| EIGHT |

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ℳ𝒾𝓉𝒸𝒽ℯ𝓁𝓁

»Na, wie sehe ich aus?«, wollte Nick von uns wissen, während er sich auf dem runden Podest einmal im Kreis drehte.

»Fabelhaft, mein Sohn!«, ergänzte Nicks Vater Edward, ehe er einen Kräftigen Schluck von seinem Whiskey nahm. »Aus dir ist ja ein richtiger Mann geworden! Ich bin froh, dass ich mir wenigstens um dich keine Sorgen machen muss.«

Nick legte den Kopf schief, ehe er seine Stirn in Falten legte. »Was meinst du damit?«

Scheinbar wurde Edwards Zunge mit jedem weiteren Schluck lockerer.

»Na ja, was soll ich sagen? Deine kleine Schwester bereitet deinem alten Herren mittlerweile großen Kummer.«

Großen Kummer?

»Ach, um Lia brauchst du dir keine Sorgen zu machen! Sie ist taff und selbstständig. Ich kenne niemanden, der einen Tag vor seiner Abreise seine Sachen in einen winzigen Rucksack stopft und sich sein Surfbrett unter den Arm klemmt.«

»Das hat sie gemacht?«, hakte ich neugierig nach.

»Allerdings ... Meine Schwester ist sehr ... wie drücke ich das jetzt am besten aus? Spontan?«

»Unsinn!«, murrte Edward. »Sie ist störrisch und leichtsinnig ... «

»Das mag sein, aber dennoch kommt sie klar.«

»Sie hat es dir also nicht erzählt.«

»Nicht erzählt?« Nick stieg vom Podest herunter. »Was hat sie mir nicht erzählt?«

»Sollen wir euch für einen Augenblick lang alleine lassen?«, fragte Jonah, während sein Blick zwischen den beiden Hin und Her wanderte.

»Nein, schon gut. Ich habe vor euch nichts zu verbergen. Also, Dad ... klär mich bitte auf.«

»Lia war nach dem großen Unwetter in Kapstadt surfen und ...«, er wischte sich mit seiner Rückhand die feinen Schweißperlen von der Stirn, »dabei hat sie die Stärke der Wellen vollkommen unterschätzt.«

»Das passiert häufiger, Dad. Lia ist ein Profi und ...« Ich verdeutlichte Nicks mit einer händischen Geste, dass er seinen Vater ausreden lassen sollte. Irgendwie hatte ich da so eine Ahnung.

»Jedenfalls wurde sie unter Wasser gezogen und prallte mit voller Wucht gegen ein nahegelegenes Riff.«

»Wie bitte?!« Nick lockerte seine Fliege. »Und was ist dann passiert?!«

»Glücklicherweise war sie nicht allein am Strand aber ... sie wäre beinahe verblutet.«

»Daher kommt also die lange Narbe an ihrem Oberschenkel, und nicht von einem Fahrradunfall, wie sie mir zunächst am Telefon weißmachen wollte.« Nick wurde wütend. Und es tat mir von Herzen leid, ihn so sehen zu müssen. »Lasst mich raten, ... ihr wusstet davon und habt es mir verschwiegen.«

»Wir haben selbst erst davon erfahren, als es ihr bereits besser ging. Aufgrund des Sturms kamen die Anrufe des Krankenhauses nicht bei uns durch ...«

»Verdammt nochmal, Dad! Wieso zum Teufel habt ihr mir nichts gesagt!«

»Es war Lias Entscheidung, dir nichts zu erzählen.« Edward nahm abermals einen Schluck von seinem Drink.

»Seit wann interessiert es euch, was Lia will? Sonst setzt ihr euch auch immer über ihren Willen hinweg.«

»Wir hatten Angst, dass sie sich noch weiter von uns entfernen würde. Und hättest du gewusst, dass sie beinahe gestorben wäre, hättest du sie dazu gebracht, zurückzukommen.«

Ich kannte Nick schon ziemlich lange, aber leider nicht gut genug, um das beurteilen zu können. Dennoch konnte ich mich anteilig in seine Lage hineinversetzten. Auch meine Eltern hatten erst nach meiner Operation von meinem Unfall erfahren und hätten mich am liebsten in Watte gepackt, um mich künftig vor jeglichen Gefahren zu schützen.

Glücklicherweise hatten sie sich relativ schnell damit abgefunden, dass schlimme Dinge im Leben passieren können, und man nur wenig Einfluss auf sein Schicksal hatte.

»Tut mir leid, Leute ... Ich muss dringend an die frische Luft, bevor ich an der ganzen Heuchelei hier ersticke!«

Jonah ging mit Nick nach draußen, während ich versuchte, Edward Mut zuzusprechen. »Machen Sie sich keine Sorgen ... Ihr Sohn kriegt sich früher oder später wieder ein.«

»Es war ein Fehler, ausgerechnet heute damit zu kommen.«

»Wissen Sie, wenn ich eine Sache im Leben gelernt habe, dann, dass es nie den richtigen Zeitpunkt für schlechte Nachrichten gibt. Jetzt ist es raus und sie können wieder ruhig schlafen.«

»Jetzt verabscheut mich nicht nur meine Tochter, sondern auch mein Sohn.«

»Unsinn ... Ich habe Lia etwas besser kennengelernt und glaube nicht, dass sie ihre Eltern je verabscheuen könnte. Ich denke eher, dass es sich bei ihrer ablehnenden Haltung um eine Art eigenen Schutzmechanismus handeln könnte.« Ich zog an meiner Jeanshose und legte meine stählerne Prothese frei. »Glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage, dass ich so etwas Ähnliches auch schon erlebt und empfunden habe.«

Vielleicht stammt daher die Einkerbung an Lias Surfbrett ... Und die Tatsache, dass Nick ihr das Surfboard geschenkt hatte, machte es für sie umso wertvoller.

Nun verstand ich, weshalb sie bei unserer ersten Begegnung so reagiert hatte. Ich wünschte nur, dass ich es gewusst hätte, bevor ich meinen Mund aufgemacht habe.

 Ich wünschte nur, dass ich es gewusst hätte, bevor ich meinen Mund aufgemacht habe

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Wellenschlag Momente in meinem HerzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt