28 Wasserfest

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17 Jahre alt, Damien

"Wie kannst du es wagen, eines deiner Rudelmitglieder grundlos anzugreifen!", wetterte mein Vater. "Ich bin enttäuscht von dir, absolut enttäuscht!"
Ich hielt meinen Blick stur auf die Füsse gesenkt und bemühte mich um eine möglichst gleichgültige Miene.
Doch meine Hände, die krampfhaft die Finger kreuzten, verrieten mich.
Die Scham brannte heiss auf meinen Wangen und mein Magen zog sich schmerzhaft zusammen.

"Es ist deine Aufgabe, die Rudelmitglieder zu beschützen", fuhr mein Vater aufgebracht fort.
"Sie hat mich über das Geländer geschubst", brachte ich zu meiner Verteidigung hervor, doch meine Stimme klang viel zu leise. "Ich hätte mir das Genick brechen können."
"Damien, sieh mich an", forderte mein Vater mit schneidender Stimme.
Fest biss ich die Zähne zusanmen und sah in sein Gesicht, seine Miene glich einer steinernen Maske.

"Du bist ihr Alpha. Du musst in jeder Situation die Kontrolle haben."
Seine verdunkelten Augen funkelten mich an. "Ob sie dich provoziert hat oder nicht, das interessiert mich nicht.
Mich interessiert nur, ob du die Oberhand über deine Bestie behalten kannst."
Ich schluckte schwer und nickte.
Mein Vater schnaubte entnervt durch die Nase. "Raus mit dir."

Folgsam lief ich zur Tür und trat hinaus in den Wohnbereich.
Meine Mutter sah vom Küchentresen auf, wo sie dabei war die Zutaten für einen Kuchen zusammen zu mischen.
Sie lächelte mich mitfühlend an, doch ich blickte bloss genervt an die Decke.
Ein stechender Schmerz pulsierte in meinem Gesicht, wo Cass' Faust mich getroffen hatte.
Für so eine kleine Person hatte sie ganz schön viel Kraft.

"Oho!" Kira grinste schief, sie schnappte sich ein Stück Schokolade von der Theke und steckte es in den Mund. "Wer hat dir denn das blaue Auge verpasst? Ich muss gratulieren!"
Unsere Mutter warf ihr einen tadelnden Blick zu, den meine Schwester vehement ignorierte.
"Clarisia", murrte ich leise.
Nur schon, wenn ich ihren Namen aussprechen musste, kroch die Wut wie Säure in meinem Magen hoch.

"Ach, sie ist in meinem Tanzkurs. Schlagfertiges Mädchen." Sie musterte mein geschwollenes Gesicht. "Wortwörtlich."
"Halt die Fress..." Mein Blick wanderte hinüber zu unserer Mutter, die warnend die Brauen in die Höhe zog und ich verstummte.
"Moment mal!" Kiras Miene erhellte sich. "Ist das nicht dasselbe Mädchen, das dich schon einmal verprügelt hat? Als du klein warst?"

Ich gab ein drohendes Knurren von mir, doch meine Schwester kicherte nur schadenfroh.
Als ich Richtung Ausgang lief, rempelte ich sie mit der Schulter an, sodass sie ins Taumeln geriet.
"Damien", rief meine Mutter mir nach. "In einer Stunde essen wir alle zusammen Kuchen, ja?"
"Und damit ist alles vergessen, wie immer", murmelte ich leise und knallte die Tür hinter mir zu.

Clarisia

"Cass." Die Stimme meiner Freundin drang durch das Holz. "Darf ich reinkommen?"
Mein Blick haftete starr an der weissen Decke. Die Arme ausgestreckt lag ich auf meinem Bett, ruhiger Atem hob meinen Brustkorb. Das Laken roch nach Damiens Haut und salzigen Tränen.
Doch die Schluchzer waren verstummt und zurück blieb eine kühle Leere.
Mit einem leisen Klicken öffnete sich die Tür. "Cass?"

Ich drehte den Kopf weg, damit sie mein verheultes Gesicht nicht sehen konnte.
Ich konnte hören, wie Lorelie mit zögernden Schritten auf mich zukam und sich auf die Bettkante setzte.
Sie legte eine Hand auf meinen Unterarm. Ihre Finger fühlten sich warm an und machten mir erst bewusst, dass ich fror.

"Jayce hat erzählt, dass ihr euch gestern Abend angebrüllt habt", sagte sie mit sanfter Stimme. "Du und Damien."
Kraftlos zuckte ich mit den Schultern, den Blick auf den Fensterrahmen gerichtet.
Lorelie seufzte leise. "Es tut mir so leid, Cass."
Tröstend streichelte sie meinen Unterarm.
"Er wird die Prägung zurückweisen", flüsterte ich, wobei ich Lorelie das Gesicht zuwandte.
Sie verzog ihren Mund, während ihr Blick über mein Antlitz huschte.

"Bist du sicher? Vielleicht überlegt er es sich anders", gab sie zu bedenken und lächelte aufmunternd.
Matt schüttelte ich den Kopf. "Er will mich nicht und dann habe ich ihm gesagt, dass er mich zurückweisen soll."
Meine Stimme klang krächzend von den vielen Schluchzern, die ein wundes Gefühl in meiner Kehle hinterlassen hatten.
Eine Weile schwiegen wir.
"Du hast das nicht verdient", sagte Lorelie schliesslich.
Sie griff nach meinen Händen und zog mich in eine sitzende Position.

"Bald trifft das Silbermondrudel ein", fuhr sie fort. "Und als junge Luna solltest du vielleicht vorher..."
Sie verstummte und deutete mit mitfühlender Miene auf mein Gesicht.
"Ich bin nicht die junge Luna", entgegnete ich, während ich meine verquollenen Augen und das aufgedunsene Gesicht im Spiegel musterte.
"Noch bist du sie und du wirst bei der Begrüssungszeremonie ganz vorne stehen." Lorelie kramte bereits Pinsel und Puder aus meinem Schminktisch.
Mit einem ergebenen Seufzer hievte ich mich auf die Füsse.

Als meine Freundin begann, mein Gesicht zu bepinseln, fing sie an zu quatschen.
Sie erzählte mir von ihrem letzten Date mit Jonah, als mein Bruder sich mit Eis vollgekleckert hatte und davon, dass Ann sich heute Morgen früh ihre Haare hatte dunkler färben lassen.
"Es steht ihr", schloss sie die ausführliche Erzählung und ich nickte, unglaublich dankbar darüber schweigen zu können.
Lorelie verteilte bronzenen Lidschatten über meinen Augen, dann reichte sie mir die Wimperntusche.

"Wasserfest?", fragte ich und beugte mich nahe an den Spiegel.
Meine Freundin zwinkerte mir zu. "Natürlich."
Nachdem ich meine Haare mit einer Spange hochgesteckt hatte, nahm ich sie in den Arm.
"Danke", flüsterte ich an ihrem Ohr.
Lorelie erwiderte meine Umarmung. "Dafür haben wir uns doch."
In diesem Moment erklangen kräftige Klofpschläge. "Clarisia, bist du bereit?"
Ilsa, unsere Luna, steckte den Kopf herein.
"Ja." Meine Stimme klang dünn.

Damiens Mutter kam ins Zimmer und musterte mich kurz.
Dann nickte sie zufrieden. "Gut."
Ilsa trug ein Baumwollkleid, das kühle Weiss des Stoffes brachte ihre bernsteinfarbenen Augen zum Leuchten.
Ihre hellen Haare hatte sie zu einem strengen Dutt zusammen gebunden.
Sie legte ein weisses Kleid auf mein Bett, mit einem leichten Lächeln drehte sie sich zu mir um. "Bitte, zieh das an. Ich warte draussen."

Ilsa verliess das Zimmer und ich griff, unter dem prüfenden Blick von Lorelie, nach dem Kleid.
Der Stoff aus Baumwolle fühlte sich kühl zwischen meinen Fingern an, weich und fest zugleich.
Ich streifte das Kleid über und strich flüchtig über meine Frisur.
Als ich Ilsa zur Tür folgte, warf ich Lorelie einen hilfesuchenden Blick über die Schulter zu.
"Du schaffst das!", formte sie stumm mit den Lippen.

Aufbrausend, Ahnungslos, AlphaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt