Kapitel 11

9 2 2
                                    

May

Um 18 Uhr stand ich also vor der Bar, in der ich Ryan das erste Mal sah. Ich brauchte nicht lange zu warten, da kam Sarah angelaufen. Schon von Weitem winkte sie mir freudestrahlend. Ich lächelte und zur Begrüßung umarmten wir uns kurz. Sie hatte so eine unglaubliche Ausstrahlung. So selbstbewusst aber auf keinen Fall arrogant, fröhlich, offen, einfühlsam und super warmherzig. Und sie war so hübsch und sexy. Ich konnte wirklich verstehen, dass Corey so vernarrt in sie war.
„Oh man, May! Ganz ehrlich, hättest du 5 Minuten früher angerufen, wäre das gar nicht passend gewesen, also sei froh!“, sie lachte und machte eine theatralisch schwungvolle Handbewegung, „Na gut, lass uns rein gehen.“
Wir hatten einen Platz am Fenster, ein kleiner Tisch mit zwei Sesseln auserkoren. Nachdem wir uns gesetzt hatten, kam auch schon ein Kellner und nahm unsere Bestellungen auf. Sarah nahm einen Zombie, ich entschied mich für einen Swimming Pool.
„So, dann erzähl mal. Was liegt dir auf dem Herzen?“, wollte Sarah lächelnd wissen. Ihren großen braunen Reh-Augen hätte sich jeder anvertraut.„Ach, ich weiß auch nicht. Also ich und Ryan haben uns heute ein bisschen gestritten und ich habe das Gefühl, dass es vielleicht daran lag, dass er Drogen genommen hat... Oder er war entzügig, ich kann es nicht genau sagen.“, ich seufzte.
Sarah nickte: „Ok, aber warum habt ihr zwei Süßen euch denn gestritten?“
Also erzählte ich von Anfang an: „Also wir waren so am rummachen, aber als ich ihn dann ausgezogen habe, sah ich die ganzen Schnitte an seinem Oberkörper... Und ich konnte es einfach nicht ertragen, das zu sehen. Ich fing an zu weinen und anfangs tröstete Ryan mich noch, doch irgendwann stand er einfach auf und ging in die Küche. Als er dann wieder kam... Ja, da war er fast schon aggressiv, weil ich nicht mit ihm schlafen wollte, aber dann ist er auf einmal fast abgeklappt und schwitzte stark. Und dann war er angeblich müde und ging einfach ins Bett.“
Mein Gegenüber verzog nachdenklich das Gesicht: „Na ja, mit Corey ist mir so etwas zum Glück noch nicht widerfahren... In meiner Gegenwart kifft er meistens auch nur, alles andere macht er erst immer, wenn ich weg bin, auf der Arbeit oder so. Nur wenn er runter kommt ist er manchmal auch ziemlich zickig. Aber ich hatte schon mal eine ähnliche Situation mit Logan. Wahrscheinlich weißt du ja, dass er immer versucht hat, sich an fast jede Frau ran zu schmeißen?“
Ich nickte: „Oh, ja!“ Sarah musste grinsen: „Tja... Jedenfalls hat er es bei mir auch öfter mal versucht. Und dieses eine Mal hat Corey ihn geschlagen.“...

Sarah

... „Auch er hatte sich irgendwas eingeschmissen und wurde plötzlich, nun ja, wie soll ich sagen... Über Tote redet man nicht schlecht, aber er war einfach etwas notgeil.“
Ha,´etwas´ ist gut. Dieses Arschloch hat mir sogar zwischen die Beine gefasst. Mir wurde schon flau im Magen, wenn ich nur daran zurück dachte.
An diesem Abend waren wir auch hier in der Bar. Ich war müde und wollte nach Hause, doch Corey wollte noch bei Ryan bleiben. Sie hatten noch etwas zu besprechen, da es Ryan zu dieser Zeit nicht besonders gut ging. Es war kurz nach der Trennung von seiner ersten Freundin. Um sicher zu gehen, dass ich heil Zuhause ankam, bot Logan an, er könne mich begleiten. Corey fand den Vorschlag gut, da er mich nicht allein gehen lassen wollte. Ich willigte ebenfalls ein, doch bevor wir uns auf den Weg machten, ging er noch auf die Toilette. Gott weiß, was er dort für ein komisches Zeug genommen hat. Als wir ein paar Straßen von der Bar entfernt waren, fing er an mit mir zu flirten. Immer wieder sagte er, wie heiß ich wäre und was Corey doch für ein Glückspilz sei, auf diese Tour eben. Und später kamen Anspielungen wie 'Hey, willst du nicht auch Mal wieder etwas Abwechslung? Muss ja niemand erfahren, oder?'.
Ich war so dumm und naiv. Anstatt ihn gleich in seine Schranken zu weisen, tat ich es mit einem Lächeln ab. Ich dachte wirklich, er würde nur Mal wieder etwas rum spinnen.
Doch dann plötzlich stieß er mich vom Weg ab, in eine Gasse. Er wollte wissen, ob ich Lust hätte es mit ihm zu tun. Natürlich antwortete ich mit Nein, doch ihn schien es nicht sonderlich zu interessieren. Immer wieder sagte er, komm schon und hab dich nicht so. Anfangs dachte ich noch, er würde mich schon wieder in Ruhe lassen, denn Logan hatte oft genug versucht bei mir zu landen, hatte jedoch bis Dato seine Niederlagen immer akzeptiert. Aber er fing an mich anzufassen und wurde immer grober. Er griff mir an die Brüste, küsste meinen Hals, fuhr mit seiner Zunge über meine Wange und fasste mir schließlich in meinen Slip. Es war schlimm. Es war widerlich.
Anfangs war ich wie in einer Schockstarre und unfähig mich zu bewegen oder zu schreien. Irgendwann fing ich jedoch an, nach Hilfe zu rufen. Er kam mir vor wie ein räudiger Hund, der nur seinen Trieben nachgehen wollte, ohne jegliche Rücksicht. Ich schmiedete schon verschiedenste Pläne, wie ich mich befreien könnte. Doch dann kamen glücklicher Weise gerade noch rechtzeitig, Ryan und Corey um die Ecke, die mich gehört hatten.
Ich hatte Corey noch nie so aufgebracht erlebt. Ryan und ich mussten ihn von Logan losreißen, um schlimmeres zu verhindern. Ich bin mir sicher, wären wir nicht dazwischen gegangen, hätte er ihn totgeschlagen.
Nach diesem Abend hatte Logan diverse Prellungen, Platzwunden und eine gebrochene Nase. Er hatte sich aufrichtig bei mir entschuldigt und mir gesagt, ihm hätte ein Drogen-Cocktail das Hirn vernebelt. Aber von da an, fühlte ich mich immer unwohl in seiner Gegenwart. Corey machte sich extreme Vorwürfe, konnte Logan aber schlussendlich verzeihen. Ich konnte das nicht. Ich verhielt mich nur Corey zu Liebe normal, weil ich ihre Freundschaft nicht zerstören wollte.

„Na ja, er hat mich in Coreys Abwesenheit ziemlich bedrängt. Nach dem Vorfall entschuldigte er sich ständig bei mir, da er sich selbst nur noch teilweise daran erinnern konnte. Ich war nur heilfroh, dass Corey noch zur rechten Zeit kam und ihn in seine Schranken gewiesen hat.“, ich lächelte May verständnisvoll entgegen. Diese rührte bedrückt in ihrem Cocktail: „Aber was ist, wenn so etwas noch einmal passiert? Ich habe wirklich Angst davor...“ 

May

Sarah strich mir zärtlich über den Arm: „Hey, das wird schon wieder. So, wie ich Ryan kenne, tat es ihm garantiert schon ein paar Sekunden später leid. Er ist eigentlich der am wenigsten aggressive oder gemeine Mensch, den ich kenne. Rede mit ihm darüber, dann wird er dieses Zeug bestimmt nie wieder nehmen.“ Ich zwang mich zu lächeln. Sarah ist wirklich süß, aber stellt sie sich das Ganze nicht vielleicht ein bisschen einfach vor? Ich seufzte: „Ok, vielleicht hast du Recht. Ich werde einfach mit ihm darüber reden.“ Immer noch lächelnd nickte die Blondine: „Gut, falls irgendetwas ist oder du reden willst,  kannst du dich jeder Zeit bei mir melden.“ 
„Danke.“, ich strich ihr über den Oberarm. Es hatte mir gut getan zu reden, aber ich war immer noch beunruhigt.

Deep BlueWo Geschichten leben. Entdecke jetzt