Kapitel 12

9 3 4
                                    

Ryan

Ok, 8 Uhr morgens ist eigentlich nicht meine Aufstehzeit, aber ausnahmsweise werde ich schon mal aus dem Bett kriechen. Ich schätze, ich habe noch eine Menge wieder gut zu machen, wegen gestern. Vielleicht hilft es ja, wenn ich für mich und May ein schönes Frühstück vorbereite. Ich war gestern echt blöd zu ihr. Ich hatte krass Suchtdruck,war entzügig und wollte Sex, um mich abzulenken und runterzufahren. Aber das konnte sie ja nicht wissen.
Ich gab mir innerlich einen Ruck, stand auf und schlurfte in die Küche.

May

Verdammt, mein Kopf schmerzt. Es waren wohl doch noch ein paar Cocktails zu viel gestern. Sarah hat mich regelrecht unter den Tisch gesoffen, wie peinlich. Obwohl wir noch einen super schönen Abend hatten. Wir haben echt viel getratscht und gelacht. Ein richtiger Mädelsabend einfach.
Es riecht nach Kaffee und Essen. Ich schlenderte in die Küche. Ryan stand vor dem Tisch und grinste mich an: „Guten Morgen.“ Nachdem ich ihm einen kurzen Kuss gegeben hatte, setzte ich mich an den Tisch. Er hat sich wirklich Mühe gegeben. Brötchen, Rührei mit Bacon, Croissants, Wurst und Käse auf einer Platte, Marmelade und in der Mitte hatte er drei Kerzen angezündet. „Ich wollte mich noch bei dir entschuldigen. Ich hab gestern wirklich Mist gebaut, das tut mir leid.“, verlegen sah er auf die Tischdecke.
Wie süß von ihm! Ich konnte mir mein Lachen nicht verkneifen: „Schon ok. Aber du musst mir versprechen, dass du nie wieder so zu mir bist, OK?!“ Kurz blickte er zu mir hoch und nickte. Gut, er scheint es wirklich zu bereuen. Ich war noch nie ein nachtragender Mensch. Nur frage ich mich immer noch, wie es mit uns weiter gehen soll. Ich möchte irgendwann mal Kinder und heiraten, na dieses ganze Zeug halt. Aber ist das möglich, wenn man einen Mann an seiner Seite hat, der mit Drogen zu tun hat?
„Sag mal, hast du es schon mal mit einem Entzug versucht?“, meinte ich beiläufig. Augenblicklich schnellte sein Kopf hoch: „Warum?“ Sein Gesichtsausdruck war eher skeptisch und irritiert. Ich war zwar nun nervös, kaute jedoch nach außen hin gelassen mein Brötchen weiter: „Nur so... Ich meine, ich mache mir manchmal Sorgen um dich. Du hast doch bestimmt schon mal über sowas nachgedacht oder?“ Er wurde Rot und sah bedrückt aus: „Natürlich will ich nicht ewig so weiter machen, aber... Ich habe es schon versucht, es hat mir nie wirklich geholfen. Und eine richtige Therapie macht mir einfach scheiße Angst!“
Ich nickte nur. Doch da waren noch mehr Dinge in meinem Kopf, die ich loswerden wollte. Irgendwie bemerkte ich, dass ich gar nicht so viel über ihn wusste, wie ich eigentlich dachte. „Warum hast du überhaupt damit angefangen?“, ich legte den Kopf schief. „May, bitte! Ich will darüber nicht reden, wirklich nicht... Akzeptier das einfach.“, Ryan stand auf, nahm seinen Teller und fing an diesen abzuwaschen. Hatte ich ihn verärgert? Vielleicht sollte ich wirklich nicht so viele Fragen über seine Vergangenheit stellen, ich wusste ja, dass diese nicht so rosig war.

Ryan

Verdammt! Warum musst du nur damit anfangen?! 
Nachdem ich meine Trauer runtergeschluckt hatte, ging ich zum Küchenschrank und öffnete die unterste Tür in der Ecke. Ich kramte, wie so oft, meine Schachtel heraus und verzog mich ins Wohnzimmer. Doch plötzlich bemerkte ich, dass May mir hinterher gekommen war. „Lass mich bitte kurz alleine.“, meinte ich nur. Sie schüttelte den Kopf und legte mir eine Hand auf die Schulter: „Mach das nicht.“ Ein Seufzen überkam mich: „Es ist meine Sache, ok?“ Ihr Blick fiel auf meine Arme. Verdammt, hör auf mich immer so anzusehen! Jetzt hatte sie schon genau denselben bemitleidenden Blick wie Corey. Vielleicht hätte ich mich damals doch anders entscheiden sollen. Damals, als meine Eltern tot waren und ich in dieses beschissene Heim gesteckt wurde. Das einzig Gute, was dieses blöde Heim für mich bereithielt, war meine erste Freundin. Die erste große Liebe könnte man sagen. Doch es hielt nur zwei Jahre und ein paar Monate. Wir waren auch erst siebzehn, aber damals war sie einfach alles für mich. Sie hatte sich von mir getrennt, weil sie mit meinem Konsum nicht mehr klar kam. Schon bevor wir zusammenkamen habe ich Drogen genommen, das wusste sie. Da sie streng gegen Drogen war, versuchte sie, mich davon abzubringen. Es hat mich immer sehr fasziniert, da alle anderen mich sofort abgestempelt haben. Aber sie nicht und das, obwohl sämtliche Rauschmittel für sie absolut nicht in Frage kamen. Chiara hat wohl einen besseren Menschen in mir gesehen, als ich wirklich war.
Tja und nachdem ich sowohl meine Eltern, als auch meine Freundin verloren hatte, stand ich am Abgrund und vor der Entscheidung, sterben oder weiter leben. In einer verregneten Nacht fuhr ich einfach zur Eisenbahnbrücke. Ich war kurz davor zu springen, doch letztendlich entschied ich mich dazu, weiter zu leben. War eine knappe Entscheidung. Ich wollte von den Drogen weg und Chiara zurückgewinnen. Doch diesen Plan konnte ich nie umsetzen.
Also wie man sieht, entschied ich falsch, als ich das Leben mit den Drogen wählte.

„May, bitte hör auf, meine Arme anzustarren... Ich weiß, dass es ein Fehler war. Könntest du jetzt bitte gehen?“, ich schaute leicht genervt zu ihr hoch. „E-Es tut mir leid, ich kann einfach nicht weg schauen.“, sie setzte sich neben mich und legte mir einen Arm um die Schultern. „Ich werde nicht weg gehen, also entweder du tust es jetzt oder du lässt es bleiben.“, daraufhin nahm sie mir die Schachtel aus der Hand.
Warum tust du das, May? Das bringt doch nichts...
„I-Ich, Ich will nicht, dass du dabei bist.“
„Dann mach es nicht.“
„Du hast ja keine Ahnung, wovon du sprichst. Das ist nicht, wie in den Schuhladen gehen, ein schönes Paar sehen, aber es nicht kaufen, weil man Geld für Essen braucht. Glaub mir, wenn ich zwischen Essen und dem Inhalt dieser Schachtel wählen müsste...“, der Kloß in meinem Hals wurde immer größer. Ich spürte, wie ich ungewollt anfing zu zittern. Verdammt, ich brauche das jetzt!
May stellte sie neben sich, rutschte vom Sofa und setzte sich auf den Fußboden, zwischen meine Beine. „Na ja, vielleicht brauchst du auch einfach etwas Ablenkung?“, sie kreiste mit dem Zeigefinger auf meinem Oberschenkel.

Ich hab es einfach nicht mehr ausgehalten. May dachte wirklich, sie könnte mich mit Sex bestechen. Ich griff mir die Schachtel, ohne ein Wort zu sagen und ließ sie sitzen. Im Hausflur nahm ich erstmal einige Tropfen Tilidin. Und jetzt laufe ich gefühlte Stunden, sinnlos durch die Straßen. Auf der anderen Seite der Fahrbahn entdeckte ich ein Cafe. Erstmal Pause machen.

May

Ich will ihm doch nur helfen. Ich will ihm wirklich nur helfen. Aber ich habe das Gefühl, alles nur noch schlimmer zu machen. Trotzdem verstehe ich es nicht. Gestern wollte er doch unbedingt noch mit mir schlafen und jetzt? Jetzt will ich ihm seinen Wunsch erfüllen und er lässt mich abblitzen...
Er hätte mir wenigstens noch sagen können, wohin er geht. Scheiße, es lief doch bis vor kurzem noch so gut. Nun sitze ich hier alleine vor dem Computer, versuche meine Kolumne endlich zu beenden und heule mir die Augen aus dem Kopf. Meine Mutter hat schon immer gesagt, es würde in unserer Familie liegen sich komplizierte Männer auszusuchen. Sie hatte es mit meinem Vater manchmal auch nicht leicht, trotzdem sind sie noch zusammen und lieben sich. Ich werde das mit Ryan auch schaffen. Ich weiß, er ist der richtige für mich. Wir kriegen das irgendwie hin!

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 20 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

Deep BlueWo Geschichten leben. Entdecke jetzt