Chapter three

9 1 13
                                    

 Nachdem ich endlich mit dem Stall fertig war, ging ich zur Bücherei. Meine Stimmung war im Keller. 
Finn hatte mich begleitet und ein bisschen geholfen, aber hauptsächlich dabei gesessen und mit mir geredet. Irgendwann hatte ich ihn gefragt, was zuvor in der Klasse mit diesem Clarke war. 
"Nichts." hatte er geantwortet. Danach war er stiller gewesen und hat nur noch knapp auf meine Fragen geantwortet, als ich das Thema gewechselt hatte. Ich wollte ihn nicht bedrängen, aber ich verstand nicht, warum er mir nicht sagen wollte was los war, und wieso er und Jonas plötzlich Geheimnisse vor mir hatten. Ich hatte immer gedacht ich wüsste alles über sie. Auf einmal ausgeschlossen zu werden, selbst von den beiden, das verkraftete ich nicht. Genervt rollte ich über mich selbst die Augen. 

Auf dem Weg zur Bibliothek, den meine Füße mittlerweile automatisch gingen, versuchte ich herauszufinden was los war. Finn und Jonas waren früher in ihrem Dorf zur Schule gegangen. Ich war mir jedoch ziemlich sicher, dass es ein Calidi Dorf gewesen war, und dort gab es keine Frostis. Also konnte es wohl eher keine unangenehme Schulerfahrung gewesen sein, wegen der sie Clarke nicht leiden konnten. Außerdem hatten sie mir immer alles erzählt, und nur bei einem Thema wurden sie ab und zu schweigsam. 

Es gab Gerüchte um ihre Familie. Angeblich hatten die beiden abgesehen von ihrer kleinen Schwester noch einen Bruder, der kein Calidi war. Wenn ich sie darauf angesprochen hatte, hatten sie immer einfach nur einen Blick ausgetauscht und dann das Thema gewechselt, deshalb war es durchaus möglich, dass diese Gerüchte stimmten. Wenn das der Fall war, war es kein Wunder, dass die Familie es geheim halten wollte. Solche Vorfälle gab es nur selten, und sie waren immer schlecht für die Familie. Calidi und Frigus durften sich nicht mischen. Ein Frigus in einer Familie aus Calidi war ein Verbot. Das Kind wurde ihnen meistens weggenommen, wenn sie es nicht freiwillig weggaben. Der Ruf der Familie wurde durch so etwas beschmutzt. Trotzdem fand ich, sie könnten es mir sagen. 

So wie sie Clarke also angesehen hatten, war es durchaus möglich, dass er ihr Bruder war. Das würde erklären warum er mir so bekannt vorgekommen war. Das würde auch passen, angesichts der Gerüchte, in denen der Bruder von meinen Freunden hier auf der Schule sein sollte. Das hatte ich nie geglaubt, weil Jonas und Finn nie mit einem Frigus geredet hatten, aber wenn sie ihn so böse ansahen, konnte es durchaus sein. 

Ich wäre fast umgefallen. Irgendwie schaffte ich es gerade noch mit den Armen zu wedeln und das Gleichgewicht zu halten. Als ich runter sah, erkannte ich, dass meine Füße in Eis fest steckten. Es brannte ein wenig, aber bei meiner Körpertemperatur begann es bereits wieder zu schmelzen. Ich versuchte ein Feuer entstehen zu lassen, um den Prozess zu beschleunigen, aber nicht einmal eine kleine Flamme wollte in meiner Hand entstehen. Das Eis bildete sich erneut nach wo es schon geschmolzen gewesen war. Ich versuchte verzweifelt mich zu befreien, bis ich aufgab und mich umsah. Vor mir auf dem Gang stand niemand, aber ich konnte mich nicht ganz umdrehen, und war ziemlich sicher das die Verantwortlichen genau dort standen. 

Schritte kamen jetzt näher und bestätigten meinen Verdacht. 
"Der kleine Feuerleger also." Eine Frigus kam rechts an mir vorbei und musterte mich. Sie hatte dunkle geflochtene Haare und sah mich mit einem fiesen Lächeln an. Ich erkannte sie von der Gruppe wieder, mit der Clarke im Unterricht gelacht hatte, und sie war genau wie ich ein Jahr älter als die meisten unseres Jahres, weil wir wiederholt hatten. Mit ihr hatte ich also genauso viel Zeit verbracht wie mit meinem Lieblingslehrer und Finn und Jonas. Und die Erfahrungen mit ihr waren keine guten. Sie hatte an der Schule außerdem einen gewissen Ruf, wie ich glaubte. Sie hieß Kimberly, aber einige nannten sie auch Amber. Hinter ihr kam Olivia Bradson zum Vorschein, ebenfalls Frigus und hauptsächlich bekannt, weil allen wenn sie in der Nähe war ein kalter Schauer über den Rücken zu laufen schien. Auch ich hatte da Erfahrung mit gemacht. Sie hatte nicht wiederholt und würde dieses Jahr wie mein kleiner Bruder das erste Mal die Prüfungen ablegen. Die beiden blieben vor mir stehen und ich versuchte nur stärker mich aus dem Eis zu befreien, aber immer wenn es anfing zu schmelzen, bildete es sich neu. 

"Was wollt ihr?" 
"Weiß nicht. Liv, was wollen wir?", fragte Kimberly, ohne das fiese Grinsen zu verlieren. Ich zerrte an meinen Füßen, aber es half nichts. Konnte ich um Hilfe rufen? Jonas schlief vermutlich schon fast, und die Zimmer der Calidi waren weit entfernt, genauso wie die der Lehrrkräfte. Eigentlich war sowieso niemand mehr um die Uhrzeit unterwegs. 

Ich hatte es nicht geschafft mich gegen ein paar Drittklässler zu verteidigen, obwohl ich nicht allein gewesen war, und diese beiden aus unserem Jahrgang spielten definitiv auf einem anderen Level. Vermutlich waren sie nicht mal allein, ich hatte nämlich das ungute Gefühl, hinter mir stand noch jemand. 

"Wir wollen ihm zeigen, dass man sich nicht mit uns anlegt." 
"Ich habe mich nie mit euch angelegt", protestierte ich. 
"Aber deine Freunde haben Lucas angestarrt als hätte er was getan, und das können wir nicht so stehen lassen.", erwiderte Kimberly. 
"Lucas?", fragte ich verwirrt. 
"Lucas Clarke. Er hat unseren Lehrer gelöscht nachdem du Idiot ihn in Brand gesetzt hast."
"Und was kann ich dafür, dass meine Freunde ihn blöd angucken? Ich weiß doch selber nicht warum." 
"Aber du bist ein leichtes Opfer und uns nun mal gerade über den Weg gelaufen. Deine Freunde sind ja eher als Überflieger bekannt, während du trotz wiederholtem Jahr nicht einmal ein Feuer entstehen lassen kannst, wenn du es willst." 

Ich verzog das Gesicht. Ich hatte angefangen mit dem Überflieger Ding, weil Jonas im wahrsten Sinne des Wortes einer war. Die Kategorie der Brüder teilte sich in zwei weitere Bereiche, einmal das Entflammen, und einmal das fliegen, das durch Hitze zustande gebracht wird. Mein bester Freund ist der beste des Jahrgangs in letzterem. 

"Also habt ihr Angst meine Freunde würdet ihr nicht packen und nehmt stattdessen zu zweit mich. Findet ihr das nicht ein bisschen feige?" Es war alles andere als schlau die beiden zu beleidigen. Aber ich hatte gelernt, dass es immer besser war nicht ängstlich zu wirken, egal wie überlegen jemand anderes war. 

"Er hat Recht.", mischte sich jemand ein. Die Stimme kam von hinter mir, und es wurde kalt als der blonde Typ an mir vorbei ging. Sein Pulli hatte das gleiche blau wie meins, wie mir auffiel, und er trug schwarzen Nagellack. 
"Außerdem findet Lucas es gar nicht witzig wenn wir seine Probleme für ihn klären. Der Typ hier hat nichts damit zu tun und kann nichts dafür was seine Freunde machen oder nicht machen." 

Ich erkannte ihn als Jason Bradson. Er war wie Kimberly mit uns sitzen geblieben und Olivias älterer Bruder. Jason war für einen Frosti immer in Ordnung gewesen, hatte aber auch nie etwas gemacht wenn die anderen jemanden überfielen wie mich gerade. Zumindest hatte es wohl nie etwas gebracht. 

"Halt die Klappe Jason." 
"Nein. Lasst ihn gehen, er kriegt nicht mal das Eis geschmolzen. Es ist schlimm genug, dass ihr das manchmal mit Viertklässlern macht, aber er kann sich null verteidigen." 
Aua. Ich war hilfloser als ein Viertklässler. 
"Ich kann mich verteidigen!" 
Die drei sahen mich kritisch an und ignorierten mich dann. 
"Also, lasst ihn einfach in Ruhe." 
"Vielleicht hast du Recht. Das macht nicht mal Spaß, wenn er sich so wenig wehrt." 

Sie drehten sich um und gingen. Ich stand mit verschränkten Armen da, und war mir nicht sicher ob es schlau wäre sie darauf hinzuweisen, dass ich immer noch in dem Eis fest steckte. Jason wedelte jedoch einmal mit der Hand, und ich stolperte erneut, als das Eis plötzlich zu Wasser zerfloss. Er sah mich fast schon mitleidig an. Ich verzog das Gesicht wieder. Müsste ich jemals gegen ihn im Kampf ohne Fähigkeiten antreten, war ich mir sicher ich würde ihn hin und wieder treffen können. Leider war Schwert- oder Messerkampf jedoch nur ein kleiner Teil der Prüfungen, und selbst wenn ich darin vielleicht sogar besser war als die meisten anderen in meinem Jahrgang - irgendetwas musste ich ja an einer Kampfschule gelernt haben, und das konnte ich wenigsten kontrollieren - war ich nun mal vorallem Eiskräften ausgeliefert. Als wäre ich ein Mensch. Einer, in einer Armee aus Natus. 

Die Fäuste geballt lief ich weiter. Auch wenn ich eigentlich in der Bibliothek hatte lernen wollen, um bei dem theoretischen Teil der Prüfungen punkten zu können, würde ich meinen Schwerpunkt nun auf etwas anderes setzen. Ich kannte alle Fähigkeitsbereiche der Calidi und die meisten Kampftechniken dieser. Aber nie hatte ich irgendetwas über Frigus gelernt.

Das würde ich jetzt ändern. 

Frozen Fire diesmal richtig (-er)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt