Das Mail

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Ich hatte Veronika seit Beginn der Pandemie nicht mehr gesehen. Es war schon länger nicht mehr gut gelaufen mit uns, die Hete in ihr drängte immer mehr in den Vordergrund, dann begann sie noch eine Torschlusspanik aufzureißen, von wegen biologischer Uhr und so und als sie dann auch noch anfing allen Ernstes von Kinderkriegen zu faseln, wusste ich, das Ding war gelaufen, und wir trennten uns als Paar.

Sie wechselte dann tatsächlich bald das Ufer. Machte mal mit diesem Typen rum, mal mit jenem, ständig auf der Suche nach Mister Right. Was für ein Schwachsinn. Wenn es eine andere Frau gewesen wäre, hätte es mich nicht so hart getroffen. Nicht mal, wenn es eine andere Domme gewesen wäre. Aber so, einfach von heute auf morgen, nach Jahren als lesbische Sub abzutreten und einen auf ganz normale Mutti zu machen, das war schon hart.

Was auch immer, wir arbeiteten noch ein halbes Jahr im gleichen Krankenhaus, ich auf der urologischen Abteilung, sie auf der Endoskopie (es hatte sie immer scharfgemacht, jemand etwas in den Hintern zu schieben, doch wollte ich mal an ihren, verkrampfte sie sich immer). Irgendwie war sie nie konsequent in ihrem Handeln. Aber zuletzt dann doch auf eine Art, die mich faszinierte und anwiderte zugleich. Sie wurde schwanger. Und heiratete. Einen Mann.

Die Schwangeren waren die ersten die sie nachhause schickten, nachdem die Infektionen nicht mehr zu kontrollieren und eine Impfung noch nicht in Sicht war. Für sie hieß das: Lockdown total. Nicht nur für ein paar Wochen. Für immer. Und während wir anderen uns in diesem weltweiten Intelligenztest namens Covid-19 weit über die physischen und psychischen Grenzen hinaus kaputt arbeiteten, und am Ende nicht mehr als ein bekacktes Klatschen am Balkon dafür bekamen, machte sie sich Sorgen um Still-BHs und Schwangerschaftsstreifen.

Als sie dann diesen Iraner heiratete, das Bäuchlein war nicht mehr zu verbergen, ging ich nicht hin. Hab Dienst, tut mir leid, Süße, alles Gute noch. Bis die Tage.

Ab und zu auf Insta dann der eine oder andere Post, ein immer dicker werdender Bauch, blaue Babywäsche von der Schwiegermutter, ein rotgesichtiges Würmchen, zum Kotzen das alles. Göttin, dachte ich, und dich hab ich mal mitten in der Nacht in der Patho gevögelt, auf dem Seziertisch, erinnerst du dich noch, und du gingst ab wie eine Bacchantin in der totalen Ekstase. Scheiß drauf und vergessen.

Mit der Zeit legte sich der Groll und dann der Schmerz. Die Phasen der Trauerarbeit nach Kübler-Ross gibt es auch, wenn eine Beziehung stirbt.

Im September voriges Jahr hatte ich immatrikuliert, ich wollte mein Lehramtsstudium wieder aufnehmen, jobbte nur mehr vier Halbtage die Woche, lernte schließlich Liz kennen und verliebte mich in dieses Gör und mein Leben begann schön langsam eine Form anzunehmen, mit der ich nicht nur konnte, sondern auch wollte.

Und dann dieses Mail von Veronika, sie sei eben zum zweiten Mal Mutter geworden und würde sich freuen mich mal wieder zu sehen, denn die Decke falle ihr schön langsam auf den Kopf in dem Häuschen, dass sie sich nahe der Grenze gebaut hatten. Irgendein Kuhdorf, in dem es wahrscheinlich noch nicht mal elektrischen Strom gab. Nein, lieber nicht.

Ich wollte eben das Mail löschen, als mir Liz von hinten die Zähne sanft in den Hals schlug, und dann bis zum Ohrläppchen leckte. Sofort lief mir die Gänsehaut über den Körper und meine Nippel wurden in Sekundenschnelle steif.

Jana und Liz - Teil 5: MuttertagWo Geschichten leben. Entdecke jetzt