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»Geh ran«, flehe ich leise, während im Hintergrund Last Christmas aus den Boxen dröhnt. Ich hasse dieses Lied! Ich hasse Weihnachten und am meisten verfluche ich immer noch Tom. Wie kommt er bitte auf so eine Idee? Und wieso musste ich dumme Nuss ihn überhaupt fragen, was er sich zu Weihnachten wünscht. Ablenkung war der Plan und jetzt? Stehe ich in diesem nachtblauen Hauch von nichts in diesem engen Raum.

Während das unheilvolle Tuten immer noch an meine Ohren dringt und meine Hoffnung auf Rettung langsam zu Nichte macht, sehe ich nach oben. Hoffentlich haben die hier keine Kameras in den Umkleidekabinen installiert.

»Mayer?«

»Lucy! Gott sei Dank!« Ich atme erleichtert aus. »Du musst mir helfen!«

»Ganz ruhig. Wo drückt denn der Schuh?«

Wenn dann drücken eher die Stangen der Korsage, die sich langsam aber sicher in meinen Speck bohren und meine Rippen zerquetschen. Aber sollte ich tatsächlich so verrückt sein, das durchzuziehen, dann nur in etwas, das meine Problemzonen wenigstens einigermaßen verdeckt. »Ich ... brauche deinen Rat«, sage ich darum bemüht, nicht ganz so durchgeknallt zu wirken. »Aber du musst ehrlich sein.«

»Hallo?!« Sie lacht. »Wann war ich das jemals nicht?«

Eben. Genau deshalb rufe ich sie an. »Bist du ... allein?« Bei ihr weiß man das schließlich nie.

»Jap.«

So gut wie ich dazu noch in der Lage bin, atme ich tief durch. »Okay. Dann schalte ich jetzt die Kamera an. Aber du darfst nicht lachen.«

Lucy blinzelt und braucht einen Moment, um das Bild auf sich wirken zu lassen, ehe sie durch die Zähne pfeift. »Holla die Waldfee! Scharfes Teil!«

»Nicht so laut«, zische ich, während ich mich nach allen Seiten umsehe. Ich will mir gar nicht ausmalen, was die Leute denken, die darauf warten, dass die Umkleide endlich frei wird.

Belustigt zeigt sie mit dem Finger auf mich. »Hat es einen bestimmten Grund, dass du mich halbnackt anrufst und um Rat fragst?«

So leise wie möglich erzähle ich ihr von meinem Dilemma und bereue es, als sie anfängt zu glucksen.

»Donnerwetter! Und jetzt übst du schon mal die Striptease-Moves, oder was?«

»Nicht so laut, habe ich gesagt«, erinnere ich sie. »Außerdem suche ich erstmal nach einem geeigneten Outfit, bevor ich üben kann.«

»Also mit dem Fummel wird garantiert es keine stille Nacht.«

Genervt verdrehe ich die Augen. Dachte ich allen Ernstes, sie würde mir eine Hilfe sein? Sie macht es nur noch schlimmer mit ihren anzüglichen Kommentaren. Wenn ich nur daran denke, dass ich mich Tom so präsentieren soll, möchte ich am liebsten im Erdboden versinken.

»Im Ernst jetzt, Emma. Du siehst mega aus. Da wird dein Tom Ihr Kinderlein kommet mit den Eiern jodeln!«

»Lucy!«

»Was denn?«

»Also, ich muss doch sehr bitten ja?«

»Ich muss doch sehr bitten, ja«, äfft sie mich nach, ehe sie sich am anderen Ende halb totlacht.

Schöne Freundin, die sich in meiner Verzweiflung sonnt. »Also manchmal bist du echt abartig.«

»Und du bist immer noch verklemmt wie ein kaputter Reißverschluss.«

»Na schönen Dank auch«, maule ich und bekomme dafür ein liebliches »Bitte gerne« von ihr zurück. Ich sage ja: Tolle Freundin.

»Komm schon, Emma. Jetzt mach dich einfach mal locker, okay?«

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