Kapitel 4 - Herz über Kopf

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Seit dem sie Meverrick vor einer Woche begegnet ist, sind Skys Nächte sehr kurz.
Über Tag kann sie sich ablenken und aufkeimende Gefühle und Erinnerungen verdrängen, doch sobald sie schläft holt sie all das ein.
So auch letzte Nacht, die nach nicht mal drei Stunden Schlaf endete.
Sie hat versucht sich nichts anmerken zu lassen, während sie Lilly in die Kindertagesstätte gebracht hat, nun sitzt sie mit einer Tasse Kaffee auf ihrer Couch.
Sie nippt an ihrer Tasse und denkt an ihren letzten Traum, der sie zurück in die Universität versetzt hat und mit der Trennung von ihrem Professor endete.
Sky blickt auf den kleinen Beistelltisch, auf dem die Karte von Meverrick liegt.
Würde sie auf ihr Herz hören, hätte sie ihn schon längst angerufen, doch ihr Verstand hindert sie daran.
Seufzend stellt sie die Tasse auf dem Couchtisch ab und greift nach dem kleinen Kärtchen.
Ihr Zeigefinger streicht über sie Handynummer. Im Gegensatz zu ihr, hat er seine Nummer nicht geändert.
Sky legt sich auf die Couch und schließt für einen Moment die Augen.
Zumindest war das ihr Plan, doch die Müdigkeit holt sie ein.
Sie schläft ein und träumt erneut von vergangener Zeit:

Mit furchtbaren Schmerzen wird sie aus dem Schlaf gerissen.
,,Verdammt, was ist das", flucht sie und setzt sich langsam auf die Bettkannte.
Ihre Hand streicht zärtlich über ihren runden Bauch.
,,Willst du mich etwa foltern?", fragt sie schmunzelnd, als erneut dieser kranpfartige Schmerz über sie herein bricht.
Instinktiv atmet sie tief ein und aus, bis der Schmerz nach lässt. Sie steht auf und läuft durch ihre kleine Wohnung, in der Hoffnung das sie noch etwas Zeit hat.
Doch die Wehen sind stark und kommen in kurzen Abständen.
Mit schmerzverzertem Gesicht schlüpft sie in ihre Sneakers und schnappt sich die bereits gepackte Tasche.
In Jogginghose und Tshirt verlässt sie die kleine Wohnung und steigt einige Zeit später in ihren Wagen.
,,Gib mir noch genug Zeit, um ins Krankenhaus zu fahren", murmelt sie, ehe sie eine weitere Wehe veratmet.
Die Fahrt erforderte einiges an Konzentration und kam ihr wie eine halbe Ewigkeit vor.
Ebenso die paar Schritte in die Klinik.
Mit den Händen stützt sie sich an dem Empfangstresen ab und veratmet die Wehen, die eine nach der anderen über sie herein brechen.
,,Wie kann ich Ihnen helfen?", fragt die Dame hinter dem Tresen genervt.
,,Ich ... Dr.Ramirez", keucht sie.
,,Ich muss in den Kreißsaal!"
,,Das wird ein Atzt entscheiden. Setzen Sie sich erstmal", sagte die Dame leicht hin.
,,Wollen Sie mich verarschen! Ich,-"
Weiter kommt Sky nicht.
Nach einem knackenden Geräusch Platz ihr die Fruchtblase und ein schmerzhaftes Druckgefühl entlockt ihr einen Schmerzlaut.
,,Na toll!", flucht die Dame vom Empfang.
Kurz darauf wird Sky von einer älteren Schwester in den Kreißsaal geführt.
Kaum das sie auf dem Bett lag, ging es ganz schnell.
Vier Presswehen später, ertönt der erste Schrei ihrer Tochter, die sie unter Tränen in ihre Arme schließt.
,,Jetzt ging es so schnell, dass ihr Partner gar nicht dabei war", sagt die Schwester.
,,Es gibt keinen", lässt sie die Schwester wissen, ohne von ihrer Tochter aufzusehen.
,,Typisch. Herumhuren und nicht wissen wer der Vater ist." ...

Der Traum verschwimmt.
,,So ist das nicht", murmelt Sky im Schlaf. Unruhig wirft sie sich  auf die Seite, als eine weitere Erinnerung in ihrem Traum an die Oberfläche kommt:

Starker Regen Peitscht gegen das Fenster des Krankenzimmers.
Sky sitzt auf ihrem Bett und hält liebevoll ihre Tochter im Arm.
Zärtlich streichen ihre Finger über das dichte, dunkelbraune Haar.
Das die Kleine Meverrick so ähneln würde, hätte sie nie für möglich gehalten.
Nach einem kurzen Klopfen beteitt die ältere Schwester aus dem Kreißsaal das Zimmer.
Wortlos stellt sie Sky ihr Abendessen auf den Beistelltisch.
,,Haben Sie mittlerweile einen Namen für Ihr Kind? Wenn Sie schon nicht wissen, wer der Vater ist."
Die Beleidigungen, die Sky bei diesen Worten auf der Zunge liegen schluckt sie runter. Den giftigen Blick jedoch kann sie sich nicht verkneifen.
,,Nein."
Kopfschüttelnd verlässt die Schwester daraufhin das Zimmer.
,,Sie hat keine Ahnung. Ich weiß, wer dein Vater ist. Sein Leben, passt nur nicht zu unserem."
Zumindest redet Sky sich das seit Monaten ein.
Sie vermisst ihn, doch scheint sie sich in ihm getäuscht zu haben.
Sky gibt ihrer Tochter einem sanften Kuss auf die Stirn, als es erneut klopft und eine junge Schwester mit einem Strauß Lilien den Raum betritt.
,,Blumen machen einen Raum gleich viel schöner, finden Sie nicht auch?"
Sky starrt einen Augenblick zu den Blumen, dann sieht sie zu ihrer Tochter und lächelt.
,,Ja, sie sind schön. Ich habe einen Namen für meine Tochter."
,,Und, wie heißt sie?", fragt sie junge Schwester interessiert.
,,Lilly." ...

Der Traum verschwimmt erneut.
Als würde sie ihn einer Achterbahn sitzen, rasst sie durch die ersten Jahre mit Lilly, bis sie an ihrem vierten Geburtstag ankommt:

Lilly sitzt in ihrem Bett.
Ihr Lieblings Plüschtier im Arm. Die zahlreichen Lichterketten über ihrem Bett spenden etwas Licht, sodass Sky von der Tür zum Bett kommt, ohne auf die zahlreichen Figuren zu treten die auf dem Boden liegen.
Sky setzt sich, mit einem Teller in der Hand zu ihrer Tochter.
,,Torte vorm schlafen?", fragt Lilly mit strahlenden Augen.
Sky zückt zwei Gabeln und reicht Lilly eine.
,,Nicht irgendein Stück Torte. Sie ist von Mrs. Porter."
Begeistert sticht Lilly die Gabel in die Torte und stopft sich ein großes Stück davon in den Mund.
,,Mmhhmm."
Lächelnd isst Sky ebenfalls etwas.
,,Mummy? Darf ich was fragen?"
,,Immer."
,,Hab ich einen Dad?"
Sky erstarrt beinahe, als sie die Frage hört.
,,Ja, hast du."
,,Und wo ist er?"
Sky legt die Gabel auf den Teller.
,,Weißt du, als ich von dir erfahren habe, waren wir schon nicht mehr zusammen und,- und wir haben uns aus den Augen verloren", antwortet Sky und versucht ihre Traurigkeit zu verstecken.
,,Schon okay, Mummy. Er findet uns bestimmt."
Überrascht sieht sie in das überzeugte Gesicht ihrer Tochter.
,,Ja, bestimmt." ...

Sky schreckt aus ihrem Traum auf und landet dabei unsanft auf dem Boden.
,,Verdammt", murmelt sie.
Mit klopfendem Herzen setzt sie sich auf.
Ihre Finger fahren durch ihr langes Haar, um einige Strähnen aus dem Gesicht zu wischen.
,,Okay", sagt sie leise zu sich selbst.
Die Erinnerungen haben eins gemeinsam, Meverrick fehlt.
Sky steht auf und greift sowohl nach dem Kärtchen als auch nach ihrem Handy.
Ihr Herz schlägt ihr bis zum Hals, als sie seine Nummer eintippt.
Sie drückt auf den grünen Hörer.
Mit jedem Freizeichen, welches ertönt, schlägt ihr Herz schneller.
Als Meverricks Stimme plötzlich ertönt, stockt ihr der Atem.
Das erste, was ihr nach einer gefühlten Ewigkeit über die Lippen bekommt, ist ein einfaches, kurzes:,,Hi."
,,Hey, Sky", erklingt seine dunkle Stimme am anderen Ende des Telefons.
Sky atmet einmal tief durch.
,,Ich,-", fängt sie an.
Sie schließt die Augen und atmet erneut ein und aus.
Ihn anzurufen und die richtigen Worte zu finden, ist doch schwerer als sie dachte.
Den aufkommenden Gedanken, dass es gerade ein Fehler ist, ignoriert sie  und hört stattdessen auf ihr Herz.
Ihr Herz, welches nur beim Klang seiner Stimme so unglaublich schnell schlägt, als wäre keinerlei Zeit vergangen.
,,Wir sollten reden."
,,Es freut mich, dass du mir die Chance gibst", hört sie Meverrick sagen.
,,Mhm."
,,Ich bin die meiste Zeit in meinem zukünftigen Club. Treffen wir uns hier? - Morgen?"
Nervös beißt sich Sky auf die Unterlippe.
Der Gedanke ihn morgen wieder zu sehen löst etwas in ihr aus, was sie nicht wirklich deutet kann.
Eine Mischung aus Vorfreude, Nervosität und Wut.
,,Okay", antwortet sie knapp.
,,Ich schick dir die Adresse."
,,Okay. Ich bin gegen 12 Uhr da", versichert sie ihm und steht auf, um einfache ein paar Schritte zu gehen.
,,Ich freue mich auf dich, mein heißer Teufel."
Als er ihren Kosenamen sagt, stockt sie in ihrer Bewegung.
Ihr Herz schlägt augenblicklich so schnell, dass sie befürchtet er könnte es hören.
Einige Sekunden vergehen, ehe Sky ihre Stimme wieder findet und es schafft sich kurz und knapp zu verabschieden.
,,Bis morgen."
Sie legt auf und drückt das Handy an ihre Brust.
,,Dann also morgen", murmelt sie und lässt sich gedankenverloren aufs Sofa fallen.

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