Kapitel 18 - Rausch der Dunkelheit

33 1 0
                                    

18

Sie war bar jeder Gefühlsregung, während sie versuchte, das eben gehörte zu verarbeiten.

Ich kenne den Mörder deines Bruders...

Wie ein wild gewordener Ping-Pong rotierte dieser Satz in ihrem angeschlagenen Kopf herum, als versuche er mit aller Macht aus ihm hinauszubrechen.
Dieser eine Satz, fegte jedweden anderen Gedanken oder logische Erklärung aus ihrem malträtierten Verstand.
Es war, als rauschte ihr Blut mit neu erwachter Kraft in ihren klingenden Ohren und zwang sie jede Leugnung, die dem eben gesagten hätte folgen können, gnadenlos zu überhören, so laut sie auch in die endlose Nacht gebrüllt werden würde.
Doch sie brauchte es von niemanden hören. Denn nur einen Bruchteil später begannen ihre Jäger Instinkte sich durch ihre wirren Gedanken Bahn zu brechen und sie trotz ihres fragilen Zustandes, die Situation zu hinterfragen.
Wie konnte er wissen, das dieser jemand, den er kannte, gerade ihren Bruder auf dem Gewissen hatte?
Der Angriff war erst wenige Stunden her. Nicht mal ihre eigene Familie wusste von seinem Tod, dachte Jane schmerzerfüllt. Dieses Wissen zerrte mit schweren Klauen an ihrem Inneren. Sie hatte noch nicht den Mut aufbringen können, ihrem Vater, geschweige den ihrer Mutter mit in den finsteren Albtraum, der dieses belastende Wissen mit sich ziehen würde, mitzureißen. Besonders nicht, wenn sie irgendwann das aller Schlimmste aus dieser grausamen Nacht erfahren würden...
Wie also könnte ein völlig Fremder, noch dazu ein verdammtes Schattenwesen, darüber Bescheid wissen?
Doch die allzu starke Hoffnung auf blutige Rache, ließ sie nichts davon aussprechen, sondern sie nur stumm in sein Gesicht starren, während ihre Haut unter seinem festen Griff weiterhin auf diese vollkommen Neue Art und Weise loderte und die drückende Gewalt seiner tosenden Aura abzuschwächen schien.
Während sie die abschreckende Erkenntnis zu verdrängen suchte, das die Dauer seines Körperkontaktes wiederholt keimende Samen heilender Energie unter ihr abgewetztes Fleisch säte, hielt sie seinem harten Blick stand und suchte nach jedem noch so winzigen Beweis einer heimtückischen List.
Jedem möglichen Anzeichen einer trügerischen Falle, in die er sie, aus reiner Verachtung gegen die Jäger im allgemeinen, stürzen lassen wollte.
Der wartende und unerwartet geduldige Blick jedoch, der ihr aus seinen haftenden Augen entgegenschlug, ließ keine Zweifel offen.
Er sagte die Wahrheit.
Oder das, versuchte Jane krampfhaft ihre aufkeimende Aufregung niederzuringen, was er für die Wahrheit zu halten glaubte.
Doch was es auch war, Jane wusste schon jetzt, das dieses Monster, dessen greifbare Arroganz und schwelende Überheblichkeit, die sie bis in jede Faser ihres Wesens spüren konnte, sie nicht ohne einen hohen Preis an diesem, für Jane so unschätzbaren Wert an Wissen teilhaben lassen würde.

Sie wusste nicht, was er von ihr verlangen oder was er der Meinung war, das sie ihm hätte im Gegenzug geben können.
Doch ihr war klar, das sie nur diese Chance auf einen Handel mit ihm haben würde, bei dem sie nicht nur als Verliererin herauskam.
Auch wenn sie zu 100 Prozent, bei diesem Deal mit dem Teufel den absolut Kürzeren ziehen würde, war sie nicht so dumm zu glauben, das er ihr zweimal einen-als so fragwürdig sich dieser auch herausstellen würde- Austausch anbieten würde.
Ihr Instinkt als Jägerin flüsterte ihr auf beinahe unheimliche Weise zu, das, wenn sie sich jetzt nur aus purer Verachtung dieser grotesken Monster gegenüber, weigern sollte, auf ein Abkommen einzugehen, er seine Antworten bekommen würde. Sie aber niemals ihre.

Er war ein Schattenwesen, sie eine Jägerin. Zwischen diesen beiden Spezies gab es keine zweiten Gelegenheiten.
Entweder würde sie jetzt bis zu ihrem Tot kämpfen müssen oder...
Sie musste den aufkeimenden Würgereiz, der sich allein bei dem Gedanken an das folgende in ihrem Inneren auszubreiten drohte, mit letzter Kraft aus ihrem Körper vertreiben, bevor sie diesen Satz auch nur beenden konnte.
Sie schluckte schwer und rang mit der ätzenden Übelkeit in ihrem Magen, als sie sich über ihren nächsten Schritt klar wurde. Der sie zweifelsohne zu einem Handeln treiben konnte, das sie bis zu ihrem Tod bereuen würde.
Noch während Hass und Logik hinter ihren pochenden Schläfen miteinander rangen und eine unerbittliche und zu gleich stumme Schlacht mit einander fochten, wusste Jane bereits wer als Sieger aus dieser Schlacht hervorgehen würde...
In diesem Augenblick konnte sie weder ihren Stolz noch ihren waghalsigen Impuls, jedes Schattenwesen dieser Welt zu vernichten, die Oberhand gewinnen lassen.
Nicht, wenn es in diesem Kampf um einen solchen Eisatz ging.

Red Death - der rote TodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt