[18] 𝐆𝐞𝐢𝐬𝐭

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MazeRunnerPotter18
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„Sehr gut gemacht, Colin", flüstert Noah dem Lockenkopf ins Ohr, welcher voller Stolz sein Abschlusszeugnis in der Hand hält. Grinsend posiert er damit, damit seine Mutter ihn aus allen möglichen Perspektiven fotografieren kann.

Noah schwebt neben ihm und schaut ihn stolz an.

Sein Colin hat es geschafft.

Kurz schaut Colin zur Seite und Noah kommt es so vor, als würde er direkt in seine Augen schauen.

„Danke", hörte er aus Richtung des Lockenkopfes. Doch das kann nicht sein. Colin kann ihn nicht sehen, schließlich hat er das die letzten zwei Jahre auch schon nicht getan.

Doch Colins grüne Augen waren auf ihn gerichtet, in seine blauen Augen.

Dann ist der Moment vorbei, Colin grinst wieder in die Kamera, so als wäre nichts gewesen. Noah bleibt an seiner Seite und grinst aus Spaß ebenfalls in die Kamera, wohlwissend, dass man ihn nie darauf sehen wird.

Etwa eine halbe Stunde später ist Colin einen Moment allein, als er eine letzte Runde durch die Schule läuft, um sich ein letztes Mal wie zu Hause zu fühlen. Das Einstein ist sein zu Hause geworden und es wird für ihn unfassbar schmerzhaft diesen Ort hinter sich zu lassen.

Noah, der ihm auf Schritt und Tritt folgt, kann zwar jederzeit wieder hierherkommen, aber er weiß mit Sicherheit, dass er an Colins Seite bleiben wird.

Plötzlich dreht sich Colin mitten auf dem Gang zu ihm um, schaut ihn wieder direkt an und hält seinen Blick auf den Geist, der vor ihm schwebt.

„Du bist hier, Noah", meint er nur und lässt Noah erschrocken die Augen aufreißen. „Du siehst mich?", fragt er verwirrt und sieht zu wie Colin stumm nickt. „Ich sehe dich schon die ganze Zeit", antwortet Colin, so als wäre es die normalste Erklärung. „Warum hast du mir das nie gesagt?", fragt Noah weiter nach. „Ich hatte Angst. Noah, du bist ein Geist und ich ein Mensch. Und trotzdem sehe ich dich, auch wenn du schon gegangen bist".

Noah versteht seinen Freund. Er hätte auch Angst, würde davor weglaufen.

„Ich bin trotzdem froh, dass du immer bei mir warst", sagt Colin dann, als Noah ihm nicht antwortet, grinsend. „Du hast mir meine Französischnote gerettet", gibt er zu. Noah macht eine vornehme Verbeugung. „Immer wieder gerne, das ist schließlich meine Aufgabe. Ich bin dein Schutzengel".

„Danke".

Beide schweigen.

„Manchmal wünschte ich trotzdem, du wärst noch hier", meint Colin irgendwann leise.

Am 18.September kommt ein Jugendlicher beim CSD in Erfurt zum Tod. Der 16-Jährige Noah Temel, ein Schüler des Albert-Einstein-Internats, wurde von drei betrunken Männer totgeschlagen.

Er verstarb noch an der Unfallstelle.

Der Junge war mit seinem festen Freund, Colin Thewes (16), in der bunten Parade, als er plötzlich von einem Mann zur Seite gezogen wurde und eine Faust in die rechte Gesichtshälfte geschlagen bekam. Zwei weitere Männer kamen dazu und schlugen in seine Magengrube, Brust und Gesicht. Colin hat versucht zu helfen, wurde allerdings von einem weiteren Komplizen der drei Männer zurückgehalten. Die Polizei wurde verständigt, kam allerdings zu spät.

Die Männer hatten Noah schon totgeschlagen und sind abgehauen. Augenzeugen berichten von großen, stämmigen Männern mittleren Alters.

Die Polizei hat bereits einen gefunden, der Prozess wird eingeleitet. Es gab keine weiteren Verletzten.

Nach dem Verschwinden der Männer starb Noah in den Armen Colins.

Ruhe in Frieden, Noah Temel.

„So hättest du nie gehen sollen".

„Ich hätte mir auch einen spannenderen Tod vorstellen können. Aber homophobe Arschlöcher gibt es immer und überall. Ich bin froh, dass es nicht du warst. Du bist geboren, um zu leben. Du wirst irgendwann jemanden finden, einen Haufen Babys haben und ganz alt werden. Und dann, wenn die Zeit gekommen ist, können wir zusammen weg. irgendwohin, wo man keine Wolken sieht und die Sonne nur wie einer der tausend anderen Sterne erscheint".

„Das klingt wirklich schön. Aber bleibst du bis dahin bei mir?" „Ich werde immer bei dir sein, das verspreche ich dir". Colin hätte Noah am liebsten umarmt, geküsst, überall berührt. Aber einen Geist kann man nicht berühren, eigentlich sollte er ihn nicht sehen.

Und trotzdem tut er es.

Noah ist sein Seelenverwandter, das ist der Beweis. Auch wenn Noah tot ist, verschwindet er nicht aus Colins Blick, er wird für immer da sein, für immer sein Noah sein.

𝐂𝐇𝐑𝐈𝐒𝐓𝐌𝐀𝐒 𝐓𝐈𝐌𝐄 ⁿᵒˡⁱⁿ ᵒⁿᵉˢʰᵒᵗˢWo Geschichten leben. Entdecke jetzt