10 Wo warst du

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12 Jahre alt, Clarisia

Der Geruch nach feuchtem Moos lag in der Luft.
Jede Faser meines Körpers angespannt spähte ich um den dicken Stamm eines Baumes. Die Aufregung pumpte heisses Adrenalin durch meine Adern und beschleunigte meinen Atem.

Durch das dichte Gebüsch konnte ich Lorelies Gestalt ausmachen. Sie bemerkte meinen Blick und nickte mit ernster Miene. Wie meine Freundin duckte ich mich und schlich über den Waldboden.
Die welken Blätter erzeugten ein kaum hörbares Rascheln unter meinen nackten Füssen.
Ein heiseres Grollen liess mich erstarren und jagte ein Kribbeln über meine Haut.
Die Haare an meinem Nacken sträubten sich.

"Erwischt."
Es war noch nicht lange her, seitdem seine Stimme sich begonnen hatte zu verändern. Sie war tiefer geworden, doch die Pubertät liess sie rau klingen.
Fest biss ich die Zähne zusammen und drehte mich langsam um.
Damiens Gestalt lauerte zwischen den Tannenzweigen, der Schatten der Bäume zeichnete sein Gesicht und liess es dunkel wirken.

"Erst musst du mich fangen", brachte ich gepresst hervor.
Ein feuriger Funke erhellte seine Augen, die Euphorie der Jagd zauberte ein hämisches Grinsen auf sein Gesicht. "Dann lauf, kleiner Wolf."
Ohne eine Sekunde zu vergeuden, wirbelte ich herum und rannte davon.
Während meine Füsse über den Waldboden donnerten, warf ich einen Blick über die Schulter.

Damien gewährte mir einen Vorsprung.
Doch es dauerte nicht lange bis ich sein raues Keuchen in meinem Rücken hören konnte, während seine Gestalt durch das Dickicht preschte.
Verzweifelt zwang ich meine Beine dazu noch schneller zu laufen, ich schlug Haken um die Baumstämme und hechtete über den Graben des Baches.
Eine Hand fasste nach meinem Handgelenk und riss mich von den Füssen.

Ich schlitterte über den lehmigen, feuchten Boden, doch mit einem Aufschrei sprang ich wieder hoch.
Ich konnte Damiens heissen Atem im Nacken spüren, als sich seine Hände fest um meine Arme schlangen.
"Du entkommst mir nicht", knurrte er an meinem Ohr.
Ich wand mich unter seinem Griff, mit einem wütenden Fauchen spuckte ich ihn an. Damiens Augen weiteten sich überrascht, dannn brach er in übermütiges Lachen aus.

"Oh, Cass", sagte er und seine Stimme wurde lauernd. "Ich bin ja so froh, dass ich dich gefangen habe."
Er versetzte mir einen heftigen Stoss in den Rücken, sodass ich taumelnd auf die Knie fiel.
"Au!", schrie ich und versuchte ihn zu treten, doch Damien griff nach meinem Arm und verdrehte ihn hoch zu meiner Schulter.

Unfähig mich zu rühren, starrte ich in sein selbstgefälliges Gesicht. "Immer musst du übertreiben!"
Damien grinste bloss und stiess mir sein Knie zwischen die Schulterblätter.
Oh, seine Eltern hatten seinen Namen ja so passend ausgewählt.
Sollte er doch in die Hölle zurückkehren, wo er herkam.
Dämon!

Clarisia

Der schrille Ton der Trillerpfeife schmerzte in meinen Ohren.
"Pause!", schrie unser Sportlehrer über das laute Getrampel. "Trinkt was, vielleicht trefft ihr danach besser."
Er schüttelte den Kopf, mit den Händen fuhr er durch seine schütteren Haare.
Ich lachte laut und klatschte Lorelies ausgestreckte Hand ab.

"Ich fand uns nicht schlecht", meinte meine Freundin mit einem Grinsen.
Ich joggte zu meiner Wasserflasche hinüber und bemerkte Damiens Blick. Hastig senkte er den Kopf, er wischte mit dem Unterarm über seine verschwitzte Stirn.
Ich schnappte meine Flasche und stellte mich neben ihn. In einer fliessenden Bewegung streifte ich meinen dünnen Pullover ab und zog dabei mein Shirt in die Höhe, sodass ein Streifen meines Bauches sichtbar wurde.
Ich konnte sehen, wie Damien sich neben mir versteifte.

Aufbrausend, Ahnungslos, AlphaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt