Nikolaj Pirazhkov

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Da lag der kleine Engel, die Flügel gebrochen, der zierliche Körper zusammengekauert, die leuchtenden Augen geschlossen, die vollen Lippen geöffnet.

Ein letztes Mal lehnte ich mich dem Bildschirm entgegen, bevor ich meine müden Glieder streckte. Sie schrien allesamt verspannt auf und sobald ich die Augen kurz schloss, spürte ich, diese unangenehm brennen. Erschöpft rieb ich mir übers Gesicht, ein tiefes Seufzen auf den Lippen.

Wie viele Tage hatte ich nun nicht mehr geschlafen? Mir kam es wie eine Ewigkeit vor. Ich war wirklich zu erschöpft, um das zu tun, was mein verdammtes Herz jedoch mehr als alles andere wollte. Also erhob ich mich und folgte seinem Willen. Leise öffnete ich die schwere Tür im Keller meines Anwesens und trat dem kleinen Engel entgegen. Sanft und so vorsichtig wie mir nur möglich, hob ich sie auf meine Arme. Das Gewicht in ihnen gefiel mir, wenn möglich würde ich sie tagein, tagaus auf meinen Armen tragen. Doch das Zittern meiner Muskeln erinnerte mich erneut an meine Verfassung, weshalb ich sie langsam auf das Bett niederließ. Mit wenigen Schritten war ich beim Schreibtisch, kramte in der Schublade und holte eine Salbe heraus, um diese vorsichtig auf ihren Rücken aufzutragen. Die Striemen zierten ihre Haut wie Ketten, die eine Frau trug, um ihre Schönheit zu untermalen. Auch wenn mir der Gedanke gefiel, sie noch länger auf ihrer Haut zu sehen, überwog das Drängen, meinen kleinen Engel nicht unnötig zu quälen. Die Salbe würde die Schwellung verschwinden lassen, die Röte verblassen und damit meine Spuren von ihrer Haut löschen. Schmerz breitete sich wie ein Geschwür in meiner Brust aus und ließ mich abermals hart schlucken.

Sie war bei mir, sie war hier und wieso konnte ich dann nicht endlich zur Ruhe kommen?! Leise knurrend griff ich in mein Haar und kämmte es zurück, nur um meinem nächsten Impuls nachzugeben und mich neben sie zu legen. Ich breitete meine Arme aus und ganz ohne mein Zutun drehte sie sich zu mir, schmiegte ihre Wange an meine Brust und kuschelte sich fester an meinen Körper. Mit einem Lächeln schloss ich die Augen und genoss ihren Herzschlag so ruhig und fest, nah an meinem. Da war die Ruhe auch schon, die ich so sehr herbeisehnte.

„Mhm...Dante...", wisperte sie an meinem Hemd und ließ jedes warme Gefühl aus meinem Körper weichen. Meine Augen wanderten hinab zu ihrem Profil und glitten tiefer über ihren geschundenen Rücken.

Oh, ich würde diesem kleinen Engel jede einzelne Feder ausreißen. Bis sie noch nicht mal mehr den Namen dieses Stück Drecks kannte, das sich wiederholt zwischen uns drängte!

Sie gehörte allein mir! Ich brauchte sie wie die Luft zum Atmen und das wusste sie auch...sanft zog ich sie fester an mich und schloss die Augen. Ich brauchte diesen kleinen Moment, um meinem Herzen zu vergewissern, dass wir sie nie wieder verlieren würden.

*****

Erschwert versuchte ich, Luft zu holen und öffnete nur widerstrebend die Augen. Doch anstatt etwas zu sehen, war da nur die Dunkelheit um mich. Ich hörte ein angestrengtes Keuchen und ein reibendes Gewicht auf meiner Brust. Bevor ich mich jedoch dazu entschied, einfach weiterzuschlafen, war der Wille, wieder frei atmen zu können, größer. Daher griff ich an den Stoff auf meinem Gesicht und warf das Gewicht von mir. Kaum dass ich mich aufgesetzt hatte, sah der kleine Engel mit zerzaustem Haar und wildem Blick mir entgegen. Das Laken noch immer zusammengedrückt in ihren Händen. Ich beäugte sie ruhig und schluckte die aufkommende Wut in mir hinab. „So einfach wie im Film ist das Ersticken eines Menschen wohl doch nicht, hm?"

Ihre Augen spieen Funken und ließen mich in mich hinein lachen. Dieses neue Feuer in ihr gefiel mir glatt noch mehr als ihre Unterwürfigkeit. Falls sie diese noch in den richtigen Momenten bewies, wäre sie tatsächlich die perfekte Frau an meiner Seite. Meiner ebenbürtig.

„Wären die Ketten lang genug, hätte ich dich stranguliert!", unterbrach sie zischend mein Schwärmen und ließ mich durch ihren Trotz breit grinsen.

„Natürlich hättest du das Princesa," schnurrte ich leise und zog sie an den Ketten, mit denen sie eben noch drohte, mich zu töten, näher an mich heran. Widerstrebend ließ sie es zu und fiel nach einem weiteren kräftigen Zug an ihren Fesseln bäuchlings auf meine Brust. „Wie geht es dir?"

Sie hob misstrauisch eine Braue und verengte ihre wunderschönen Augen zu kleinen Schlitzen. „Wieso schlägst du die Antwort nicht aus mir raus?!"

Grinsend schob ich mein Gesicht näher an sie heran. „Oh, da fallen mir noch viel bessere Methoden ein..." Mit diesen Worten näherten sich meine Lippen den ihren, weil sie es einfach mussten. Ich musste sie spüren, sie schmecken, in ihr ertrinken.

Die kleine Schlampe biss mit voller Wucht zu und fing sich daraufhin meine Faust ein. Ihr Kopf schnellte zur Seite und sie fasste zittrig an ihre blutige Lippe. Wütende Blitze schossen mir entgegen und ließen mich tief seufzen. Es schmerzte mir mehr, als so hart zu ihr zu sein, doch dieser respektlose Scheiß musste endlich aufhören.

Ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden, ob sie mir weiterhin etwas vormachen wollte, packte ich sie an den Armen und zog sie unter mich. Mit meinen Knien und Armen fixierte ich die ihren auf dem Bett und starrte ihr entgegen. Ohne weiter an mich halten zu können, presste ich meine Lippen erneut auf die ihren und seufzte genüsslich, da sie sich diesmal nicht wehrte, sondern einfach still hielt. Leidenschaft war etwas anderes, aber Akzeptanz war ein Anfang, nicht wahr? Mir war nicht klar, wessen Blut ich da schmeckte. Meines von der zerbissenen Lippe oder ihres von der aufgeplatzten Lippe, aber allein die Tatsache, dass wir nun eine Wunde an derselben Stelle teilten, ließ wieder Ruhe in mir aufkommen. Lächelnd hob ich meinen Kopf von ihr und legte diesen etwas schräg, „Also noch mal. Wie geht es dir?"

Da lag sie, schweigend, trotzig, kalt und doch machte sie mich mit ihrem Verhalten nicht wie sonst wütend. „Eine neue Taktik? Strafst du mich mit schweigen?" Wieder keine Antwort. „Weißt du Alex, würde ich nicht wollen dass du die Fähigkeit behieltest mit diesem göttlichen Mund meinen Schwanz zu lutschen, hätte ich ihn dir schon längst zugenäht. Ich wäre mir an deiner Stelle nicht so sicher, ob ich nicht auf deine Zunge verzichten könnte." Und da war die erhoffte Reaktion.

Sie riss die Augen auf, entzog mir ihre Arme und schlug auf alles ein, das sie treffen konnte. „Du verdammtes Arschloch! Verfluchter Psychopath! Ich bring dich um! Gott verdammt!!!"

Ich wich keinen Millimeter zurück, erduldete all ihre Schläge mit zusammengebissenen Zähnen, bis ihre Wut langsam abflaute. Es schmerzte höllisch, sich allein in dieser Position über ihr zu halten, ihre Schläge taten ihr Übriges, dennoch sollte Alex nicht denken, mich mit solchem Mist beeindrucken zu können. Nachdem sie erschöpft, zurück auf die Matratze sank und mich wütend, wie schnaubend anfunkelte, legte ich meine Hand an ihren Hals und drückte langsam zu, bis ihre Augen sich weiteten und die altbekannte Panik, die ich so liebte, ihr Gesicht zierte. .

„Du solltest dein Verhalten mir gegenüber wirklich überdenken", auch wenn ich ihren Kampfgeist vergötterte, „oder willst du, dass ich dich töte?", was ich niemals tun würde. Aber das musste sie ja nicht unbedingt wissen.

„Das...würdest...du...nicht...", krächzte sie leise gegen den Druck meiner Hand an und ließ mich innerlich lachen, während ich äußerlich nicht eine Wimper zuckte.

„Was macht dich da so sicher?" Hämisch grinsend drückte ich meine Hand noch etwas fester zu, um meine Drohung zu unterstreichen, kam jedoch auch ihrem Gesicht näher, um sie zu verstehen. Sie schwieg und ihr Puls verlangsamte sich bedrohlich, weshalb ich mich entschied, das Spiel schlagartig zu beenden. Ohne ein weiteres Wort von mir zu geben, stieg ich geschmeidig von ihr runter und machte mich auf den Weg zur Tür. Ich musste wissen, wie spät es war und wie lange ich geschlafen hatte. Doch bevor ich die Tür zuzog, hörte ich ein Räuspern.

„Weil du mich liebst...", krächzte mein kleiner Engel die Antwort, auf die ich gar nicht mehr gewartet hatte.

Ich setzte zu einer Antwort an, schloss jedoch ohne eine zu geben die Tür. Für immer Princesa.

Mute (Band 2 der Chaise Reihe) (Pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt