"Ach, und wie kommst du darauf?", fragte Poe. Ranpo grinste erneut, denn Dazai warf ihm einen zustimmenden Blick zu.
Die anderen sahen sich nur ungläubig an und warteten gespannt auf die Erläuterung des Detektivs. Er nahm die Brille ab. Den Täter zu entlarven war so leicht gewesen, dass er den Harken bei dem Ganzen nicht verstand. Was machte dieses Rätsel besonders? Möglicherweise übersah er etwas, aber das kam für gewöhnlich nie vor. "Es ist doch offensichtlich", verkündete er, "das ist das erste Mal, dass du in einer deiner Geschichten selbst auftauchst. Abgesehen davon deiner Kleidung nach zu urteilen bist du der Rezeptionist dieses Hotels, Poe. Angesichts der Schlafkleidung, die wir alle tragen sind wir höchstwahrscheinlich die Gäste, was dafür spricht, dass wir zur Tatzeit in unseren Zimmern waren. Ich zum Beispiel hab höchstwahrscheinlich geschlafen, da ich im Bett aufwachte.
Das wiederum bedeutet, dass du der Einzige bist, der sich hier in den letzten Minuten frei bewegt hat. Denn auch wenn du im Hotel wohnst, hast du gerade Dienst. Du hättest von der Rezeption aus den Schuss selbst mit Schalldämpfer gehört im Gegensatz zu den Gästen. Noch dazu wäre dir der Täter beim Verstecken der Waffe über den Weg gelaufen."
"Das wars?", fragte Akutagawa. "Das war das unlösbare Rätsel?" Die Anderen konnten sich schwer vorstellen, dass das das unlösbare Rätsel war. Schließlich waren sie noch hier. Der Fall konnte noch nicht vollständig gelöst sein, worauf Dazai den weltbesten Detektiv hinwies: "Das kann aber gewiss noch nicht alles sein. Was war das Motiv des Täters?"
"Das Motiv des Täters-", setzte Ranpo an, bereit wieder in seinen unendlichen Redefluss zurückzukehren, als er stockte. Seine Augen weiteten sich und seine Hände begannen zu zittern. Er kannte das Motiv des fiktiven Täters nicht und er bekam Schnappatmung. Er verstand. Die Hauptfrage dieses Falles war nicht das 'Wer' sondern das 'Warum'. Solange dies der Hauptplot dieses Falles war, und er das Motiv nicht verkündete, kämen sie hier nicht heraus. Auf das Motiv gab es keinerlei Anzeichen. Das machte den Fall so knifflig und außergewöhnlich.
"Das ist nicht alles", erklärte Dazai, "solange wir das Motiv nicht kennen, wissen wir nicht, ob er nicht vielleicht einen Mitverschwörer hatte. Wir wissen, dass Poe als Einziger die Gelegenheit hatte und somit die Tat ausführte, doch wenn er sich mit jemand anderem das Motiv teilte, könnte es einen Mittäter geben."
Da hatte er recht. Es war absolut ungewöhnlich, dass das Motiv die Haupthandlung eines Falles war. "Aber der Depp", polterte Chuuya, "hat es doch einfach zum Ziel dich mit diesem Fall herauszufordern."
"Das zählt hier nicht", erwiderte Dazai. "Der Rezeptionist muss eine echte Intention gehabt haben, die Ärztin zu töten. Wenn er ein Komplizen hat bedeutet das was, Atsushi?" Der Menschentiger schluckte nachdenklich. Kurz darauf merkte er, worauf er hinauswollte: "Jeder von uns könnte ein Komplize oder Auftraggeber sein." Genervt schlug Ranpo die Hände überm Kopf zusammen. Jetzt musste er wohl oder übel doch Befragungen durchführen. Auch wenn er glaubte, dass ihm das nichts bringen würde, denn Keiner wusste ja, ob er die Tat begangen hatte.
"Wo seid ihr aufgewacht, als ihr in die Geschichte kamt?", fragte der leitende Detektiv. Peinlich berührt sahen sich die vier Tatverdächtigen an, ehe jeder das selbe antwortete: "Ich wachte im Bett meines Zimmers auf." Dagegen konnte Ranpo nichts sagen, schließlich war es bei ihm selbst ja nicht anders gewesen. Wie er geschlussfolgert hatte, hatten alle nur nutzlose Alibis. Nun wollte er seine Zeit kurz alleine verbringen. Allein bedeutet: Weg von allen außer Poe. Die beiden Männer saßen im Speisesaal des Hotels, sich an einem Tisch gegenüber. Die anderen waren auf ihre Zimmer zurückgekehrt.
Ranpo lag mit dem Kopf auf der Tischplatte und dachte mit Brille auf der Nase unentwegt nach. Poe beäugte seinen Rivalen mitleidig. Er hatte eigentlich gedacht, dass es sich besser anfühlen würde endlich einmal zu gewinnen, doch nun tat im der Detektiv einfach nur leid. "Höhr mal", versuchte er ihn aufzumuntern, "wenn du dir die Zimmer ansiehst, findest du bestimmt einen Hinweis." Ranpo sah auf und stützte sich mit den Ellenbogen auf dem Tisch ab. "Ich will nicht mehr, ich gebe den Fall auf. Los sag, warum hast du sie umgebracht?" Der Autor lächelte liebevoll und deutete ihm aufzustehen. Danach packte er seinen Freund am Oberarm und zog ihn in den Hotelflur zu den Zimmern. Er öffnete die erste Tür. Ein Einzelbett, ein kleiner Schrank, ein Tisch, ein Stuhl und ein Teppich. Auf dem gemachten Bett saß Akutagawa mit finsterer Miene und warf ihnen einen Todesblick zu. Mit einem Nicken von Ranpo machten sie sich auf den Weg ins nächste Zimmer. Es war Atsushis. Dieser saß in dem Stuhl und sah aus dem Fenster, doch Ranpo fiel sofort auf, dass das Bett nicht gemacht war und er hatte einen Geistesblitz.
"Ich will die anderen Zimmer sehen", verkündete er und eilte ins nächste Zimmer. Chuuya saß auf dem gemachten Bett. Das Zimmer war wieder identisch. "Ein gemachtes Bett bemerkte der Detektiv." Der Autor lächelte zustimmend. Ihm war klar, dass Ranpo auf der richtigen Spur war und doch wusste er, dass der Meisterdetektiv das Rätsel nicht lösen würde. In Dazais Zimmer war das Bett nicht gemacht und er saß darauf. Diese Anhaltspunkte reichten dem Genie. "Poe, trommle die anderen zusammen. Wir treffen uns bei der Leiche."
Fünf Minuten später standen die sechs Männer wieder vor der Leiche. Während die Detektive eher erleichtert über Ranpos Rehabilitation wirkten, sahen die Mafia Mitglieder ziemlich finster drein. "Ihr habt mich alle angelogen", verkündete der leitende Ermittler. Atsushi sah schuldig aus. Dazai hingegen lächelte wissend und die anderen beiden blickten nun noch finsterer drein. "Durch den Tipp mit den Zimmern -Danke Poe, sind mir die gemachten Betten aufgefallen. Eure, im Vergleich zu meinem, sehr mickrigen Zimmer hatten ein Einzelbett. Zwei waren gemacht, zwei nicht. Es ist offiziell Schlafenszeit und doch waren zwei Betten unbenutzt." Sein Freund grinste breit und erfreute sich an Ranpos Super-Detektion. "Chuuya und Akutagawa sind nicht in ihren eigenen Zimmern aufgewacht", fuhr Ranpo fort, "sondern in den Zimmern von Atsushi und Dazai. Dann noch die Tatsache, dass Atsushi nicht auf seinem Bett sitzen wollte. Ihr wachtet auf in einer Lage aus der hervor ging, dass ihr gerade Sex hattet, habe ich recht?"
Die Ertappten schauten zu Boden außer Dazai, der versaut grinste. "Ihr konntet euch nicht daran erinnern und doch war es offensichtlich. Vergleichbar mit einem One Night Stand, wenn man betrunken war. Ihr habt euch so sehr geschämt, dass ihr weder euch selbst noch eure Partner entlasten wolltet. Euren Gesichtern zu Folge Atsushi mit Akutagawa und Dazai mit Chuuya, stimmt's oder hab ich recht."
Die Frage war vollkommen überflüssig, denn es war eindeutig. Der Meisterdetektiv warf seinem Freund einen Blick zu, um auf einen zustimmenden Gesichtsausdruck zu treffen. "Ihr habt mich alle behindert", motzte Ranpo. "Keiner von euch hatte etwas mit dem Opfer oder dem Rezeptionist zu tun, denn ihr hattet einander. Vermutlich seit ihr in euren Rollen verheiratete Männer, die sich in einem kleinen Hotel mit ihren Liebhabern trafen. Keiner von euch ist Poes Komplize und sofern ich es nicht bin . . . . habe ich immer noch keine Ahnung vom Motiv des Täters."
Ausgelaugt setzte sich Ranpo auf seinen Hosenboden neben die Leiche und sah sie noch einmal genau an. Er hatte immer noch keine Ahnung und war verzweifelter denn je. Er legte sich in Embryostellung auf den Boden und maulte traurig vor sich hin. Die anderen sahen teils mitfühlend teils auch verachtend auf ihn herab. Keiner käme hier heraus, würde die Lösung nicht verkündet. "Ok, jetzt reichts", rief Chuuya. Er packte den Autor am Kragen und schüttelte ihn. "Jetzt verkünde endlich dein Motiv, du ekelhafter Gildenfreak!" Dazai und Atsushi zogen ihn weg. Poe drückte den Rücken durch, bevor er in die Knie ging, um seinen Rivalen vom Boden aufzukratzen. Mit anderen Worten: Er nahm ihn, wie ein Kleinkind auf den Arm und setzte ihn auf seine Füße. "Das werde ich", keuchte der Autor unter Ranpos Gewicht, "aber lasst es mich erst Ranpo unter vier Augen erklären." Er nahm die Hand seines Freundes und zog ihn zurück ins Esszimmer.
Das erste Mal in seinem Leben musste sich Yokohamas bester Detektiv geschlagen geben und sich eingestehen das Poe es endlich geschafft hatte, doch in diesem Moment interessierte ihn das nicht wirklich. Er war gespannt die Lösung vor den anderen zu erfahren. Sie setzten sich gegenüber voneinander hin. Poe legte seine Hand auf Ranpos, welche auf dem Tisch lag. "Ich hab mir sehr lange überlegt, wie ich das hier machen will", begann der Autor. "Dir intellektuell einmal überlegen zu sein, war diesmal nicht meine Intention." Fragend sah ihn sein Freund an. Wollte er ihn nicht über den Fall aufklären? "Tut mir leid, ich fass mich kurz. .."
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Das perfekte Rätsel (Ranpoe)
FanfictionEin unlösbarer Fall aus Poes Romanraum stellt Ranpo auf die Probe. Doch hinter dem mysteriösen, fiktiven Mord hat der Autor eine ganz andere Intention versteckt. Hat es eventuell etwas mit seinen Gefühlen zu tun? Ein kleiner Kriminalfall in einer L...