Kapitel 6 - Mitternacht

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Seit Stunden sitzt Sky auf ihren Balkon und sieht hinauf in den Sternenklaren Nachthimmel.
Das Gespräch mit Meverrick verlief nicht wie erhofft. Das sie so wütend werden würde, hätte sie nicht gedacht.
Mittlerweile ist die Wut verraucht.
Stattdessen tobt in ihrem Inneren ein Sturm. Ein Kampf.
Verstand gegen Herz.

Seufzend greift Sky nach dem Glas Rotwein, welches seit Stunden neben ihr auf einem kleinen Tisch steht.
Sie schwenkt die dunkelrote Flüssigkeit.
Ihr Blick weiterhin in den Himmel gerichtet, als würde dort oben die Antwort stehen.
Als sie die Universität vor fünf Jahren verließ, hat sie eine Woche in einem Hotelzimmer in der Stadt gewartet.
Gewartet auf einen Anruf, eine Nachricht, auf ein Klopfen an der Tür, aber nichts.
Ihr Herz brach endgültig.
Und nun.....
Sie nippt an dem Glas, als sie aus der Wohnung ein Klopfen hört.
Verwundert sieht sie ins schwach beleuchtete Wohnzimmer.
Gerade als sie einen weiteren Schluck nehmen möchte, klopft es erneut.
Sky sieht auf ihr Handy.
Es ist kurz nach Mitternacht.
Sie stellt das Glas ab und schleicht zur Haustür.
Der Blick durch den Türspion lässt ihr Herz beinahe stehen bleiben.
Was macht er hier?
Sie atmet einmal tief durch, ehe sie den Schlüssel im Schloss dreht und die Tür öffnet.
Sie sollte etwas sagen, irgendwas, doch sieht sie ihn einfach nur an.
Und auch er, der her gekommen ist, um zu reden, bekommt im ersten Augenblick kein Wort über die Lippen. Stattdessen schweift sein Blick über ihren Körper.
Ihre langen Beine. Die Narbe an ihrem Oberschenkel, die er zu verantworten hat.
Die knappen Shorts und das  bauchfreie Top.
Ihr langes schwarzes Haar, welches fließend in einen Grauton übergeht und locker über ihre Brust hängt.
Ihre vollen Lippen, ihre leuchtend grünen Augen, in denen er sich verliert.
Sein Herz schlägt ihm bis zum Hals.
Er hätte die letzten Jahre mit ihr verbringen und glücklich sein können. Doch war er zu sehr davon überzeugt, dass er nicht gut genug für sie ist. Das sie ohne ihn besser dran ist
Und nun, hat er keine Ahnung, wie er das wieder in Ordnung bringen soll.
,,Sky", bringt er nach einem kurzen Räuspern hervor.
,,Was machst du hier?"
,,Ich möchte reden."
Überrascht zieht Sky ihre Brauen mach oben.
,,Weißt du eigentlich wie spät es ist?"
,,Kannst du etwa schlafen?", weicht er ihrer Frage mit einer Gegenfrage aus.
Sie schüttelt den Kopf und tritt zur Seite um ihn in die Wohnung zu lassen.

Meverrick betritt die Wohnung. Sein Blick schweift durch das Wohnzimmer. Es ist klein, wirkt aber auf den ersten Blick sehr gemütlich.
Sky schließt hinter ihm die Haustür.
,,Zu einer anderen Tageszeit würde ich dir ja einen Rundgang anbieten, aber jetzt.
Komm mit mir auf den Balkon."
Meverrick nickt ihr zu und folgt ich nach draußen.
Während Sky sich wieder auf den Stuhl setzt, lehnt er sich gegen das Geländer und sieht sie einfach an.
,,Ich verstehe deine Wut", unterbricht Meverrick nach einigen Minuten die Stille.
Sky steht seufzend wieder auf und lehnt sich nun ebenfalls gegen das Geländer.
,,Ich bin nicht wütend, zumindest nicht mehr. Ich..."
Sie stockt und sieht hinauf in den Himmel.
,,Ich dachte ich würde dich kennen. Wobei....
Genau genommen lag ich richtig."
,,Was meinst du?", fragt Meverrick nach und tritt etwas näher an sie heran.
,,Ich war überzeugt davon, wenn du weißt das ich schwanger bin, wenn du weißt, daß da ein kind ist, dass. ..."
,,Das ich alles stehen und liegen lassen würde, um zu dir, zu euch zu gehen.
Das habe ich."
,,Ja, nur fünf Jahre zu spät", murmelt Sky und senkt den Blick.
Das schlechte Gewissen und die Reue verpassen ihm erneut einen derben Schlag in den Magen, als er sie so sieht.
Er stellt sich vor sie, nimmt ihr Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger und sorgt dafür, dass sie ihn ansieht.
,,Es tut mir leid, Sky. Ich meinte es ernst. Ich bin hier um meinen Fehler zu korrigieren, wenn du mich lässt."
In dem Moment, als er so dicht vor ihr steht, sie sein Parfüm riecht und seine Berührung spürt, beginnt ihr Herz schneller zu schlagen.
Schweigend verliert sie sich in seinen Augen, während einzelne Tränen ihre Wangen hinab rinnen.
Meverrick legt eine Hand an ihre Wange und wischt mit dem Daumen sanft die Träne weg.
Skys Verstand brüllt ihr förmlich entgegen, dass sie seine Berührung nicht so genießen sollte und dennoch tut sie es.
,,Ich wollte nie der Grund für deine Tränen sein."
Mit einem Seufzen senkt sie ihren Blick und tritt zwei Schritte zurück, um etwas Raum zwischen sie beide zu bringen.
,,So einfach, wie du dir das vorstellst ist es nicht. Während du dich die letzten fünf Jahre vermutlich vergnügt hast, hab ich....
Verstehe mich nicht falsch, ich liebe unsere Tochter, aber es wäre gelogen, wenn ich behaupte, dass die letzten Jahre immer ein Vergnügen waren."
Sky sieht zu Boden, ihre Finger spielen mit dem Saum ihrer Shorts.
,,Du irrst dich."
Meverrick stellt sich erneut direkt vor sie.
Seine Finger streifen die Narbe an ihrem Oberschenkel.
,,Das war nicht deine Schuld."
Der Ansicht war sie damals und ist sie noch heute.
,,Wir hätten nicht diesen Mengen Alkohol trinken und dann eine Session machen dürfen."
,,Stimmt. Sky ..."
,,Bereust du es?", unterbricht sie ihn und hebt ihren Kopf, um ihn ansehen zu können.
,,Die Trennung? Ja.
Das ich dich habe gehen lassen? Ja. Das ich den Brief nicht direkt gelesen habe? Ja"
Ein feines Lächeln schleicht sich in ihr Gesicht. Das sind die Antworten, die sie sich erhofft hat, auch wenn sie die letzten Jahre nicht ändern können.

Bei ihrem Lächeln schweift sein Blick automatisch auf ihre Lippen.
Er muss sich wirklich bemühen diesem Verlangen, seine Lippen auf ihre zu legen, sie zu küssen, nicht nach zu geben.
Er hebt seinen Blick und sieht an ihr Vorbei.
Erst jetzt bemerkt er den kleinen Park hinter ihrem Haus und die Dämmerung, die allmählich das Ende der Nacht ankündigt.
,,So Vergnügunglich wie du glaubst, waren die letzten Jahre nicht."
Verwundert zieht Sky eine Braue nach oben.
Wirklich glauben, kann sie das nicht.
,,Die Trennung fiel mir nicht leicht, eben so wenig dich gehen zu lassen, aber ich war überzeugt davon, dass es für dich das beste ist."
Heute weiß er es besser.
,,Alles hat mich an dich erinnert."
Mit einem Seufzen löst er seinen Blick von der aufgehenden Sonne und sieht Sky wieder an.
,,Alles?", murmelt sie.
Sie hebt eine Hand und legt sie, wenn auch zögerlich, auf seine Brust.
Ihre Fingerspitzen streifen die Knöpfe seines weißen Hemdes.
Langsam, wie in Zeitlupe, nähern sich ihre Münder.
Der Puls beider beschleunigt, je näher sie sich kommen.
In dem Moment, als sie den heißen Atem des anderen auf den Lippen spüren, ertönt der schrille Ton eines Handyweckers.
Sky zuckt zusammen.
Sie zieht ihre Hand zurück und tritt einige Schritte zur Seite.
,,Ich muss aufstehen", sagte sie leise und greift nach ihren Handy um den Wecker auszustellen.
,,Wir können gern weiter reden. Ich ... Ich hab heute frei. Ich muss nur die Kleine in die KiTa bringen", informiert sie ihn recht sachlich.
,,Du kannst warten. Wenn du willst. Vielleicht im Schlafzimmer."
,,Willst du mich verstecken?"
,,Meverrick ...Ich"
,,Schon gut. Ich warte."
Erleichtert atmet Sky auf.
,,Gut. Erste Tür rechts. Ich gehe kurz duschen."
Meverrick sieht ihr ungeniert nach, ehe er ebenfalls in die Wohnung geht.

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