XVIII

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So nahe bei Ramsgate entschloss sich Darcy, zu einem überraschenden Besuch in seinem Anwesen in Ramsgate. Ein Zusammensein mit seiner lieben Schwester Georgiana würde ihn sicherlich auf andere Gedanken bringen und die Ereignisse von Rosings vergessen machen.

So ließ Darcy am Morgen des vierten Tages in Rochester anspannen und sein Reisegepäck auf der Kutsche verstauen.

Die Reise dauerte nicht lange an- bereits am Nachmittag hatte die Kutsche das Ziel erreicht. Beglückt entstieg Fitzwilliam der Kutsche- hoffend, die Überraschung würde gelingen. Beschwingt fast nahm Fitzwilliam die wenigen Stufen zum Eingang des Hauses.

Doch Georgiana war nicht im Hause.

Wie die überrascht wirkende Dienerschaft mitteilte, hatte sich Georgiana Darcy im Schutz ihrer bestellten Gouvernante Mistress Young nach dem Mittagstisch zu einem Spaziergang aufgemacht, der die Steilküste nördlich von Ramsgate zum Ziel hatte. Miss Georgiana würde nicht vor dem Abend im Stadthaus zurückerwartet.

Der Verwalter der Ramsgate- Besitzungen und Ehemann der Gouvernante, Mister Young, erschien nun ebenfalls im Stadthaus.

Es war gerade in jenem Moment, da Fitzwilliam Darcy sich ein Pferd gesattelt hatte, um seiner Schwester- zur Überraschung- entgegen reiten zu wollen.

Mister Young schien überaus irritiert über den Besuch seines Herren in Ramgate.

„Mister Darcy, Sire. Ich bin überaus erfreut, sie hier begrüßen zu dürfen. Doch sie hätten sich ankündigen können, damit wir die Bestellungen für die Einkäufe frühzeitig hätten erhöhen können."

„Danke Mister Young. Doch machen sie sich heute keine Umstände deswegen. Was im Hause ist, wird auch mir und meinen zwei Mitreisenden genügen. Da bin ich mir sicher. Wir können alles Weitere sehr gern morgen in der Frühe besprechen. Lassen sie mir mein Zimmer in der Belle Etage herrichten und schaffen sie für meinen Kutscher und den Diener eine Schlafgelegenheit. Ich komme alsbald mit meiner Schwester und Mistress Young zurück."

„Sehr wohl, Sire. Doch wollt ihr nicht besser hier verbleiben? Im Hause? Es wäre weniger beschwerlich für Euch, nach der Reise? Ihr könntet ein wenig ausruhen.", unternahm Mister Young den Versuch, seinen Herrn im Hause zu behalten.

„Nein, Mister Young. Ich habe mich so sehr auf meine Schwester gefreut, dass ich ein Wiedersehen zu forcieren gedenke."

Schon schwang sich Mister Darcy in den Sattel des Pferdes hinauf und lenkte den Gang des Tieres zum Hofausgang auf die Straße hinaus.

Im Rückblick auf diese Situation hätte Fitzwilliam Darcy sicherlich bereits erkennen können, dass etwas nicht so angesehen werden konnte, wie es tatsächlich jedoch war.

Doch ist es einem jungen Herren von Darcys Stand nicht vorzuhalten, auf derlei kleinere Feinheiten und Sonderbarkeiten im Verhalten der Dienerschaft- und als solche sah Darcy auch in gewissem Maße die Familie Young an- nicht geachtet zu haben.

Zu selbstverständlich schienen die Bevorzugungen und Höflichkeiten, mit denen Angestellte sehr gern ihre Herrschaft verwöhnen, um sich in ein angenehmes Betrachtet-sein zu setzen oder sich Vorteile gegenüber anderen Angestellten zu verschaffen.

Im Übrigen mochte Fitzwilliam Darcy auch mehr die weniger unterwürfigen Angestellten, welche gewisse Normalität im Reden und Verhalten zeigten und sich nicht über die Maßen durch Wort oder auch Tat aufdrängten. Es muss jedoch stetige Aufmerksamkeit gegenüber der Herrschaft und deren möglichen Wünschen gegeben sein, um auch wirklich den Anspruch eines guten Bediensteten zu verdienen.

Doch letztlich erkannte Fitzwilliam Darcy nicht die feinen Vorzeichen dessen, was sich sodann ereignen würde.

Das Pferd war wohl einen Reiter noch nicht sehr lange gewohnt. Darcy musste das Tier auf der kurzen Wegstrecke der Suche oft im Zaum halten und auch zuweilen heftiger auf den Weg bestehen.

Am beliebten oberen Klippen- Plateau, wo sogar eine Terrasse für die Besucher und Reisenden angelegt war, erkannte Fitzwilliam zumindest im ersten Moment nur die Silhouette von Mistress Young am oberen Absatz der Stufen zur Klippen- Terrasse. Auch von dort hatte man einen weitläufigen Blick über den Kanal hinweg.

Darcy war noch nicht wahrgenommen worden, was ihm Gelegenheit gab, sich mittig des Anbindeplatzes seines Pferdes zu entledigen. Mit der klassischen Schlaufe machte er sein Tier am Anbindering fest, nachdem er abgestiegen war. Noch hielt er sich hinter dem Tier verborgen vor den Blicken der Gouvernante.

Die Überraschung würde ohne Zweifel gelingen.

Vom Anbindeplatz konnte Fitzwilliam auch bereits den Kopf seiner Schwester Georgiana sehen, die ihren Blick auf die See richtete.

Der anlandende Wind ließ ihre seitlichen feinen Locken freudig tanzen.

Wie schön, sie- so zufrieden wirkend- wiedersehen zu können.

Mistress Young stand oberhalb der Treppe. Es wirkte so, als würde die Gouvernante von dort wie eine Wache über Georgianas Wohl wachen.

So huschte Fitzwilliam Darcy näher und an Mistress Young vorbei, wobei er durch ein Vorhalten des Zeigefinger vor den Mund signalisierte, dass die Gouvernante seiner Schwester Georgiana seine Anwesenheit nicht verraten solle.

Jedoch schien die Gouvernante mehr als überrascht und erschrocken, dass Fitzwilliam Darcy wie aus dem nichts erschienen war.

Doch schien es, als hätte Georgiana Darcy auf Jemanden gewartet.

Denn als ein leichtes Knarren einer Treppendiele zur Küstenterrasse das nahe sein einer weiteren Person auf der beliebten Aussichtsplattform verriet, drehte sich Georgiana flink um.

Und ja, sie- Georgiana- war überaus überrascht.

Fast ebenso, wie Mistress Young, die oberhalb der Terrassentreppe ihren Blick suchend in das Umfeld richtete.

Und auch Georgiana sah hinauf zur Gouvernante Young- etwas zu auffällig nach Fitzwilliams Empfinden und zudem mit einer gewissen Nuance von Peinlichkeit in Wesen und Blick. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass hier nicht er sondern Jemand anderer willkommener gewesen wäre.

Da Georgiana ungewöhnlich häufig "durch ihn hindurch" zu blicken schien, gab sich Fitzwilliam Darcy nach erster Überschwänglichkeit ein wenig ernster und mit gewisser Neugierde.

"Georgiana? Freust Du dich den nicht?"

"Doch. Sicherlich." Georgiana strich sich eine Welle ihrer Haare aus dem Gesicht, die der Wind spielerisch umhergeworfen hatte.

"Sicherlich?", antwortete Darcy irritiert.

Es sind die kleinen Dinge, welche man gelegentlich eher wahrnimmt, als die wirklich offensichtlichen und großen Dinge. So schien es auch hier und jetzt für Fitzwilliam Darcy erlebbar.

Gewiss- Georgiana freute sich vollen Herzens über den überraschenden Besuch ihres Bruders. Das feste Band zwischen den Geschwistern würde durch diesen schönen Moment noch inniglicher werden- und bereichert durch diese schöne Geste, die sowohl die überraschte Georgiana erfreute als auch den Glück bringenden Fitzwilliam.

Doch was diesen Tag letztlich wirklich in Erinnerung halten sollte, dies war etwas Anderes.

Etwas, dass ebenso unvermittelt über Fitzwilliam zusammenschlug, wie eine donnergrollende Welle kalten Kanal- Wassers, getrieben von starker Strömung und angepeitscht von heraufziehenden stürmischen Winden.



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