16 | E M M A

77 15 11
                                    

Ich glaube, ich habe ich mich noch nie in meinem Leben so miserabel und so gut gefühlt. Er ist geblieben. Tom. Ist. Geblieben.

Wie ein Matra sage mir diesen Satz, während ich uns im Spiegel anschaue. Nackt. Ich weiß nicht, wieso er nicht schreiend weggelaufen ist, aber ich danke ihm dafür, dass er immer noch hier steht. Ohne das leiseste Anzeichen von Würgereiz oder Ekel. Dennoch fasse ich diesem Moment einen Entschluss. Es ist eine Sache, zu wissen, dass es ihn nicht stört, aber eine andere, dass ich mich in diesem Körper einfach nicht wohlfühle. Dann bin ich eben oberflächlich. Wer ist das nicht? Gut. Ich hasse Sport. Aber vielleicht finde ich etwas, das mir Spaß macht. Auch wenn ich mir im Klaren darüber bin, dass ich keine Modelfigur mehr bekommen werde, aber ich will zumindest versuchen, etwas zu ändern. Für mich ganz allein.

»Ich weiß, das ist jetzt schrecklich unpassend«, setze ich an und löse mich von Tom. »Aber du sagtest etwas von einer Überraschung. War es das?«

»Nö. Das hier war eher spontan.« Obwohl er sich bemüht cool zu klingen und grinst, merke ich, wie sich seine Muskeln anspannen. Einer der Vorteile, wenn ein perfekter Körper vor dir steht.

»Darf ich sie sehen?«, hake ich vorsichtig mit einer Portion Neugier nach. Was er sich wohl ausgedacht hat? Es muss etwas Großartiges sein, wenn er so ein großes Geheimnis darum macht. Ich sehe mich nach meinem Kimono um, den ich eben in meinem Tobsuchtsanfall in die Ecke gepfeffert habe, entscheide mich aber dann für etwas Bequemes und gehe ins Ankleidezimmer. »Ich ... werfe nur schnell etwas über«, erkläre ich, woraufhin er nickt und ebenfalls seine Klamotten auf dem Boden sucht.

Schnell ziehe ich mir eine Pyjamahose und ein Shirt aus dem Schrank und gehe zurück ins Schlafzimmer, wo zu meiner Enttäuschung kein Päckchen auf mich wartet.

Tom steht ebenfalls angezogen vor der Kommode. Ob es da drin ist? »Setz dich ... aufs Bett und mach die Augen zu.«

Lächelnd folge ich seiner Aufforderung, komme aber nicht umhin, ihn zu fragen, ob es noch lange dauert, während ich höre, dass er tatsächlich die Schublade der Kommode öffnet.

»Sei nicht immer so ungeduldig«, tadelt er mich lachend.

»Dann mach du es nicht so spannend«, kontere ich und spüre kurz darauf etwas Flaches Eckiges in meinen Händen. Fühlt sich an wie ein Buch. »Was ist das?« Eigentlich war die Frage mehr an mich selbst gerichtet, doch Tom antwortet trotzdem.

»Mach die Augen auf und guck nach. Es sei denn, du willst noch 'ne Runde blinde Kuh spielen.«

»Haha. Sehr witzig«, gebe ich zurück und hebe die Lider. Das helle Deckenlicht brennt zwar kurz in meinen Augen, sodass ich blinzeln muss, aber ich erkenne schnell, dass ich recht habe. Wobei es für ein Taschenbuch zu groß ist. Und irgendwie auch zu flach. Ehe ich das Geheimnis lüfte, amüsiere ich mich allerdings erstmal über die Geschenkverpackung. Das war also das, was sich so glatt angefühlt hat. Und ich dachte schon, er hätte es in diese durchsichtige Geschenkfolie einpacken lassen. Ein Blick auf die Unmengen an Klebefilm, die beim Einpacken draufgegangen sein müssen, zeigt mir, dass er das selbst eingepackt hat.

»Was?«, fragt Tom, der sich neben mich gesetzt hat mit diesem beleidigten Unterton, der ihn klingen lässt wie ein trotzigen Jungen.

»Nichts.« Schmunzelnd suche ich einen Anfang, um endlich einen Blick auf den Inhalt erhaschen zu können. Am liebsten würde ich das Papier mit den Schneemännern drauf einfach zerreißen, doch er hat wirklich nicht eine Ecke frei gelassen. »Wie viele Rollen hast du bitte dafür gebraucht?«, frage ich immer noch amüsiert.

»Äh ...« Tom reibt sich über den Nacken. »Vielleicht zwei ... oder drei?«

Ja, so sieht es auch aus.

Where Joy finds a homeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt