| FIFTEEN |

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ℒ𝒾𝒶

»Gib es zu, ... die Beinprothese stört dich.« Ich konnte nicht fassen, dass Mitchell gerade diese Karte ausspielte. »Ich bin nicht der Kerl, den man sich als Mann für die Zukunft wünscht.«

»Bist du nicht, das stimmt.« Jemand musste ihn ja mal von seinem hohen Ross herunterholen. »Das hat aber nichts mit deiner Prothese zu tun. Würdest du sie nicht andauernd erwähnen, würde sie vermutlich niemandem auffallen.«

Ihm entfuhr ein empörter Laut. »Ach so? Woran liegt es dann, dass du mich nicht auf die Hochzeit deines Bruders begleiten möchtest?«

»An deiner Art. Einerseits bist du extrem selbstbewusst, was bei den anderen schnell mal arrogant rüberkommt. Andererseits bemitleidest du dich wegen deines Schicksals selbst ... Wie bist du also wirklich drauf, Mitchell Kane? Nimm die Maske ab und zeig mir dein wahres Gesicht. Dann darfst du mich auch offiziell zur Hochzeit begleiten.«

»Es gibt keine Maske. Nicht mehr zumindest.«

Er löste sich von mir und wirkte mit einem Mal resigniert. Gott, die Stellen, an denen er mich berührt hatte, brannten noch immer wie Feuer, das sich unkontrolliert in meinem gesamten Körper ausbreitete.

»Was meinst du mit nicht mehr

»Ich bin, wie bin, Lia. Wenn ich jemanden mag, zeige ich das auch. Und wenn ich jemanden hasse, sollte man mir lieber nicht in die Quere kommen.«

»Mag sein, aber ... ich begreife noch immer nicht, wieso du so sehr darauf beharrst, mich zu dieser Hochzeit zu begleiten. Wieso du so versessen darauf bist, dass du sogar diese total überzogene Wette mit mir eingegangen bist. Wofür das alles, hm?«

Mitchell umfasste meine Oberarme und sah mir tief in die Augen. Mir stockte der Atem bei dem Gedanken, er könnte mich an Ort und Stelle küssen. Denn, wenn er das tat, würde ich vermutlich dahinschmelzen und für nichts mehr garantieren können. Ich war bereits jetzt wie Wachs in seinen Händen, auch wenn ich versuchte, mir das nicht anmerken zu lassen.

»Ist es denn so schwer zu glauben, dass ich etwas für dich empfinden könnte?« Mir entfuhr ein erstickter Laut. Der Kloß in meiner Kehle schwoll zu einem gigantischen Medizinball an, und drohte, mir die Luft abzuschnüren. »Dass mein Leben bis zu unserem Wiedersehen irgendwie keinen Sinn ergeben hatte?«

Ich drückte meine Fingernägel in meine Handinnenflächen, um dem Druck in meiner Brust standzuhalten. Rührte mich nicht von der Stelle, aus Angst, ich könnte mich mit einem Mal in Luft auflösen.

»Für mich gab es bisher nur das Surfen«, er lächelte schmal, »und als ich den Unfall hatte, gab es für mich ein neues Ziel – erneut Laufen und Surfen zu lernen. Mit meinem Schicksal umgehen zu lernen.«

Gott, ich war eine verdammte Idiotin. Wenn ich könnte, würde ich das, was ich vorhin zu ihm gesagt habe, wieder zurücknehmen. Mitchell Kane war kein selbstverliebter Arsch, der sich in Selbstmitleid suhlte und jede auch nur erdenkliche Chance nutzte, um mit seiner Geschichte eine Frau aufzureißen. Denn, wäre er wirklich so, würde er nicht so hartnäckig darauf beharren, mich als Date für Nicks Hochzeit zu gewinnen. Er würde vermutlich nichts von alledem tun.

»Niemand konnte mir bisher das geben, wonach ich mich so sehr gesehnt hatte. Aber ... seitdem ich hier bin – hier, in deiner Nähe – fühlt es sich so an, als wäre ich komplett. Es ist keine Gliedmaße, die mir fehlt, denn damit habe ich mich schon längst abgefunden.« Mitchell strich mir das Haar hinters Ohr, ehe er seine Hand an meine Wange legte und mit dem Daumen die Kontur meines Amorbogens entlangfuhr. »Was mir fehlt, ist die richtige Person an meiner Seite. Jemand, der mein Schicksal akzeptiert, sich aber nicht andauernd daran aufhängt. Jemand, der meine Ansichten teilt, leidenschaftlich gerne surft und mich zum Lachen bringt.«

Wellenschlag Momente in meinem HerzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt