Kapitel 12

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Sofia

»Ähm ...« Vollkommen perplex stehe ich da und habe nun nicht mal eine schlagfertige Antwort parat. 

Erwartungsvoll schielt er zu mir rüber, während er immer noch das Fenster aufhält. »Du hältst dich nicht mal an deine eigenen Drohungen!« 

Damit hat er natürlich recht. Aber so schnell gebe ich nicht auf. »Du hast ja bisher noch nichts weiter angestellt.«

Keine Sekunde später zuckt sein Mundwinkel nach oben. Okay, zugegeben. Jetzt habe ich ihn herausgefordert!

Wie ein Wildtier auf Beutejagd setzt er seinen Körper langsam in Bewegung. Seine Augen verschlingen meine mit gierigem Blick. Kichernd bewege ich mich wieder rückwärts, doch ich habe keine Chance mehr, als Domenico ruckartig auf mich zurast und meinen Körper diesmal über seine Schulter wirft.

»Hey! Lass mich runter!«, piepse ich nach dem ersten Aufschrei, der unerwarteten Wendung. Mit meinen Handflächen schlage ich an seinen Rücken, was ihn nur noch mehr zu belustigen scheint. 

Im dritten Stock angekommen, lässt er mich endlich von seiner Schulter gleiten.

Stolz wie ein Wolfshund grinst er mich an, während ich mein Kleid zurechtzupfe. »Ich hab's geschafft! Ich habe dich in den dritten Stock getragen.«

Ich muss mich so dermaßen zusammenreißen, um nicht zu zeigen, wie sehr mich die Aktion amüsiert hat, doch ein Glucks entwischt mir trotzdem. »Das zählt nicht! Wie ein Sack Kartoffeln getragen zu werden kommt in keinem einzigen Märchen vor! ... Fuck!« 

Mein Herz setzt einen Moment lang aus, um dann nur noch schneller zu schlagen. Ich greife nach dem roten Stück Stoff und fahre mit dem Daumen über einen großen Fadenzieher, direkt am Oberschenkel. 

»Oh, entschuldige. Das wollte ich nicht«, sagt Domenico, als auch er mein ruiniertes Kleid bemerkt. 

»Das darf nicht wahr sein!« Immer noch schockiert von dem Bild, das ich vor meinen Augen sehe, versuche ich tief durchzuatmen. Ich darf jetzt nicht durchdrehen. Ich brauche eine Lösung und dafür einen klaren Kopf. Doch mein Körper will nicht auf mich hören. Meine Hände fangen an zu zittern und verraten mich dabei.  

»Hey, das ist doch nicht so schlimm. Das lässt sich bestimmt wieder richten.« 

»Das ist Seide, Domenico.« 

»Sorry, noch mal. Das ist bestimmt beim Tragen passiert. Ich werde es dir ersetzen. Wo hast du das Kleid gekauft?« Besorgt mustert er mein Gesicht und merkt auch sofort, wie meine Augen feucht werden. 

»Sehe ich so aus, als ob ich mir ein Seidenkleid leisten kann?«, nuschle ich ganz leise. 

»Es tut mir ...« 

Ich schüttle mit dem Kopf und lehne meinen Körper gegen das Geländer, um Halt zu finden. »Du kannst nichts dafür. Ich hätte es nie anziehen dürfen.« 

»Ist das Kleid ausgeliehen?« 

»Jap«, schwindele ich. »Ich muss es unbedingt heil wieder zurückgeben. Das Teil kostet mehr als meine Miete. Ich kann es mir nicht leisten. Vielleicht finde ich ja einen Schneider oder so, der das wieder in Ordnung bringen kann.« 

Ich fahre erneut mit meinen Fingern über den Stoff.

»Von wem hast du denn das Kleid?« 

»Von Alicia«, rutscht es mir heraus. 

Kein Wunder, dass er mich so fragwürdig anblickt. Dass Alicia sich dieses Kleid leisten kann, ist genauso absurd. 

»Also, sie hat es von einer Freundin«, versuche ich die Sache nochmal glaubwürdiger rüberzubringen und er nickt nur nachdenklich mit dem Kopf. »Deswegen muss es spätestens Sonntagabend wieder zurückgebracht werden. 

Nach einer kurzen Pause ergreift er wieder das Wort. „Morgen ist Samstag. Die Schneider werden alle am Wochenende geschlossen haben.« 

Meine Augen weiten sich. Natürlich! Daran habe ich ja noch gar nicht gedacht. »Oh, Mist!« 

»Aber ich habe einen Bekannten, der das auf die Schnelle machen könnte.« 

»Wirklich? Das wäre ja toll!« Die Hoffnung flackert in mir auf. »Wie kann ich ihn erreichen?« 

»Ich bringe dich hin. Wie arbeitest du morgen?« 

Endlich kann ich wieder lächeln und er erwidert es. »Ich habe morgen Frei.« 

*****

Noch zehn Minuten, dann holt Domenico mich ab. Ganz aufgeregt laufe ich noch mal zum Kleiderschrank und ziehe mein luftiges Sommerkleid wieder aus.

Wie konnte ich nicht daran gedacht haben, dass er wahrscheinlich mit seinem Motorrad kommt. Eilend schlüpfe ich in eine Jeans-Shorts und ein weißes Top. Dann greife ich nach meiner Tasche und hänge sie mir über die Schulter, kontrolliere dabei nochmal, ob ich auch wirklich meinen Geldbeutel eingepackt habe, worin der letzte Rest meines Geldes steckt. Ich hoffe, es reicht für die Heilung des wertvollen Kleides. Gerade als ich meine Sneakers anziehe, höre ich das laute Dröhnen der Maschine, die sich immer mehr nähert.

Ich lächle vorfreudig in mich hinein. Ich darf bloß nicht zeigen, dass ich schon den halben Tag auf diesen Moment gewartet habe.

»Ah! Deinem Fuß geht es schon besser«, stellt Domenico fest, als ich schnellen Schrittes auf ihn zulaufe.

Gut gelaunt präsentiere ich ihm den kaum noch schmerzenden Fuß, indem ich es vorstrecke und hin und her wackle. »Fast wie neu!«

Domenico reicht mir grinsend den Helm und ich atme erstmal durch, bevor ich danach greife. Im Gegenzug dazu gebe ich ihm die Tüte mit dem Kleid, die er in dem Helmfach verschwinden lässt.

»Heute ganz ohne Panik?« 

»Ach, ich denke, bei meinem Glück muss ich nicht unbedingt beim Motorradfahren sterben. Wie man gestern gesehen hat, kann ich mich überall umbringen.« 

Ich weiß, dass Domenico sich ein Lachen darüber verkneift. Dass er sich dabei auf die volle Unterlippe beißen muss, verrät ihn. »Ein sehr interessanter Gedanke. Hier, nimm die Jacke. Es wird kühl.« 

Dabei reicht er mir wieder seine Lederjacke, an der ich mittlerweile meinen Gefallen gefunden habe. 

»Alles gut, es ist so heiß heute.« 

Ich lasse meinen Blick über ihn wandern und genieße förmlich die Aussicht. Er hat heute wieder eine schwarze Röhrenjeans an und ein helles T-Shirt. Anstatt seiner Lederjacke hat er eine leichte Bomberjacke übergezogen. Nichts Besonderes, aber an ihm sieht es einfach fantastisch aus. Und dazu diese Pose auf seinem Gefährt, wobei das eine Bein angewinkelt auf dem Trittbrett ist, mit dem anderen stütz er sich an dem Boden ab.

»Es wird trotzdem kühl bei längerem Fahren.«

»Müssen wir lange Fahren?«, wundere ich mich. »Wo ist denn dein Bekannter?«

Ich folge seiner Anweisung und werfe die Lederjacke über. Gleich danach den Helm.

»In Rom.«

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Herzklopfen und das rote Kleid Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt