Recht, aber ich sterbe fast vor Hunger", entgegne ich und greife nach einem Stück Brot. ,, Nein", meint er, und schlägt es mir aus der Hand. ,, Wir werden nicht davon essen. Vertrau mir, ich kenne mich mit den Tricks der Spielemacher aus." Jetzt bin ich sauer. Er tut so als ob ich ein kleines Kind wäre. Mir ist die Gefahr bewusst, aber die Gefahr zu verhungern ist mir ebenfalls bewusst, und ich werde ganz sicher nicht an Hunger sterben, während vor mir das beste Essen steht. ,, Du hast mir nichts zu sagen". Ich nehme mir ein Stück Brot und beiße hinein. Fabio sieht mich bestürzt an, doch mir geht es gut. Das Brot schmeckt köstlich, und ich fühle mich gut, denn ich kann mich durchsetzen. ,, Siehst du ", meine ich , ,, ich falle nicht tot um ." Irgendwas muss an diesem Satz wohl falsch gewesen sein, denn er dreht sich um, und geht.

Ich stecke noch schnell das Brot in meine Tasche, und renne ihm dann hinterher. Er läuft nur leider viel schneller als ich, sodass ich ihn erst kurz suchen muss. Ich finde ihn in einem Schlafzimmer. ,, Hey", sage ich zu ihm, ,, es tut mir leid ". Ich setze mich zu ihm aufs Bett und will seine Hand nehmen, doch er zieht sie weg. ,, Was ist denn los", frage ich ihn, doch ich merke, das es schwierig wird eine Antwort aus ihm heraus zu kriegen. Eine Weile sitzen wir einfach so da, dann fängt er an :,, Du verstehst das halt nicht. " ,, Was ?" ,, Ich ... ich habe niemanden zu Hause. Mein Vater interessiert sich nur für das Geld, das ich ihm bringe, wenn ich gewinne. Meine Mutter ist tot, und meine Freunde mochten mich sowieso nur weil ich bei ihrer Scheiße mitgemacht habe. " In dem Moment tut er mir schrecklich leid. Er ist ungeliebt, und hat keinen Grund zu gewinnen. Aber Moment ! ,, Fabio, es mag sein, dass die Menschen in deinem Umfeld dich nicht lieben, doch ich tue es ." Ich überlege kurz, dann sage ich es : ,, Aber ich liebe dich, Fabio ." Eigentlich erwarte ich ,dass er mir das gleiche sagt, doch stattdessen schaut er verletzt auf. ,, Das ist ja das Problem. Als ich dich zum ersten Mal sah, fand ich dich schon toll, doch ich wusste auch schon immer, dass ich dich nach den Spielen nie wieder sehen werde. Nur einer wird gewinnen, die Andern werden vergessen. " Er dreht seinen Kopf von mir weg und legt sich zur Wand hin. Ich weiß nicht mehr was ich ihm sagen soll , also lasse ich ihn in Ruhe. Im Stillen denke ich darüber nach, was er gesagt hat. Er hat nur mich, und selbst mich wird er bald verlieren. Dieses Gefühl ist einerseits total überwältigend aber auch gleichzeitig verletzend. Ich merke, dass ich es viel leichter habe als er, obwohl ich jede Sekunde Todesangst um Reedian habe. Immerhin habe ich Reedian, Ewina und meine Eltern. Wie hielt er das aus? Er hatte niemanden , dem er blind vertraute, niemanden der in bedingungslos liebte. Aber jetzt hat er mich, und ich werde ihn nicht mehr verlassen, bis -und ich hasse es das zu denken - einer von uns stirbt.

Die Tribute von Panem - Unendlicher WilleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt