Kapitel 7

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May

 Wir gingen alle noch zu Ryan und setzten uns in die Küche. Es herrschte schweigen. Sarah saß neben Corey und lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Ich saß auf Ryan's Schoß, er hatte seine Arme um mich gelegt und presste mich an sich. Es tat mir so leid für ihn. Ich konnte nur erahnen, wie schmerzhaft dieser Verlust für ihn sein musste. Im Gegensatz zu Ryan hatte ich noch nie einen geliebten Menschen verloren. Selbst meine Großeltern lebten noch und erfreuten sich zum Glück bester Gesundheit. Auch wenn ich momentan nicht viel Kontakt zu meiner Familie hatte, war ich froh, dass es allen gut ging. Ich bin wirklich sehr behütet aufgewachsen in unserer kleinen Gemeinde. Aber jetzt wollte ich meinen eigenen Weg gehen. Ich bin meinen Eltern sehr dankbar, für alles was sie mir ermöglicht haben, zum Beispiel mein Journalismus Studium. Trotzdem hatte ich den Drang auszubrechen und zog direkt nach meinem Bachelor hier her. Immerhin hatte ich hier auch die Chance auf viel besser bezahlte Jobs. Offiziell war das damals auch der Grund umzuziehen. Inoffiziell ging mir das behütende, bevormundende Verhalten meiner Eltern auf die Nerven.
Plötzlich seufzte Corey: "Ist das Scheiße alles." Wir nickten ihm zu und Ryan antwortete mit gerunzelter Stirn: "Ja, aber wir können es nicht ändern. Eigentlich ist es besser so. Jetzt muss er das alles nicht mehr ertragen." Ich sah erst Ryan an und dann zu Corey, der unglaubwürdig das Gesicht verzog und zischte: "Was sagst du da?! Logan war doch glücklich, so wie es war. Er war zu jung um zu sterben!" Ich fühlte mich unwohl. Hoffentlich eskaliert es heute nicht nochmal. Ryan starrte auf den Tisch: "Ach, denkst du das, ja?" Seine Stimme war ruhig und er legte sein Kinn auf meine Schulter. Der Gesichtsausdruck von Corey hatte sich nicht geändert und er schüttelte den Kopf. Sarah legte ihre Hände beruhigend ab seine Unterarme und schaute ihm in die Augen, als wollte sie sagen 'Hey, beruhig dich'. Dann war die Stimmung wirklich am Tiefpunkt. Niemand sagte mehr etwas. Nach mehreren Minuten erhob Corey sich: "Na ja, wir werden jetzt gehen. Komm!" Er nahm Sarah am Arm. Sie lächelte nur verkniffen und ließ sich von ihm aus dem Raum ziehen. "Bye!", rief ich noch, bevor man die Wohnungstür ins Schloss fallen hörte.
Heute Nacht blieb ich natürlich bei Ryan. Er hatte kaum noch ein Wort gesagt und sich im Bett einfach nur an mich gekuschelt. Ich konnte ihn nachts noch weinen hören, aber ich sagte nichts, weil ich nicht wusste, was. Keine Worte, hätten das schönreden können.

 Ryan

 Natürlich mussten wir auch noch bei den Bullen antanzen. Immerhin wurde er ermordet. Oder galt das als Totschlag? Ich kenne mich damit nicht aus. Corey und ich hatten uns vorher abgesprochen, was wir sagen würden. Und natürlich haben wir ihnen nicht die ganze Wahrheit gesagt. Wir erzählten einfach, wir hätte keine Vermutung, wer es war und dass Logan sich oft provokant verhielt, wodurch er häufig in Streitigkeiten geriet. Das war nicht Mal gelogen. Ist klar, dass die auch noch wissen wollten, ob er in Drogengeschäffte verwickelt war, aber wir sagten nichts. Sonst wären wir wohl auch noch am Arsch gewesen. Auf die Polizei ist eh kein Verlass. Die kümmern sich doch kein bisschen darum, wenn hier irgendein Junkie verreckt.
Corey will es ja 'selbst regeln'. Aber ich werde mich da raus halten. Mit den Typen leg ich mich auf gar keinen Fall an. Außerdem war ich noch nie der Mensch für Gewalt. Ich habe noch nie eine Schlägerei angefangen oder bin mit Schlagring oder Messer in der Tasche rum gelaufen.
Auf dem Polizeirevier, hatten sie uns noch etwas gegeben. Einen Zettel, der in Logans Hosentasche gefunden wurde. Mit der Aufschrift 'Für Corey und Ryan'. Wir hatten beschlossen ihn später, in Ruhe zu lesen.
Die Trauerfeier, sollte Übermorgen schon stattfinden, nach der Beisetzung. Seine Eltern hatten schnellstmöglich alles in die Wege geleitet. Obwohl sie uns nicht leiden konnten - klar, wir waren ja auch seine Drogen-Kumpels - gaben sie uns Bescheid wegen seiner Beerdigung.
Corey hatte angekündigt, dass er nicht hingehen würde. So ein Arschloch! Ich war deswegen tierisch wütend. Macht einen riesen Aufstand und hat dann nicht mal den Anstand, seinem Freund die letzte Ehre zu erweisen. Er meinte, dass er das noch nicht schaffen würde. Ich wusste, dass Corey das Paradebeispiel war für harte Schale - weicher Kern. Aber bei dieser Begründung, dachte ich unwillkürlich einfach nur: was für eine Pussy.
Ich glaube, ich bin mittlerweile an diese Art von Feiern gewöhnt. Aber trotzdem ist es nicht so, als würde mir das nichts ausmachen!

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