Zusage

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Liz war es, die mich wieder daran erinnerte. Sie lag am Rücken, schweißüberströmt wie ich, spielte mit ihrem Plug den sie wie eine kleine Rakete durch den Raum schweben ließ, und fragte mehr sich selbst als mich: „Wer ist diese Veronika?"

„Eine ehemalige Kollegin", antwortete ich.

„Nur Kollegin?"

„Damals schon, jetzt nicht mal das. Sie arbeitet nicht mehr als Krankenschwester. Hat sich zwei Kinder machen lassen und ist jetzt hauptberuflich Mutter"

„Mutter ist ein Beruf?"

„Klar, der undankbarste und am schlechtesten bezahlte. Obwohl ihn die meisten Frauen ausüben."

„Ich weiß, haben wir auf der Uni durchgenommen."

Na fein, dachte ich mir. Was kommt jetzt? Die übliche Latte statistischer Kennzahlen, wortreicher Erklärungen und kluger Analysen? Ich konnte mit diesem pseudofeministischen Geschwätz nichts anfangen.

„Ich hatte keine Mutter", begann sie stattdessen, „nur einen Vater mit Geld, drei Nannys und zwei Stiefmütter. Und die Pinguine im Internat. Aber die waren alle super. Von den Schlampen, die Papa von Zeit zu Zeit nach Hause brachte, konnte man das nicht sagen. Die interessierten sich nur für sein Geld. Aber ich kann mich an die eh nicht erinnern, weil ich schon mit zehn ins Internat kam."

Soviel ich wusste, war Liz's Mutter knapp eine Woche nach der Geburt ihrer einzigen Tochter an einem HELLP-Syndrom, einer Schwangerschaftsvergiftung, gestorben.

„Fehlt dir deine Mama, Mäuschen?"

Ich strich ihr durch das lange braune Haar. Sie drehte sich um, so dass sie nun von meinem Bauch, auf dem sie lag, mein Gesicht sehen konnte. „Kann man etwas vermissen, das man nie hatte?" Gute Frage, mein Schatz.

„Wirst du sie besuchen?"

„Wen denn?"

„Diese Veronika."

„Hatte ich nicht vor, nein."

„Warum nicht?"

„Ich weiß nicht. Hab' einfach keine Lust dazu."

„Weil es noch weh tut?

„Ja, vielleicht auch deswegen."

„Und wenn ich dich begleite?"

„Warum solltest du das machen?"

„Damit es nicht weh tut"

„Du bist so süß, mein Schatz"

Sie kuschelte sich an meine Seite.

„Und wenn ich es gerne möchte?"

„Dass ich zu ihr fahre? Warum das denn?"

„Dass wir fahren. Dass du mich ihr vorstellst. Damit sie weiß, dass es dir gut geht, weil du jemand hast, der dich liebt."

Sie war so süß, dass es mir das Herz zerriss.

Ich bin keine gute Domme, dachte ich, wenn sie mich so schnell weichkriegte. Vielleicht sollte ich mir eine devotere Sub nehmen. Aber ich liebte dieses verzogene, schlecht erzogene, nicht erzogene, enfant terrible viel zu sehr. Sie machte mir Freude, gab mir die Stabilität, die ich so dringend brauchte, nach diesen drei Horrorjahren. Ich hoffte nur, ich ihr ebenfalls.

Also schrieb ich Veronika dann doch und sagte mein Kommen zu. Und dass ich Liz mitnehmen würde. Dem Mail folgte ein Telefonat und ein Datum als Ergebnis. Ausgerechnet am Muttertag, an dem ihr Mann, mit ihrem Erstgeborenen bei seiner Mutter in Wien sein würde. Gut so, ich hätte ihn sonst vielleicht noch kastriert.

Jana und Liz - Teil 5: MuttertagWo Geschichten leben. Entdecke jetzt