3. Dezember - Jay

54 12 2
                                    

"Jay? Alles gut?"

"Was? Ach so, äh, ja.", erwache ich aus meinem Tagtraum. Ich gestehe es mir nicht gerne ein, aber ich habe an Mattis gedacht. Ich würde mich so gerne mal privat mit ihm treffen und ihn so besser kennenlernen. Ob ich fragen soll? Oder ist das komisch?

"Also?" Ben stöhnt. Ich telefoniere seit ein paar Minuten mit ihm, aber auch er scheint gemerkt zu haben, dass ich nicht so ganz anwesend bin. 

"Äh, was?"

"Hör mal auf, die ganze Zeit an deinen Mattis zu denken. Wir müssen noch Französisch bis morgen fertig machen!", erwidert er. Ups, stimmt. Unser Referat über die Bretagne, eine Region in Frankreich. 

"Ich denke nicht an MEINEN Mattis. Ich kenne ihn nicht einmal!"

"Ja. Und das macht die Sache auch nicht besser. Wir müssen jetzt erstmal Französisch machen okay. Danach erzählst du mir mal von ihm." Ich höre das Grinsen ganz genau aus Bens Stimme raus. 

Auch wenn ich Französisch nicht wirklich mag, freue ich mich, mit Ben zu telefonieren. Ich stehe nicht auf ihn oder so, zumindest nicht mehr, aber er ist ein sehr guter Freund von mir. Okay, ja, ich mochte ihn mal sehr. Und wir waren auch mal zusammen, allerdings nur für eine Woche, danach hat er Schluss gemacht, wegen mentalen Problemen. Ich kann es ihm nicht verübeln, aber trotzdem hatten wir danach zwei Monate ziemlichen Streit. Inzwischen sind wir aber bessere Freunde als jemals zuvor. Es hat lange gedauert, aber ich jetzt ist er sogar einer meiner besten Freund*innen. 

Wir beginnen, unsere Präsentation für Französisch zu beenden, wobei ich jedoch nicht verhindern kann, dass meine Gedanken immer wieder abschweifen. Ja, ja, ich weiß. Eigentlich kenne ich Mattis gar nicht. Aber er ist irgendwie genau mein Typ. Und ich darf doch auch mal Jungs süß finden. 

"Okay, dann machen wir einfach zum Schluss sowas wie "Merci pour votre attention", also, "Danke für eure Aufmerksamkeit." Ich sage das dann einfach, du hast ja schon die letzte Folie. Okay?", beendet Ben das lange Gespräch über unsere Präsentation. 

"Jupp, machen wir so!", stimme ich ihm zu. 

"Okay. Dann erzähl jetzt mal!"

"Was?" Ich spüre, wie sich wieder Grinsen über meine Lippen ausbreitet. Ich weiß selbst, dass er Mattis meint.

"Du weißt genau, was ich meine. Stell dich mal nicht dümmer als du bist."

Hach, es ist doch schön, dass Ben immer so nett zu mir ist. Aber irgendwie ist es doch das, was Freund*innen ausmacht. Man hat sie unglaublich lieb, obwohl Leute von außen sagen würden, dass man sich hasst, weil man sich täglich beleidigt und fast verprügelt. Ich liebe Freundschaften. 

"Was soll ich denn sagen?" Noch immer habe ich dieses breite Grinsen auf meinen Lippen, als wäre ich total in Mattis verschossen. Du kennst ihn nicht mal, erinnere ich mich wieder. Scheiß Realität. 

"Du magst ihn sehr, oder?" Es klingt mehr wie eine Aussage, als eine Frage. 

"Vielleicht. Also, ein bisschen."

"Aha, ein bisschen. Bestimmt." Er legt eine kurze Pause ein. "Oh mein Gott, ich habe eine Idee!"

Oh nein, wenn Ben eine Idee hat, ist diese meistens zumindest für mich nicht so optimal!

"Wir spielen einfach Wahl, Wahrheit oder Pflicht am Dienstag. Und dann finde ich so heraus wie er über dich denkt.", schlägt Ben vor. An sich eine gute Idee, aber...

"Und bei Pflicht willst du dann, dass wir uns küssen. Ich kenne dich, Ben."

"Nein, ich bin nicht gemein." So lieb ich Ben auch habe, ich weiß aus Erfahrung, dass das meistens nicht so ganz stimmt. 

"Quatsch, du doch nicht." Ich kann es nicht verhindern, dass ich die Augen verdrehen muss. "Aber wenn du meinst. Dann shippe ich dich aber auch mit Isi!"

"Was? Nein! Jay! Nein, nein, nein! Bitte. Nein. Wirklich. Lass das. Nicht Isi. Nein!" Yes, ich habe genau das Richtige gesagt. Das Wort Isi hat einen fast magischen Einfluss auf Ben. Auch wenn er es nicht zugeben, sieht jede*r Blinde, dass er auf demm steht. Ich kann es verstehen. Ja, ich könnte mich niemals in Isi verlieben, schließlich stehe ich nur auf Jungs, aber trotzdem kann ich ja beurteilen, ob eine Person hübsch ist. Und Isi ist wirklich hübsch. Besonders die hellblond gefärbten Haare stehen demm echt gut. Dazu die Strähnen, die dey immer wieder anders färbt, gerade ist es mintgrün, passen perfekt zu demm. Dey ist ziemlich genau Bens Typ. 

"Ich wusste, dass ich dich damit erpressen kann." Ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen. Es ist echt süß, wie Ben immer reagiert, wenn auch nur irgendwer Isis Namen erwähnt. 

"Haha, sehr witzig.", meint Ben ironisch. "Meinst du, ich soll es demm sagen?"

"Dass du auf demm stehst? Ja! Ich wette, dey steht auch auf dich. Aber wenn du willst, kann ich ja mal nachharken." Ich grinse. 

"Ja? Machst du das wirklich? Dann harke ich bei Mattis auch mal nach."

"Deal!"

"Perfekt! Ich muss jetzt aufhören. Meine Eltern wollen irgendeinen Weihnachtsfilm gucken, wegen erster Advent."

"Oh stimmt." Ich habe total vergessen, dass heute der erste Advent ist. "Welchen Film?"

"Keine Ahnung, sollte ich das wissen?"

"Ach stimmt, du wirst wahrscheinlich eh wieder nur da sitzen und Löcher in die Luft starren, weil du die ganze Zeit daran denkst, wie wunderhübsch und toll Isi ist." Ich muss lachen, weil ich genau weiß, dass Ben mich verprügelt hätte, wenn ich das nicht am Handy gesagt hätte. 

Von Ben kommt darauf aber keine Reaktion. Er legt einfach nur auf. Reaktion genug. Trotzdem kann ich es mir nicht verkneifen, grinsend nach unten zu meinen Eltern zu laufen, wo schon der Adventskranz mit einer brennenden Kerze steht. Hach, ich liebe die Weihnachtszeit. 

Weil wir anders sind (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt