Kapitel 10

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Die laute Musik der Halloween-Party begrüßte sie wieder, als sie ihren Weg durch die Menge suchte. Ihre beste Freundin winkte ihr bereits von der Tanzfläche zu, ein breites Lächeln auf den Lippen, das in krassem Gegensatz zu dem Sturm stand, der gerade in Maggie gewütet hatte. Sie atmete tief durch, entschlossen, die Schwere ihrer Gefühle wieder hinter sich zu lassen und sich zumindest für den Rest der Nacht abzulenken. Die laute Musik, das Stroboskoplicht und die ausgelassene Stimmung der anderen Partygäste wirkten wie ein Balsam auf ihre angespannten Nerven. „Lass uns tanzen!“, rief ihre Freundin, als Maggie sich durch die tanzende Menge zu ihr durchkämpfte. Für einen Moment erlaubte sie sich, in der Musik und der Energie der Tanzfläche aufzugehen, ihre Bewegungen wurden flüssiger, und das Lächeln auf ihren Lippen fühlte sich endlich echt an. Doch selbst als sie tanzte, konnte sie den Schatten der Konversation mit ihrem Professor nicht ganz abschütteln, der wie ein unausgesprochener Vorwurf in ihrem Hinterkopf widerhallte. Trotzdem war sie entschlossen, diesen Abend zu etwas Positivem zu machen. Nachdem sie sich schwitzig getanzt hatten, bemerkte sie, wie Tracy ein kleines Tütchen aus ihrem Kostüm zog. Sie nahm eine der Pillen raus und schluckte sie herunter, als wäre es das Natürlichste der Welt, und bot schließlich Maggie die Tüte an. „Komm schon. Es ist nur eine leichte Partydroge. Extasie. Es macht die Musik besser... und die Lichter heller“, sagte sie, ihre Stimme war leise, fast ein Flüstern, um nicht von anderen gehört zu werden. Maggie spürte einen Moment der Versuchung. Die Last der letzten Wochen drückte schwer auf ihr, und der Wunsch, für ein paar Stunden zu entfliehen, war verführerisch. Sie blickte auf die Tüte in Tracys Hand und dann wieder in ihr Gesicht, suchte nach einem Zeichen von Druck oder Unaufrichtigkeit. Doch alles, was sie sah, war eine Einladung, die Welt für kurze Zeit durch ein anderes Licht zu sehen. Beim letzten Mal hatte sie Drogen untergejubelt bekommen. Sie hatte keine Kontrolle mehr über ihren Körper und über das, was man ihr antun wollte. Jetzt war es ihre Entscheidung. Ihre Zunge glitt über ihre trockenen Lippen, der Restalkohol haftete in ihren Mundwinkeln – ihr Blick auf die bunten Pillen hängend. „Vielleicht... vielleicht nur dieses eine Mal“, sagte sie schließlich, ihre Stimme unsicher, ein Teil von ihr zögerte immer noch. Tracy gab ihr lächelnd eine Pille und blickte ihr mit Vorfreude entgegen. „Los, Maggs. Sei nicht langweilig.“ Greene hielt die kleine Tablette zwischen ihren Fingern, betrachtete sie einen Moment lang, bevor sie tief durchatmete und sie dann schluckte. Ein Gefühl der Erwartung breitete sich in ihr aus, gemischt mit Angst und einer seltsamen Art von Aufregung. Die Wirkung ließ nicht lange auf sich warten. Die Musik schien tiefer in ihr Bewusstsein zu dringen, die Lichter tanzten in schillernderen Farben, und die Menschen um sie herum verwandelten sich in freundliche Geister, deren Lachen und Stimmen wie Musik in ihren Ohren klangen. Maggie fand sich tanzend wieder, ihre Bewegungen fließend und ungehemmt, als wäre sie ein Teil der Musik selbst. Tracy blieb an ihrer Seite, tanzte mit ihr, führte sie durch die Menge, und für ein paar kostbare Stunden vergaß sie die Dunkelheit, die ihre Tage gefüllt hatte. Sie lachte, fühlte sich lebendig und verbunden mit der Welt um sie herum auf eine Weise, die sie seit Langem nicht mehr gefühlt hatte. Eine Welle der Euphorie ergriff sie. Die Musik pulsierte durch ihren ganzen Körper, als wären ihre eigenen Herzschläge und der Rhythmus eins. Sie fühlte sich lebendig, jede Zelle ihres Körpers schien zum Beat der Musik zu vibrieren. In dem engen Getümmel hatte sie gar nicht gemerkt, dass sie nicht mehr nur mit Tracy tanzte, auch ein paar Jungs hatten sich dazu gesellt, ebenso sich dem Extasie hingebend. Ihre Freundin widmete sich Brad, ihrem Schwarm, zu. Kurz stand die Studentin etwas unbeholfen und außer Atem dort, bis einer der Jungs ihre Not erkannte und auf sie zu tanzte. Er schlang seine Arme um ihre Taille und zog sie näher an sich heran. Für einen Moment war sie überrascht von der plötzlichen Nähe, aber sie rief sich wieder ins Gedächtnis, dass sie diesen Abend genießen wollte. Sie sollte Spaß auf dem College haben, solange sie noch konnte. Der Junge zog sie lachend in die Menge, und zusammen wurden sie Teil des pulsierenden Meeres aus Tanzenden. In diesem Moment gab es keine Vergangenheit, keine Zukunft, nur das Hier und Jetzt. Maggie ließ alle Hemmungen fallen, bewegte sich frei und ohne Zurückhaltung. Die Blicke der anderen, die sie normalerweise unsicher gemacht hätten, berührten sie nicht. Sie fühlte sich schön, stark und unbesiegbar. Ihr Tanzpartner, der nun ihre Hand hielt, lachte mit ihr, seine Augen funkelten im Licht der Diskokugeln. Er führte sie weiter durch die Menge, tanzte ständig mit ihr, als wären sie die einzigen auf der Tanzfläche. Jede Berührung, jeder Blick zwischen ihnen schien elektrisch geladen, eine Verbindung, die tiefer ging als bloße Worte es könnten. Vielleicht war es auch nur die Droge, höchstwahrscheinlich sogar, aber Maggie genoss es. Als ein langsamerer Song begann, zog er sie noch näher an sich heran. Sie tanzten eng umschlungen, die Welt um sie herum verschwamm zu einem unscharfen Hintergrund. Ihr Herz klopfte laut gegen ihre Brust. „Das ist echt abgefahren“, murmelte sie benommen. In dem flackernden Schein der Tanzfläche, eng umschlungen mit dem fremden Jungen, fand Maggie einen Moment der Ruhe. Doch als sie ihren Kopf auf seine Schulter legte, fiel ihr Blick unweigerlich auf eine Gestalt am Rande der Tanzfläche. Negan stand dort, abseits der feiernden Menge, und seine Augen trafen die ihren in einem Blick, der schwer zu deuten war. War es wieder Besorgnis? Enttäuschung? Oder etwas ganz anderes? Sie spürte einen Stich des Unbehagens. Warum musste er ausgerechnet heute Abend hier sein? Ihre Freude wich einer plötzlichen Frustration. Durfte sie denn nicht einmal wieder richtig feiern, ohne dass er in jeder Ecke stand, bereit, ihr einen Vortrag zu halten oder sie mit seinen besorgten Blicken zu verfolgen? Der fremde Junge bemerkte, wie Maggie sich versteifte. „Alles okay?“ Doch die Studentin war kaum in der Lage zu antworten, so sehr war sie von Mr. Smiths Anwesenheit und dem, was sie bedeutete, in Anspruch genommen. Schließlich, mit einem tiefen Seufzer, entschied sie, dass sie diesen Abend nicht von Negan ruinieren lassen würde. Sie hatte das Recht zu feiern, zu lachen und zu tanzen, ohne sich Sorgen darüber zu machen, was andere – auch ihr Professor – davon halten mochten. Sie löste sich sanft aus der Umarmung des Jungen und nickte ihm zu, als Zeichen, dass alles in Ordnung war. Maggie ließ sich von einem Impuls leiten, den sie lange nicht mehr gefühlt hatte – die Sehnsucht nach Unbeschwertheit, nach einer Flucht aus den komplizierten Verstrickungen ihres Lebens. Negans Präsenz und ihre darauf entstehenden Gefühle hatten eine Grenze überschritten, die sie nicht länger hinnehmen wollte. „Komm mit.“ In einem Akt der Rebellion, der vielleicht mehr über sie selbst aussagte als über ihn, zog sie den fremden Jungen mit sich nach draußen in die kühle Nachtluft. Das Gefühl der Freiheit, das sie beim Verlassen der drückenden Atmosphäre des Innenraums empfand, war fast greifbar. Die kühle Luft erfüllte sie mit einem Gefühl der Erneuerung, auch wenn ihre Schritte noch leicht schwankten. „Was wollen wir hier draußen?“, fragte der Junge, offensichtlich überrascht von ihrem plötzlichen Drang, die Party zu verlassen. Maggie, die keine Worte verschwenden wollte, schüttelte nur den Kopf und lief auf ihn zu. „Hör auf zu reden.“ Ihre Worte waren kaum mehr als ein Flüstern, bevor sie ihn küsste. Es war ein Kuss, der von der Sehnsucht nach einer Verbindung getrieben war – doch nicht mit ihm. Mit ihrem Professor. Es sollten seine Lippen sein. Seine Hände, auf ihrem Körper. Der Junge, überrascht aber keineswegs abgeneigt, erwiderte den Kuss sofort. In diesem Moment gab es keine Komplikationen, keine ungelösten Fragen – nur das Gefühl der Nähe und einem Verlangen. Für Maggie war dieser Kuss eine Befreiung. Doch auch als ihre Lippen sich trennten, wusste sie, dass dieser Moment keine Antworten bot, nur eine vorübergehende Pause von den Fragen, die ihr Leben umgaben. Der fremde Junge, dessen Name sie immer noch nicht kannte, sah sie mit einem Lächeln an, das eine Mischung aus Zufriedenheit und Verwunderung zeigte. Wieder küssten sie sich, diesmal viel leidenschaftlicher. Er drückte sie bestimmend gegen die Hausmauer, und begann von ihren Lippen abzulassen, um ihren Hals zu liebkosten. Die Studentin legte ihren Kopf in den Nacken und atmete schwer unter seinen Berührungen. Seine Hände fuhren über ihre Rippen, strichen über ihre nackte Hüfte. Doch dann versuchte er seine Finger unter ihr knappes Kostüm-Oberteil zu schieben. Maggie hatte diese plötzliche Nähe genossen, keine Frage, aber weiter gehen gehörte nicht zu ihrem Plan und das erst recht nicht hier in der Öffentlichkeit. „Nein, nicht hier“, gab sie leise von sich. Der Junge versank etwas in seinen Handlungen, weshalb sie ihn ein wenig nach vorne schob. Doch zu einer weiteren Konversation kam es nicht, denn plötzlich wurde die Szene von einer starken Stimme durchbrochen. „Sie hat nein gesagt.“ Ihr Professor. Seine Worte, klar und bestimmt, schnitten durch die nächtliche Stille und brachten eine sofortige Reaktion. Der Junge, der bis dahin in einem kleinen Rausch zu sein vermochte und Maggies leise Ablehnung nicht sofort wahrgenommen hatte, hielt inne. Er schien plötzlich die Tragweite der Situation zu realisieren, ein Ausdruck der Verwirrung und dann des Verständnisses huschte über sein Gesicht. Die Studentin nutzte die Unterbrechung, um sich sanft von dem Jungen zu lösen. Sie atmete tief durch, versuchte, die Kontrolle über die Situation zurückzugewinnen. „Es ist okay“, sagte sie dann, mehr zu sich selbst als zu den beiden Männern, und versuchte, die Situation zu deeskalieren. Negan, dessen Erscheinen so plötzlich und unerwartet war, sah Maggie mit einem strengen Blick an. Es war nicht das erste Mal, dass er in einem Moment auftauchte, der entscheidend zu sein schien, doch diesmal fühlte es sich anders an. Sie wandte sich an den Jungen, dessen Name ihr immer noch unbekannt war. „Ich denke, es ist besser, wenn wir hier Schluss machen. Vielen Dank für den Tanz.“ Maggie war nicht wütend auf ihn – sie waren drauf, hatten viel getrunken. Im Gegenteil, ihre Wut galt gerade jemand ganz anderen. Der Junge nickte, sichtlich beschämt über sein Verhalten, und nach einem kurzen, entschuldigenden Blick in ihre Richtung entfernte er sich. Maggie und Negan standen einen Moment lang schweigend da, jeder in seine eigenen Gedanken versunken. „Ich brauche keinen Babysitter.“ „Das weiß ich“, antwortete Negan leise. „Aber du brauchst jemanden, der auf dich achtet. Und heute Abend... bin ich das.“ „Okay? Einfach so?“, entgegnete sie mit scharfer Stimme. „Du denkst, du kannst einfach entscheiden, wann und wo wir über mein Leben sprechen?“ Negan, sichtlich bemüht, die Situation zu deeskalieren. „Maggie, ich versuche nur, vernünftig zu sein. Du bist nicht in der Verfassung, das jetzt auszudiskutieren.“ „Vernünftig?“, wiederholte sie, ihr Zorn wachsend. „Ist es vernünftig, mir zu folgen, mich zu überwachen und dann zu behaupten, es wäre zu meinem Besten? Wo endet das? Wo ziehst du die Linie?“ Ihre Worte trafen Negan härter, als sie es vielleicht beabsichtigt hatte. Er stand da, angespannt, die Kiefer zusammengepresst, während er nach den richtigen Worten suchte. „Die Linie ziehe ich dort, wo deine Sicherheit beginnt“, erwiderte er schließlich, seine Stimme fest. „Das hier... das bist nicht du, Maggie. Ich kenne dich. Und ich weiß, dass du morgen, nüchtern und klar denkend, diese Nacht anders sehen wirst.“ „Du kennst mich?“, spottete Greene, ihre Stimme voller Bitterkeit. „Du weißt nichts.“ Eine Pause entstand, eine schwere Stille, die von den unausgesprochenen Worten und den unterdrückten Emotionen, die zwischen ihnen lagen, gefüllt war. Er machte einen Schritt auf sie zu, seine Haltung weichend, als er versuchte, eine Brücke zu bauen. „Maggie, bitte...“ Doch Maggie wich zurück, eine klare Grenze ziehend. „Nein. Hör auf.“ Mit diesen Worten drehte sie sich um und ging weg, jeder schwankende Schritt ihre trotzige Entschlossenheit unterstreichend. Negan stand allein da, während er ihr nachsah, wie sie sich entfernte. Vermutlich hatte er recht, morgen würde sie sich für ihr kindliches Verhalten schämen, aber jetzt, jetzt war sie nicht aufzuhalten. Negan beobachtete sie weiter besorgt aus der Ferne. Er wusste, dass es nicht klug war, sie allein zu lassen, nicht in ihrem Zustand und nicht in dieser Nacht. Seine Sorge überwog seine Zurückhaltung, und so traf er eine Entscheidung, die sowohl seine Besorgnis als auch seinen Schutzinstinkt zum Ausdruck brachte. Mit schnellen Schritten holte er sie ein, doch Maggie ignorierte ihn, getrieben von dem Bedürfnis, Abstand zu gewinnen. Er wusste, dass er handeln musste, aber auf eine Weise, die Maggie nicht verletzen würde. In einem Moment, der sowohl ihre Sicherheit als auch ihre Würde berücksichtigte, griff er vorsichtig nach ihr. „Das reicht“, sagte er, seine Stimme fest. Maggie zog ihren Arm sofort aus seinem Griff und schubste ihn ein Stück zurück, was angesichts seiner kräftigen Statue eher witzig, als tatsächlich wirksam aussah. Bevor sie weiter protestieren konnte, hob er sie abrupt in eine Feuerwehrträgerposition über seine Schulter. Er war äußerst darauf bedacht, sie nicht zu verletzen oder ihre Situation zu verschlimmern, sondern wollte lediglich sicherstellen, dass sie in Sicherheit war. Maggie, überrascht von der plötzlichen Nähe und dem Fehlen des Kontakts zum Boden, begann zu zappeln. „Lass mich runter!“ „Noch nicht“, erklärte Negan, während er sie behutsam zu seinem Truck trug, seine Schritte bedacht und sein Griff sicher. „Ich lasse dich nicht allein.“ Als er sie endlich vorsichtig absetzte, blickte Maggie ihn an, ihr Ärger in ihren Augen deutlich tobend. „Steig in den Truck.“ Wieder schnaufte die Studentin. „Nein.“ In einer lockeren Haltung verschränkte er die Arme vor seiner Brust, so als wüsste er, dass seine nächsten Worte sie umstimmen würden. „Gut, dann bleibe ich hier bei dir, im Wohnheim.“ Maggie zog ihre Augen leicht zusammen. Tatsächlich würde das bei ihr ziehen, denn ihn ständig um sich herum zu haben, wie einen Pitbull, würde schon bald Fragen bei ihren Kommilitonen aufwerfen. Wenn es nicht sogar schon bereits der Fall war, nach seiner letzten Aktion. Maggie seufzte geschlagen und stieg anschließend wortlos in seinen Truck.

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