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»Mrs. Wellenstein meinte, es wäre einen Versuch wert.« Nervös spanne ich das Laken über die Ecke der Matratze. Seit Tagen schiebe ich dieses Gespräch jetzt schon vor mir her. Und eigentlich ist das hier auch kein richtiges Gespräch. Ich meine, Tom räumt im Ankleidezimmer die gewaschene Kleidung weg und ich überziehe nebenan unser Bett. Doch ich brauche diese Distanz, um den Mut hierfür zu haben. »Aber ich verstehe, wenn du lieber ...«

Leider hatte ich nicht den Mut, ihm das zu sagen, weswegen er nun vor mir steht. »Ich habe nichts dagegen, wenn du das auch willst.«

Das mit dem Wollen ist so eine Sache. Mrs Wellenstein meinte zwar auch, dass es wichtig für mich ist, meine Wünsche zu äußern. Aber genau da liegt das Problem. Ich bin weder wichtig noch ist es fair, Tom irgendwas aufzudrücken, von dem ich noch nicht mal weiß, ob es mir guttut. Tatsache ist, dass diese schönen Erinnerungen mir mehr zusetzen, als die schlechten. So bescheuert sich das auch anhören mag.

»Vielleicht lassen wir das doch lieber. Du musst wegen mir jetzt nicht alles unkrempeln und außerdem ...«

Mein Redeschwall wird von seinem Zeigefinger unterbrochen, den er sanft auf meinen Mund legt. »Ich freue darauf, eure Traditionen kennenzulernen.«

»Wirklich?«

»Wirklich.« Er nimmt mir das Spannbetttuch aus der Hand, lässt es auf den Boden fallen, setzt sich auf die blanke Matratze und klopft neben sich. »Erzähl mir etwas darüber.«

Ich bin mir nicht sicher, ob das so eine gute Idee ist, obwohl mir beim Gedanken an Vienetta ganz warm ums Herz wird. »Aber das Bett. Wir sollten ...«

»Das hat Zeit bis später.«

»Und was ist, wenn die Matratze schmutzig wird?« Es ist eine von zig lahmen Ausreden, die ich jedes Mal verwende, wenn ich mich einer Sache nicht stellen will.

Tom lacht. »Nur, weil wir hier sitzen?«

Er hat recht. Mrs. Wellenstein hat recht. Ich muss mich dem stellen. Tom hat ein Recht darauf, etwas über mich zu erfahren. Immerhin freue ich mich auch darüber, wenn er mir etwas von den Treffen mit Charlotte erzählt.

Also lasse ich mich langsam neben ihn sinken. »Wir ... haben nie etwas besonderes gemacht, wie uns schick anziehen oder in die Kirche gehen.«

Tom, dem nicht entgeht, wie schwer ich mich tue, will mir auf die Sprünge helfen. »Was gab es zu essen?«

»Lasagne.«

Ein Lächeln huscht über seine Lippen. »Die liebst du.«

»Ja«, flüstere ich zurück, während ich meine Hände knete, um meinen Fingern etwas zu tun zu geben.

»Und gab es auch Nachtisch?«

Ich nicke. »Vienetta«, antworte ich und kann spüren wie die Komposition aus Vanille und dunkler Schokolade in meinem Mund schmelzt.

»Was ist das?«

Stimmt. Das kennt er ja gar nicht. »Eis. Höchstwahrscheinlich voll mit Zucker, aber super lecker«, schwärme ich und sehe, wie er zu seinem Handy greift. »Was tust du?«

»Ich gucke, ob man das hier auch bekommt.«

»Wozu? Außerdem gibt es das bestimmt nur in Deutschland.« Zumindest ist es mir hier im Supermarkt noch nie aufgefallen.

»Ein Glück, dass es das Internet gibt«, wirft er noch immer in sein Handy vertieft ein. »Ah ... da haben wir es ja. Das hier?« Er hält mir sein Telefon hin, auf dem ich tatsächlich eine blau-weiße Verpackung entdecke. Ich bin im Himmel! Wie lange habe ich das schon nicht mehr gegessen?

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