Kapitel 19 – Lee Know
August 2022
„Was ist?"
Keine Antwort.
Hörbar stieß ich die Luft durch die Nase aus und blickte von meinem halb geschmolzenen Eisbecher auf.
Was grinste er denn so?
„Was? Hab ich etwas im Gesicht?"
Jihos Grinsen wurde noch eine Spur breiter, reichte beinahe von einem Ohr zum anderen. Doch statt mich davon anstecken zu lassen, bewirkte das Ganze eher das Gegenteil: Meine Laune sank weiter.
„Ach nichts. Ich erfreue mich nur an deiner überaus reizenden Stimmung", lachte er und entlockte mir damit ein weiteres genervtes Schnauben. Würden wir uns nicht schon seit Schulzeiten kennen, hätte er wahrscheinlich längst die Flucht ergriffen. Aber er hielt sich wacker.
Ja, heute hatte ich wirklich einen schlechten Tag. Egal, was ich tat, meine Laune wollte sich einfach nicht bessern. Nicht mal das Eis in unserem Lieblingscafé, das für gewöhnlich alles besser machte – obwohl ich sonst kein großer Eisfreund war – half heute. Es war zum Verrücktwerden und ich konnte es mir selbst nicht erklären, denn an sich hatte der Morgen ganz gut begonnen. Bis –
„Möchtest du dein Eis noch essen oder weiter darin herumrühren, bis es sich komplett in Suppe verwandelt hat?"
Mit einem missmutigen Seufzen schob ich den Becher von mir und blickte zu Jiho auf. Das Grinsen schien auf seinen Lippen festgewachsen zu sein.
Oh Mann.
Sosehr mich seine gelassene und viel zu fröhliche Art gerade aufrieb, ich war ihm dankbar dafür, dass er sich so spontan mit mir traf und mich dann auch noch geduldig ertrug. Sonst hätte ich den Tag alleine im Dorm verbringen müssen und ob das wirklich besser gewesen wäre, war fraglich.
Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich geistesabwesend nach meinem Handy gegriffen hatte, erst der hell aufleuchtende Bildschirm holte mich aus meinen Gedanken zurück.
Für einen kurzen Moment machte mein Herz einen kleinen Sprung, als das Nachrichtensymbol erschien, doch... Es war nur unser Manager, der uns alle darüber informierte, wann wir morgen abgeholt wurden.
Hm.
„Keine Nachricht?"
„Keine relevante."
Mit einem schweren Seufzen – ich musste wirklich aufpassen, dass das Seufzen nicht zur leidlichen Gewohnheit wurde – verstaute ich das Handy wieder in der Hosentasche. Eigentlich war es nicht schlimm, dass er nicht schrieb. Was mir vielmehr zusetzte, war meine eigene Erwartungshaltung und die nun folgende Enttäuschung. Seit wann fieberte ich jedem Lebenszeichen von Han so extrem entgegen? Und das nur, weil er heute keine Zeit für mich hatte.
„Mensch, Minho. Ich erkenne dich gerade kaum wieder."
Ich hörte die Belustigung in Jihos Stimme.
„Hm... da geht's dir wie mir."
„Du könntest ihm doch schreiben und nachfragen, wie es gerade läuft oder ob du ihn womöglich aus dem unangenehmen Date retten sollst."
„Han ist nicht auf einem Date", kam es wie aus der Pistole geschossen.
Nein, war er wirklich nicht, schließlich durften wir das auch gar nicht. Er traf sich nur mit einem alten Freund aus Kindheitstagen. Oder aus Malaysia. Oder woher auch immer.
Irgendetwas in meinem Brustkorb zog sich empfindlich zusammen.
Wie er heute Morgen in die Wohnung gestürmt war, damit ich ihn bei der Kleidungsauswahl unterstützte. Er hatte es kaum hinbekommen, seine verwuschelten Haare in eine anständige Frisur zu verwandeln, so aufgeregt war er anschließend im Bad herumgewuselt. Ich hatte ihm dabei helfen müssen.
Der schale Beigeschmack auf meiner Zunge verstärkte sich. Nicht mal das Eis hatte ihn überdecken können.
Warum betrieb er eigentlich diesen Aufwand für ein normales Treffen? Sogar Make-up hatte er aufgetragen. Das tat er bei unseren Verabredungen nie.
Und viel wichtiger: Warum störte es mich so sehr?
Am liebsten hätte ich den Kopf auf den Tisch sinken lassen und für einen Moment die Augen geschlossen, doch das ging nicht, auch wenn wir in einer abgeschiedenen Ecke des Cafés saßen. Wir waren immer noch in der Öffentlichkeit.
Stattdessen beschränkte ich mich darauf, mein Gesicht in den Handflächen zu vergraben und ein erneutes Seufzen aus meinem Inneren zu entlassen.
Hach... Ich benahm mich lächerlich.
Ich musste Jiho recht geben: Ich war gerade nicht ich selbst, kaum wiederzuerkennen. Das war verwirrend und vor allem nervig.
„Minho, würdest du zugeben, dass du eifersüchtig bist?"
„Bitte?"
Irritiert blinzelte ich durch meine Finger hindurch, in Jihos fast schon mitleidiges Gesicht. Endlich war das Grinsen weg.
„Warum sollte ich?"
Er zuckte nur leicht mit den Schultern und betrachtete mich weiter interessiert.
Eifersüchtig?
Auf wen denn?
Nein, das konnte nicht sein.
Das drückende Gefühl in meiner Brust nahm weiter zu und machte mir das Atmen schwer.
Es war wirklich zum Haare raufen.
Abermals schloss ich die Augen. Bewusst atmete ich tief ein und aus, um so etwas Klarheit zurück in mein Hirn zu bringen.
Immer wieder sah ich Jisungs Gesicht vor mir, wie der Ausdruck darin ständig zwischen Aufregung, Unsicherheit und Freude wechselte, ehe er mit leicht geröteten Wangen die Wohnung verließ.
Ob er gerade mehr Spaß hatte, als wenn wir –
Nein!
Ach verdammt. Wenn ich ehrlich zu mir war, störte es mich wirklich, dass er heute so aufgekratzt gewirkt hatte, obwohl er sich anscheinend „nur" mit einem alten Bekannten traf. Wieso war er nie so, wenn wir etwas unternahmen, sondern wirkte dann einfach nur entspannt. Warum –
Okay, vielleicht war ich doch eifersüchtig.
Ergeben senkte ich die Hände und hob den Blick. Jiho lächelte mich wissend an.
„Hm... Du bist echt anstrengend, wenn du mich so analysierst", murmelte ich und nahm einen Schluck von meinem nicht mehr ganz so kaltem Iced Americano.
Mein Freund lachte nur und tat es mir gleich, ehe er mich wieder prüfend ansah.
„Da gab es nicht viel zu analysieren. Deine Laune verrät dich. Und ganz ehrlich, es ist doch nicht schlimm, eifersüchtig zu sein."
„Auch nicht, dass ich gerade den Drang habe, am liebsten immer in Jisungs Mittelpunkt stehen zu wollen?"
Genau das war es, was das Gefühl in mir am besten beschrieb.
„Wieso kann er nicht auch so aufgeregt sein, wenn wir uns treffen?"
Oh Mann... wenn das einer hörte. Ich spürte die Hitze meinen Hals hinaufsteigen. Nein, das klang wirklich kein bisschen eifersüchtig. Ich konnte mich gerade noch davon abhalten, die Augen über mich selbst zu verdrehen.
„Hm... Vielleicht, weil er sich einfach wohl und sicher in deiner Nähe fühlt und er sich in diesen Momenten entspannt?"
Ich blinzelte. Einmal. Zweimal.
Das klang tatsächlich logisch.
Jiho lächelte milde und trank seinen restlichen Kaffee aus.
„Zerbrich dir nicht den Kopf. Ihr beide seid doch wie – wie hat Seungmin gesagt? Ach ja, wie zwei Essstäbchen, die man nicht trennen sollte."
Mit großen Augen starrte ich ihn an.
„Du hast die »2 Kids Room«-Folge gesehen?"
Jiho grinste verschmitzt.
„Vielleicht? Wie auch immer. Jedenfalls mach dir keine Sorgen darüber, ob er dich plötzlich durch jemand anderen ersetzen könnte. Wird er nicht."
Langsam stieß ich die Luft, die ich unbewusst angehalten hatte, durch die Nase wieder aus.
Es klang so ... einfach. Hatte er vielleicht recht?
„Willst du nicht zum Lebensberater umschulen oder so?"
„Nein, danke. Ich bin ganz glücklich mit meinem Job. Dafür darfst du dieses Mal meinen Kaffee zahlen."
Mit einem zufriedenen Schmunzeln gab er der Angestellten ein entsprechendes Zeichen.
Während ich auf die Rechnung wartete, vibrierte das Handy mehrmals in meiner Hosentasche.
Drei neue Nachrichten.
„Oh."
»Hey. Bin schon wieder zurück. Es war... okay.«
Ein neutraler Emoji unterstrich die Worte.
»Wollen wir nachher noch einen Film schauen?«
Der Knoten in meiner Brust löste sich endgültig, als ich meine Antwort tippte.잊어버리고 싶던 지워버리고 싶던
그딴 기억 따위 오늘 전부 날릴 수 있어
잠이 들기 전 떠오를 good memory
I wanted to forget, I wanted to erase
I can blow away all those memories today
A good memory that will come to mind before I fall asleep
-DLC-
Nachwort:
Keine Ahnung, wie Lee Knows Freunde, die des Öfteren mal in den Vlogs auftauchen, wirklich heißen. Deshalb habe ich einen von ihnen jetzt einfach Jiho genannt. Sollte das Geheimnis irgendwann gelüftet werden, kann ich ihn ja allemal noch umbenennen ^^
Ansonsten hoffe ich wie immer, dass es gefallen hat.
Es wird zum nächsten Lee Know Kapitel einen recht großen Zeitsprung geben, da das Kapitel dann nach Oktober 2022 spielen wird, als dem Zeitpunkt, an dem ihre Beziehung änderte (Kapitel 6).
Viele Grüße
Luna
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Through the years (Minsung)
Fanfiction.band life story. - Plötzlich blieb mein Blick an einem Jungen hängen, der bewegungslos, etwas weiter hinten auf einem Stuhl saß und so wirkte, als würde er nicht dazugehören. Und sein Blick... Er schien mich komplett durchleuchten zu wollen. Für...