Kapitel 5

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Domenico

Seit gestern bin ich etwas unruhig. Ich konnte mit Margret zwar die kleine Auseinandersetzung klären, aber die Kellnerin geht mir immer noch nicht aus dem Kopf.

Meine Gewissensbisse lassen mich nicht in Ruhe. Ich hätte mich bei ihr entschuldigen sollen. Die Arme war eh nicht gut drauf, so wie es mir meine Tante gesagt hat, und dann hab ich noch das ganze Chaos angerichtet. Sie hatte sich so geschämt. Aber wieso eigentlich? Sie hatte doch vollkommen recht, mit dem was sie gesagt hat.

Das komische ist nur, dass ich gerade wegen meinem Äußeren noch nie so kritisiert wurde. Im Normalfall ist es genau umgekehrt. Die meisten Menschen heutzutage gucken nur auf das Äußere. Und auf deinen Insta-Account und deine TikTok-Trends. Dann meinen sie dich zu kennen, wissen besser als du selbst, was für ein Mensch du bist.

Eigentlich könnte es mir egal sein, was dieses Mädchen von mir denkt, aber mit meiner Reaktion habe ich nur noch bestätigt, dass ich nur ein hübscher Arsch bin.

Margret ist für das ganze Wochenende weg. Sie ist auf einem Influencer-Event, an dem sie ihren neuen, veganen, super-mega-toll-riechenden Lippenstift präsentiert. Ich sollte auch mitkommen, wurde aber zu meinem Glück von ihr freigestellt, um diesen unnötigen Heiratsantrag zu organisieren.

Was soll das überhaupt? Aber gut, wenn sich die Dame das wünscht ...

Und so stehe ich nun vor einem Hotel, in dem ich gerade Unmengen an Geld dagelassen habe, damit ihre Eventpartner für mich in einer Woche eine wunderschöne Kulisse zaubern. Genau hier, auf diesem Berg.

Diese Aussicht ist sowas von atemberaubend. Von oben herab blickt man auf die ganze Stadt und die wunderschönen Berge dahinter. Der Horizont scheint auf Augenhöhe zu liegen und sieht bei diesem Sonnenuntergang einfach unfassbar toll aus.

Während ich meine Hände in den Hosentaschen vergrabe und das Schauspiel der Natur beobachte, stelle ich mir vor, wie es wohl aussehen wird, wenn das hier alles mit weißen Säulen, rotem Teppich, "Marry Me"- Schriftzug und einer Allee aus roten, herzförmigen Luftballons hergerichtet sein wird. Die herzzerreißende Musik wird abgespielt, wenn Margret auftaucht und die Drohne über unseren Köpfen nimmt den berührenden Moment auf Video auf. Ganze drei Minuten! Perfekt für Insta! Und dann kommen die Freunde und Verwandte, die ich natürlich noch einweihen muss, aus dem Versteck und gratulieren.

So der Plan der Eventagentur. Perfekt für Maggi.

Aber wenn es nach mir ginge, würde ich diese wunderschöne Aussicht niemals mit so viel Schnickschnack verdecken, würde keine Leute engagieren, die das Ganze wie am Fließband abarbeiten, und auch niemals diesen persönlichen Moment mit jemandem teilen. Ich würde niemals meine Rede auswendig lernen. Würde mich lieber auf mein Gefühl verlassen ...

Aber in dieser Familie darf das so nicht sein. Alles muss perfekt funktionieren. Wäre doch furchtbar, wenn ein Manko an die Öffentlichkeit gerät.

Als die Sonne sich hinter den dichten Bergen versteckt hat, starte ich meine Maschine mit lautem Dröhnen. Ich liebe dieses Geräusch! Ich liebe die Kraft, die Kontrolle. Ich liebe es, wenn der Fahrtwind mir ins Gesicht weht und die Maschine unter meinen Beinen vibriert. Es fühlt sich nach Freiheit an.

Zielbewusst steuere ich Richtung Zuhause, doch bevor ich ankomme, wende ich auf einem nahe gelegenen Parkplatz.

Der Weg führt mich direkt zu Tante Marias Restaurant. Die brünette Kellnerin wird sicher nicht mehr da sein - das Restaurant hat seit einer halben Stunde zu -, aber vielleicht ist Maria noch da und kann ihr wenigstens eine Entschuldigung von mir überbringen. Dann würde es mir wieder besser gehen. Ich mein, ich bin ja nicht das letzte Mal in diesem Laden, und ich möchte ihr nichts schuldig sein.

Als ich am Parkplatz ankomme, sind die Fenster des Gebäudes, wie erwartet, bereits dunkel. Doch das gedimmte Licht, das durch das Glas der Eingangstür flimmert, beweist, dass ich recht hatte und Maria wie immer Überstunden schiebt.

Ich drücke die Türklinke und schüttle mit dem Kopf, weil sie es nie lernen wird abzuschließen, wenn sie alleine bleibt. Man weiß nie was alles passieren könnte.

Doch bei dem Anblick, der sich vor mir abspielt, bleibe ich wie angewurzelt stehen.

Es ist tatsächlich die Brünette, die den Laden zu putzen scheint. Sie sieht mich nicht, wird mich durch die großen, weißen Kopfhörer auf ihrem Kopf auch nicht hören. Also schließe ich die Tür, verschränke die Arme vor der Brust und genieße grinsend die süße Show, die sie mir unbewusst bietet.

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726 Wörter

Herzklopfen und das rote Kleid Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt